Berlin. Ukraine-Konflikt und der Kampf gegen den IS: Erstmals seit dem Kalten Krieg investiert die Regierung Milliarden in die Bundeswehr.

Erst reaktivierte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bereits ausgemusterte Kampfpanzer. Dann überzeugte sie Finanzminister Wolfgang Schäuble davon, dass Milliardeninvestitionen in die Ausrüstung der Truppe notwendig sind. Und jetzt will die CDU-Politikerin auch noch mehrere tausend Soldaten zusätzlich einstellen. Mit der Vorstellung ihres neuen Personalkonzept an diesem Dienstag ist eine 25-jährige Ära der Abrüstung bei der Bundeswehr endgültig Geschichte.

Seit Ende des Kalten Krieges wurde die Rüstungsbeschaffung von Sparauflagen diktiert. Von den 585.000 Soldaten am Tag der Wiedervereinigung ist noch nicht einmal ein Drittel übrig. Nur noch 177.000 Soldaten tragen die Uniformen von Heer, Marine und Luftwaffe – so wenige wie nie zuvor.

Die Angst vor dem Krieg ist zurück

Für Truppenaufstockungen und Rüstungsausgaben hatte viele Jahre kaum jemand etwas übrig. Die Steuerzahler nicht, weil man das Geld auch für Schulen, Kindergärten oder Rentenerhöhungen nutzen konnte. Und Politiker nicht, weil sich damit kein Punkt im Wahlkampf gewinnen ließ.

Jetzt wird das Rad zurückgedreht. Ausgangspunkt ist die neue Bedrohungslage, die mit der Ukraine-Krise und dem Vormarsch der Terrormiliz „Islamischer Staat“ entstanden ist. Die Angst vor Krieg ist zurück und die Terrorgefahr in Europa sehr real.

In einer aktuellen Befragung des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften sprechen sich 45 Prozent für eine Vergrößerung der Bundeswehr aus. Das sind drei Mal so viele wie 2009 - vor Ukraine-Krise und IS-Vormarsch. Eine Mehrheit von 51 Prozent der Befragten plädiert für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben. 2013 waren es nur 19 Prozent.

Vor einem Absturz in der Beliebtheitsskala deutscher Politiker muss sich von der Leyen also nicht fürchten. Und die Soldaten warten schon lange auf eine Trendwende. Bundeswehrverbandschef André Wüstner nennt die Truppenverstärkung einen wichtigen und mutigen Schritt. Von der Leyen vollziehe damit eine 180-Grad-Wende in der Personalpolitik.

Keine Rückkehr der Wehrpflicht

Auch den Bündnispartnern in der Nato werden die deutschen Aufrüstungspläne gefallen. US-Präsident Barack Obama forderte jüngst bei seinem Deutschlandbesuch wieder mehr Engagement der Europäer bei der weltweiten Krisenbewältigung.

Mit der Personalaufstockung um mehrere tausend Soldaten und der geplanten Erhöhung des Wehretats von derzeit 34,3 auf 39,2 Milliarden Euro bis 2020 kann sich die deutsche Delegation beim Nato-Gipfel im Juli jedenfalls sehen lassen – auch wenn Deutschland weiterhin deutlich hinter dem Nato-Ziel zurückbleiben wird, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Militär auszugeben. Dafür wären mehr als 60 Milliarden Euro Militärausgaben nötig.

Fast alle Reformansätze ihrer Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Thomas de Maizière (CDU) hat von der Leyen inzwischen über den Haufen geworfen. Der Ausgangspunkt für deren Umbaupläne war ein Spardiktat, aus dem weiterer Truppenabbau und Rüstungskürzungen resultierten. Jetzt geht es in die andere Richtung. Aber zumindest ein Reformschritt wird bleiben: Die Wehrpflicht wird von der Leyen sicher nicht reaktivieren. (dpa)