Berlin. Norbert Hofer, Favorit für die Präsidentenwahl in Wien, will nicht nur Reden halten. Er will die Macht. Die Verfassung macht’s möglich.

Die Ankündigung könnte deutlicher nicht sein: „Sie werden sich wundern, was alles gehen wird.“ Der Satz stammt von Norbert Hofer, Kandidat der rechten FPÖ für die Wahl des Bundespräsidenten in Österreich am kommenden Sonntag. Der 45-Jährige hatte im ersten Wahlgang alle Konkurrenten abgehängt und gilt in der Stichwahl gegen den 72 Jahre alten Wirtschaftsprofessor Alexander Van der Bellen als klarer Favorit. Und seine vollmundige Ankündigung lässt nicht nur in Wien aufhorchen.

Die bisherigen Präsidenten in unserem Nachbarland beschränkten sich, ähnlich wie in Deutschland, auf Reden. Mahnen, fordern, Denkanstöße geben, das ja. Aber vom operativen politischen Geschäft ließen die Staatsoberhäupter in Wien stets die Finger. Dies könnte sich bald ändern. Der FPÖ-Mann Hofer greift nach der Macht, noch bevor er gewählt ist.

Hofer will die Hofburg zur Machtzentrale ausbauen

Die Neujahrsansprache halten, Kongresse eröffnen, dem Opernball die Ehre geben – das reicht Hofer nicht. Er hat in den vergangenen Wochen bereits anklingen lassen, wie er nach seiner Wahl mitmischen will: Einmal im Amt, werde er das Freihandelsabkommen TTIP stoppen – egal, ob das Parlament zustimmt. Er will in die EU-Politik eingreifen und den Regierungschef zu Gipfeltreffen begleiten – um dort „gegen die Befehle aus Brüssel“ zu wettern. Und wenn die Regierung in der Flüchtlingspolitik nicht spurt, hat Hofer ebenfalls einen Plan: das Kabinett entlassen und eine Regierung nach eigenem Gusto ernennen.

Alles nur großspuriges Gerede eines wahlkämpfenden Populisten? Vielleicht. Tatsache ist aber: Hofer hätte die österreichische Verfassung auf seiner Seite, wollte er die Wiener Hofburg zu einer politischen Machtzentrale ausbauen.

Regelung aus dem Jahr 1929 mit brisantem Inhalt

Denn: Eine Regelung aus dem Jahr 1929 gesteht dem österreichischen Präsidenten stattliche Kompetenzen zu. Diese Befugnisse schlummerten jahrzehntelang in den Tiefen der Verfassung, alle bisherigen Bundespräsidenten übten sich in einer Art freiwilligen Selbstbeschränkung.

Anders Norbert Hofer. „Die Regierung davonjagen, (den FPÖ-Chef) Heinz-Christian Strache zum Kanzler ernennen, auf dessen Geheiß den Nationalrat auflösen, mit Notverordnungen regieren: Das alles erlaubt die österreichische Verfassung dem Bundespräsidenten“, diagnostizierte ängstlich das österreichische Nachrichtenmagazin „profil“ und kam zu dem Schluss: „Er kann die Verhältnisse auf den Kopf stellen, ohne zu putschen.“

Droht also bei der Stichwahl am Sonntag bei einem Sieg des FPÖ-Kandidaten Hofer eine Machtübernahme der Populisten durch die Hintertür? „Hindenburg lässt grüßen“, mahnte bereits Zeit Online – eine Anspielung auf die Verhältnisse in Deutschland während der Weimarer Republik, als der mit großer Machtfülle ausgestattete Reichspräsident Paul von Hindenburg den Nazis den Weg an die Regierung ebnete. „Ein Staatsstreich wäre das nicht“, konstatierte der Politikwissenschaftler und Österreich-Experte Manfried Welan in dem Artikel. „Hofer würde nur von gewissen Konventionen abgehen.“

Die politische Stimmung im Land ist auf Hofers Seite

Richtig ist: Hofer, der den ersten Wahlgang mit mehr als 35 Prozent der Stimmen haushoch gewann, hat die Stimmung im Lande auf seiner Seite. Die Politikverdrossenheit ist groß, die in Wien beinahe dauer-regierende Große Koalition aus der sozialdemokratischen SPÖ und den Konservativen (ÖVP) ist erschlafft. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Wirtschaft schwach, die Flüchtlingskrise Thema Nummer eins. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) trat nach dem Schock der ersten Runde in der Präsidentenwahl zurück. „Hofer hat bereits gewirkt, ohne dass er Bundespräsident ist“, jubelte ein FPÖ-Sprecher damals.

Was Österreich bei einem Sieg Hofers am Sonntag zu erwarten hat, konnten die Wähler am vergangenen Wochenende erleben. Das TV-Duell zwischen ihm und seinem Kontrahenten Van der Bellen geriet zur Schlammschlacht: „Lügner“, „Schweinerei“, Scheibenwischer-Geste – die beiden Kandidaten überzogen sich in den 45 Minuten ohne Moderator gegenseitig mit groben Beschimpfungen. „Reden Sie mit einer Flasche, die redet nicht zurück“, forderte Hofer seinen Gegner höhnisch auf.

Der FPÖ-Mann machte aber auch erneut klar, wie er seine Aufgabe als gewähltes Staatsoberhaupt definieren wird: Er werde einfach ein Präsident sein, „der auf das Land aufpasst“. (mit Material von dpa)