Berlin. Whistleblower spielen Medien und Behörden immer wieder wichtige Informationen zu. Das könnte nach einer EU-Initiative schwerer werden.

„Nicht schuldig“ - sagt der Angeklagte Antoine Deltour im Luxemburger Gerichtssaal. Wirtschaftsprüfer Deltour hat „Lux-Leaks“, einen der größten Steuerskandale der letzten Jahre, aufgedeckt. Er kopierte Unterlagen aus denen hervorging, wie Großkonzerne mit den Luxemburger Behörden Steuermodelle verabredeten. Ihm drohen nun bis zu zehn Jahre Haft. Ende Juni soll das Urteil ergehen.

Ohne Deltour wäre der Steuerskandal vermutlich nicht aufgedeckt worden. Die Lux-Leaks haben eine internationale Debatte um Steuerflucht entfacht. Sogar Frankreichs Finanzminister Michel Sapin danke ihm. Laut Transparency International ist das Schutzschild für Hinweisgeber in Europa jedoch äußerst löchrig. Häufig ist der Umgang mit den Hinweisgebern nur über das Antikorruptionsgesetz oder in Vorgaben für den öffentlichen Dienst geregelt.

Wer ist eigentlich Whistleblower?

„Whistleblower setzen oft ihre Karriere oder sogar ihre Sicherheit aufs Spiel, um dem Allgemeinwohl zu dienen und Missstände an die Öffentlichkeit zu bringen“, sagt Daniel Freund von Transparency International. „Hinweisgeber wie Antoine Deltour sollten nicht verfolgt, sondern gefeiert werden.“

Freund fordert einen einheitlich hohen Standard, der die Enthüller überall in der EU vor Diskriminierung, Verfolgung und Rache schützt. Ihm geht es um eine gemeinsame Definition, wer eigentlich ein Hinweisgeber ist. Aber auch darum, die Weitergabe von Informationen nicht nur an die zuständigen Behörden, sondern auch an die Öffentlichkeit zu regeln. Dieser Punkt könnte auch Deltour und seinen beiden Mitangeklagten zum Verhängnis werden.

Neue Vorlage zu Geschäftsgeheimnissen

Das Luxemburger Gesetz schützt nicht die Weitergabe von Informationen an die Medien. Dabei ist der Nutzen für Gesellschaft und Wirtschaft enorm. Schätzungen zufolge wurden im vergangenen Jahr rund 40 Prozent der Betrugsfälle von Whistleblowern aufgedeckt. Allein die Enthüllung des Luxemburger Steuerskandals hat dem Staat wohl Hunderte Millionen Euro eingebracht. Nun droht eine neue EU-Richtlinie, ihre Arbeit zusätzlich zu erschweren. Vor Kurzem beschloss das EU-Parlament eine Vorlage zu Geschäftsgeheimnissen. Sie soll den wirtschaftlichen Wettbewerb schützen.

Doch sie schadet gleichzeitig denjenigen, die über Missstände aufklären und berichten wollen. Dutzende Abgeordnete tauchten aus Protest bei der Abstimmung im Brüsseler Parlament mit Edward-Snowden-Masken auf, dem Gesicht des Mannes, der die massenhafte Überwachung durch die US-Geheimdienste ans Licht brachte. Die Parlamentarier befürchten: Hinweisgeber werden abgeschreckt und künftig noch stärker verfolgt. Schließlich müssen sie ausdrücklich nachweisen, ob die Enthüllung der Missstände im öffentlichen Interesse liegt.

„Die Aufklärung von Unrecht darf nicht zum persönlichen Risiko werden“, sagt Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament. „Wer im Interesse des Gemeinwohls handelt, muss sich auf den Schutz der Gesellschaft verlassen können.“ Die Grünen haben bereits eine Vorlage im Europäischen Parlament eingebracht. Nun liegt es an der EU-Kommission, einen Vorschlag zu machen. Julia Reda, Abgeordnete der Piratenpartei im EU-Parlament, fordert eine schnelle Verabschiedung. Die Hürde: spätestens bei den Beratungen in den Regierungen. Reda geht davon aus, dass Staaten wie etwa Luxemburg – die Anklage gegen Deltour erhoben haben – gegen eine solche Schutzregelung stimmen werden.