Washington. Donald Trump verstößt im US-Wahlkampf gegen ein ungeschriebenes Transparenz-Gesetz: Er will seine Vermögensverhältnisse geheim halten.

Die Spielregeln sind klar und seit Ewigkeiten bekannt. Wer ins Weiße Haus einziehen will, muss vorher die Hosen herunterlassen – finanziell gesehen. Wer sich ziert, macht sich der Geheimniskrämerei verdächtig. Mindestens. Darum hat sich in den vergangenen 40 Jahren kein Präsidentschaftskandidat auf die Zielgerade für das höchste Staatsamt gewagt, ohne vorher dem Wähler freiwillig Einblick in die persönlichen Vermögensverhältnisse zu geben. Her mit der Steuererklärung! 2016 ist alles anders.

Donald Trump pfeift auf die Tradition, die dem Leitgedanken folgt, die Neugier des Volkes über das Finanzgebaren des künftigen Präsidenten mit völliger Transparenz zu befriedigen – und zwar vor der Wahl. Der designierte republikanische Bewerber für die Nachfolge von Barack Obama, nach Selbstbezeichnung einer der erfolgreichsten Geschäftsmänner unter der Sonne und an die zehn Milliarden Dollar schwer, windet sich seit Tagen wie ein Aal, wenn die Frage nach seinen „tax returns“ aufkommt.

„Da steht nichts von Interesse drin“

„Da steht nichts von Interesse drin“, lautet seine Standardantwort. Eine andere geht in die Richtung, dass die Finanzbehörde IRS sein Firmenimperium gerade in der Prüfzange habe, was noch bis November dauern könne und eine Veröffentlichung der Unterlagen unmöglich mache – der aktuellen vielleicht schon, sagen Fachleute. Steuernachweise für den Zeitraum 2010 bis 2014, teilt die IRS inoffiziell mit, könnten ungeachtet der laufenden Untersuchung jederzeit zugänglich gemacht werden. Aber Trump will nicht.

Generell ist der 69-Jährige, der seinen Wahlkampf als Tabubruch gestaltet, der Meinung, dass der Wähler kein Anrecht auf Einblick in seine Finanzverhältnisse habe. Einem Moderator im Frühstücksfernsehen gab Trump auf die Frage nach der Höhe seines effektiven Steuersatzes barsch zurück: „Das geht Dich gar nichts an.“

Geht es doch, finden nicht nur die Demokraten, deren Kandidaten Hillary Clinton und Bernie Sanders ihre Steuererklärungen vor Monaten im Internet zur Verfügung gestellt hatten. Neben ihnen stoßen sich auch Lobbyverbände, die der Steuergerechtigkeit verpflichtet sind, und diverse Medien an der mangelnden Auskunftsbereitschaft Trumps. Sie fragen: Was hat „The Donald“ zu verbergen?

Firmen aus dem Umkreis der Mafia?

Trumps ehemaliger Rivale um das Präsidentschaftsticket, Ted Cruz, argwöhnt, dass Trump aus seiner Zeit im Immobilien- und Casinogeschäft Kontakte zu Firmen aus dem Umkreis der Mafia unterhält. Auch Mitt Romney, vor vier Jahren unterlegener Spitzenkandidat der Republikaner, vermutet „Sprengstoff“ in den Papieren. Dass ausgerechnet Romney das Wort ergreift, ist nicht ohne Ironie. 2012 zögert der Geschäftsmann, der bei einem Wahlkampfauftritt hinter verschlossenen Türen Schmarotzertum in Teilen der Bevölkerung beklagte, wochenlang mit der Herausgabe seiner Steuererklärung. Am Ende war klar, warum. Bei Jahreseinkünften von knapp 22 Millionen Dollar entdeckten seine Finanzberater immer noch so viele Steuerschlupflöcher in den Gesetzen, dass Romney mit einem mageren Steuersatz von 14 Prozent zur Kasse gebeten wurde. Für eine normale Mittelschichtsfamilie liegt der Satz entschieden höher.

Könnte es sein, dass der im Vergleich zu Romney entschieden reicher wirkende Trump (geschätztes Jahreseinkommen für 2015: 160 Millionen Dollar) noch weniger an den Fiskus abführt? Und wie verhielte sich das zu seinen politischen Versprechungen, etwas für die „kleinen Leute“ zu tun und US-Firmen hart zu belangen, die aus Steuerersparnisgründen ihre Firmensitze ins Ausland verlagert haben? Trump selber macht kein Hehl daraus, die Gesetze bis an die Grenze auszureizen. „Ich arbeite sehr, sehr hart daran, so wenig Steuern wie möglich zu zahlen“, sagte er. Was nicht illegal ist.

Experten verschiedener Denkfabriken in Washington vermuten, dass Trumps Zurückhaltung tiefer reicht. Spekuliert wird darüber, dass die Steuerbescheide belegen, was seit Jahren auch dank intensiver Recherchen des Magazins „Forbes“ im Raum steht: dass Trump bei Weitem nicht so reich und erfolgreich ist, wie er immer tut. Schon vor Jahren hatte der Journalist Timothy O’Brien den Mogul auf höchstens 250 Millionen geschätzt. Trump klagte dagegen und verlor. Beide Parteien vereinbarten Stillschweigen über das Kleingedruckte des Vergleichs.

Womit verdient Trump sein Geld?

Dazu kommt: Ein Einblick in die Steuerunterlagen würde zeigen, womit Trump wirklich Geld verdient. Sind es Kapitalgewinne, Mieten oder Lizenzgebühren? Clintons Dokumente offenbarten, dass die Ex-Außenministerin 2014 rund neun Millionen Dollar allein mit Vorträgen verdient hat.

Drittens: Barmherzigkeit. Trump brüstet sich damit, in den vergangenen fünf Jahren über 100 Millionen Dollar für gemeinnützige Zwecke vergeben zu haben. Zum Vergleich: Die Clintons haben in ihren Steuerunterlagen für 2014 rund drei Millionen Dollar an Spenden verbucht. Medienrecherchen lassen an Trumps Philanthropie zweifeln. Die „Washington Post“, deren Besitzer Jeff Bezos, der Boss von Amazon, Trump als seinen Gegner ausgemacht hat, hält es sogar für möglich, dass Trump „überhaupt nicht gespendet hat“.

Letzter Punkt: Die „tax returns“ legen offen, wie aggressiv jemand versucht, seine Steuerschuld klein zu rechnen – etwa auch durch Sparguthaben in Offshoresteueroasen. Trump behauptet, damit nichts am Hut zu haben. Beweisen könnten das nur die Steuererklärungen.