Berlin. Die Gesetzeslage für Hartz-IV-Bezieher soll vereinfacht werden. Das betrifft Ein-Euro-Jobs ebenso wie die Rente für Leistungsbezieher.

Dauerbezieher von Hartz IV sollen künftig länger Ein-Euro-Jobs verrichten können. Die Förderdauer soll für solche Langzeitarbeitslose verlängert werden, die innerhalb der letzten zehn Jahre insgesamt neun Jahre Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bekommen haben. Das sieht eine Formulierung des Bundessozialministeriums für eine Änderung des Gesetzes zu Rechtsvereinfachungen bei Hartz IV vor, über das derzeit der Bundestag berät. Der Formulierungsvorschlag lag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor.

Die Betroffenen sollen künftig nach Ablauf der Höchstdauer von 24 Monaten erneut und auch wiederholt bis zu zwölf Monate in Arbeitsgelegenheiten gewiesen werden können. Das sind meist Ein-Euro-Jobs. Zur Begründung heißt es, den Betroffenen sei es „auch bei guter Konjunktur kaum möglich, vom Aufbau der Beschäftigung zu profitieren und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“, so der Formulierungsvorschlag.

Bisher gilt: 24 Monate innerhalb von fünf Jahren

Derzeit dürfen erwerbsfähige Leistungsberechtigte in einem Zeitraum von fünf Jahren nicht länger als insgesamt 24 Monate Ein-Euro-Jobs zugewiesen werden. Dadurch soll verhindert werden, dass die Chancen der Betroffenen auf dem normalen Arbeitsmarkt kleiner werden.

Die Zahl der geförderten Jobs für Langzeitarbeitslose ging in den vergangenen zwei Jahren um mehr als ein Drittel zurück. Sie sank von knapp 140.000 auf unter 90.000. Von den rund 84.000 Stellen im Dezember 2015 waren 76.000 Ein-Euro-Jobs. Die Zahl der registrierten Hartz-IV-Bezieher, die länger als ein Jahr ohne Job sind, ging im gleichen Zeitraum nur um 1,4 Prozent auf etwa 927.000 zurück.

Koalition will Zwangsverrentung von Hartz-IV-Bezieher erleichtern

Die Koalition will laut eines Änderungsantrags für das Gesetz zudem den zwangsweisen Wechsel von Hartz-IV-Empfängern in die Rente erleichtern. Jobcenter sollen künftig Hartz-IV-Leistungen streichen, wenn Langzeitarbeitslose nicht die nötigen Unterlagen zur vorzeitigen Verrentung vorlegen.

Bereits seit Längerem fordern Sozialverbände, Gewerkschaften und Opposition, die Praxis der „Zwangsverrentung“ aufzugeben. Nach Schätzungen werden jährlich tausende Hartz-IV-Empfänger aufgefordert, vorzeitig mit 63 in Rente zu gehen, obwohl sie dabei Abschläge hinnehmen müssen. Kommen die Menschen der Aufforderung nicht nach, können Jobcenter die Anträge dafür stellen.

Kritik von den Linken

Nötige Unterlagen würden die Betroffenen aber oft nicht vorlegen, heißt es in der Begründung des neuen Vorstoßes. Nach bisheriger Rechtslage seien die Möglichkeiten zur Einwirkung auf die Betroffenen damit erschöpft. Deshalb sollen die Jobcenter in solchen Fällen künftig Leistungen versagen, bis die Betroffenen ihren Mitwirkungspflichten nachkommen.

Heftige Kritik an den Plänen kam von den Linken. „Mit dem Beschluss zur sogenannten Flexi-Rente will die Bundesregierung das Arbeiten über die Regelaltersgrenze hinaus attraktiver machen“, sagte Linken-Rentenexperte Matthias W. Birkwald. „Gleichzeitig verschärft sie die Praxis der Jobcenter, ältere Arbeitslose ab 63 auszusortieren und aufs Abstellgleis zu schicken.“ Widersprüchlicher könne Politik nicht sein. Der Politiker nahm damit Bezug auf einen anderen aktuellen Gesetzentwurf, mit dem fließendere Übergänge in die Rente erleichtert werden sollen.

Birkwald forderte Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) auf, die Zwangsverrentung abzuschaffen und stattdessen ein Sonderprogramm zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit im Alter vorzulegen. Linke-Chefin Katja Kipping sagte: „Die sogenannte Rechtsvereinfachung entpuppt sich immer mehr als Repressionsverschärfung.“ (dpa)