Berlin. Absage für den Parteichef: Dem SPD-Vize Olaf Scholz sagt Sigmar Gabriels Vorschlag für einen Kampf um die Spitzenfunktion nicht zu.

Wochenenden sind normalerweise zum Durchatmen da – für die SPD dagegen sind sie im Moment unberechenbar: Vor einer Woche musste die Parteispitze mit einem vielstimmigen Dementi das Gerücht um Sigmar Gabriels angeblich bevorstehenden Rücktritt aus der Welt schaffen. Dieses Mal schickte der Parteichef seine Leute mit der Idee in die Pfingsttage, den nächsten SPD-Kanzlerkandidaten per Mitgliederentscheid aus mehreren Bewerbern zu wählen. Und holte sich prompt die erste Absage: SPD-Vize Olaf Scholz, Hamburgs Erster Bürgermeister, erklärte, er werde dem Parteivorsitzenden den Posten nicht streitig machen. Das Signal: Genosse Sigmar, du musst es selber machen.

Scholz gehört wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und Arbeitsministerin Andrea Nahles zu den SPD-Spitzenpolitikern, die immer wieder als Alternativkandidaten zu Gabriel ins Spiel gebracht werden. Gabriel selbst hat sich noch nicht geäußert, ob er antreten will. „Der SPD-Vorsitzende ist der natürliche Kanzlerkandidat“, sagte Scholz den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Die Parteispitze halte zusammen und jage sich nicht gegenseitig die Posten ab. Gabriel hatte sich im Interview mit dem „Spiegel“ zwei oder drei Bewerber für die Spitzenkandidatur gewünscht und dafür plädiert, die SPD dann in einem Mitgliederentscheid darüber abstimmen zu lassen.

Außenminister Steinmeier stellt sich hinter Gabriel

Unterstützung kam am Sonntag von SPD-Vize Ralf Stegner: „Sigmar Gabriel hat recht: Sollte es im nächsten Jahr mehrere ernsthafte Bewerbungen um die Kanzlerkandidatur der SPD geben, entscheidet ein Votum der Mitglieder – Gabriel hat damit nur ausgesprochen, was einer souveränen Partei entspricht.“ Außerdem sei es ein wichtiges Zeichen, dass die SPD trotz schlechter Umfragen die Flinte nicht ins Korn werfe. „Ich halte es zum jetzigen Zeitpunkt aber für eher unwahrscheinlich, dass es im nächsten Jahr Gegenkandidaten für Sigmar Gabriel als Kanzlerkandidat geben wird“, räumte Stegner gegenüber unserer Redaktion ein.

Auch Außenminister Steinmeier betonte mit Blick auf Gabriel am Wochenende erneut: „Er hat den Zugriff auf die Kanzlerkandidatur.“ Nahles und Schulz äußerten sich nicht. Aus der Union dagegen kam Spott: „Die SPD ist gerade voll in der Wahlkampfvorbereitung: Jeden Tag lehnt eine(r) die Spitzenkandidatur ab“, twitterte Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer. Umfragen sehen die SPD derzeit bei knapp über 20 Prozent – wer immer die Genossen in die Wahl führen wird, seine Chancen auf das Kanzleramt stünden schlecht.

Partei-Linke will nicht anderthalb Jahre über K-Frage reden

Nicht nur Stegner, auch andere Mitglieder der Parteispitze fürchten, dass die anhaltende Debatte über die K-Frage der Partei eher schadet als nützt. „Wichtig ist, dass wir jetzt nicht anderthalb Jahre über die Kanzlerkandidatenfrage reden“, warnt der SPD-Linke. „Das hilft uns nicht.“ Die Sozialdemokraten wollen erst 2017, voraussichtlich nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai, endgültig über ihren Kanzlerkandidaten entscheiden. „Personalfragen stehen erst nächstes Jahr an. Wir müssen uns jetzt um die zentralen Gerechtigkeitsfragen kümmern“, mahnt Stegner.

Beispiel Steuerpolitik: Es sei ein Fehler gewesen, dass die SPD beim Abschluss des Koalitionsvertrags mit der Union nicht auf mehr Steuergerechtigkeit gedrungen habe, sagte Vize-Parteichef Thorsten Schäfer-Gümbel am Sonntag im ZDF. Die SPD werde jetzt in verteilungspolitischen Fragen vermehrt den Konflikt mit der Union suchen. Die Genossen konzentrierten sich stark darauf, in der Koalition stabil zu regieren. „Aber wir müssen jetzt mit Blick auf die nächsten eineinhalb Jahre die Erkennbarkeit wieder in den Vordergrund rücken“, so Schäfer-Gümbel mit Blick auf die Bundestagswahl 2017.

Sozialdemokraten diskutieren auch über die Opposition

Andere Stimmen aus der Parteispitze warnen dagegen, allzu früh vom Regierungsmodus auf den Wahlkampfmodus umzusteigen. Ein „kurzer und knackiger“ Wahlkampf, der vor allem jenes Drittel der Wähler anspricht, das sich erst kurz vor dem Urnengang entscheidet – das erscheint manchem jetzt als Königsweg.

Doch die Genossen sind nicht die einzigen, die längst begonnen haben, die Politik der großen Koalition vom Ende her, sprich: von der nächsten Bundestagswahl zu denken. Führende Unionspolitiker sprachen sich am Wochenende gegen eine Fortsetzung der Koalition mit der SPD aus. CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn warb für ein schwarz-grünes Bündnis, auch Unionsfraktionschef Volker Kauder will eine Neuauflage der großen Koalition möglichst vermeiden. Angesichts der jetzigen Umfragewerte der SPD hieße das: Opposition.

Doch während der Soziologe Heinz Bude den Genossen genau das rät, sich also vorübergehend vom Zwang des Mitregierens zu befreien, ist das Unbehagen der SPD groß: „Ich kann mir nicht vorstellen, in der Opposition zwischen AfD und Linkspartei zu sitzen“, hört man bei Spitzengenossen.