Berlin . Über 16 Millionen Menschen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. Forscher haben sich nun gefragt: Wer sind diese Menschen?

Eltern, die aus dem Ausland stammen? Für jedes dritte Kleinkind in Deutschland ist das mittlerweile ganz normal: Bei den rund 715.000 Kindern, die 2014 auf die Welt kamen und die inzwischen längst auf den Spielplätzen und in den Kitas der Republik unterwegs sind, hat ein Drittel mindestens einen Vater oder eine Mutter mit ausländischen Wurzeln. Doch was wissen wir eigentlich über die 16,4 Millionen Menschen mit Zuwanderergeschichte? Statistiker und Sozialforscher haben jetzt für den Datenreport 2016 Erhebungen des Statistischen Bundesamts und des Sozio-ökonomischen Panels zusammengefasst. Das wichtigste Ergebnis: Zuwanderer und ihre Nachkommen verdienen weniger, sind öfter arbeitslos, aber optimistischer mit Blick auf die Zukunft. Und: Bildung ist der Schlüssel – um diese Zuversicht zu nutzen.

20 Prozent haben ausländische Wurzeln – woher kommen sie?

Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Zuwanderungswellen erlebt. Insgesamt hatten zuletzt 20 Prozent der rund 80 Millionen Menschen zwischen Alpen und Nordsee einen Migrationshintergrund. Der größte Teil sind ehemalige Gastarbeiter aus der Türkei, aus Italien, Spanien, Griechenland und Ex-Jugoslawien – sowie deren Kinder und Enkel. Die Zuwandererfamilien aus den 50er- und 60er-Jahren machen mit knapp sechs Millionen nach wie vor mehr als ein Drittel aller Einwanderer aus. Die zweite große Zuwanderungswelle erlebte das Land in den 90er-Jahren: Die Spätaussiedler bilden noch heute mit mehr als vier Millionen die zweitgrößte Migrantengruppe. Bei den Zuwanderern aus der EU unterscheiden die Statistiker zwischen den rund 900.000 Migranten aus den ursprünglichen EU-Mitgliedsstaaten wie Frankreich oder Großbritannien und den 1,6 Millionen Zuwanderern aus den neuen Mitgliedsländern wie Polen oder Rumänien.

Wie steht es um ihre Bildung?

Im Schnitt sind die Zuwanderer in Deutschland mit gut 35 Jahren elf Jahre jünger als der Durchschnitt der Deutschen. Deshalb liegt der Anteil der Schüler und Azubis auch höher, der Anteil der Rentner dagegen deutlich niedriger. Bei den Bildungsabschlüssen klafft eine große Lücke zwischen Menschen mit und ohne Zuwandererbiografie. Bei den 25- bis 64-Jährigen hat jeder dritte Migrant keinen berufsqualifizierenden Abschluss, bei den Menschen aus Gastarbeiterfamilien war es sogar jeder zweite. Der wichtigste Grund: Vor allem in der ersten Generation waren Schulabschlüsse für eine Beschäftigung in den Betrieben der Wirtschaftswunder-Republik noch nicht wichtig – und kaum jemand kümmerte sich darum, das nachzuholen. Bei der gleichaltrigen Bevölkerung ohne Migrationshintergrund haben dagegen neun von zehn einen qualifizierten Schulabschluss. Mit sieben Prozent liegt die Arbeitslosenquote unter Migranten auch klar über dem Wert für Nichtzugewanderte (vier Prozent).

Wieviel verdienen Zuwanderer im Durchschnitt?

Die Statistiker haben Berufstätige mit mindestens 35 Wochenstunden verglichen: Menschen mit ausländischen Wurzeln verdienen demnach im Schnitt netto 2001 Euro – bei den Beschäftigen ohne Migrationshintergrund liegt der Nettoverdienst im Schnitt bei 2235 Euro. Mit Blick auf die einzelnen Migrantengruppen zeigt sich, dass Zuwanderer aus den traditionellen Gastarbeiterländern (1946 Euro) oder den neuen EU-Staaten wie Polen (1789 Euro) deutlich unter dem Durchschnitt liegen. Franzosen, Amerikaner oder Japaner dagegen verdienen mit mehr als 2800 Euro überdurchschnittlich viel. Großen Einfluss auf das Nettogehalt haben die jeweiligen Bildungsabschlüsse: Bei Migranten lag der Verdienstunterschied zwischen Menschen mit einfachen und hohen Abschlüssen bei rund 950 Euro. Bei Nichtzugewanderten verdienen besser Gebildete sogar durchschnittlich rund 1250 Euro mehr. „Investitionen in Bildung und Ausbildung lohnen sich“, sagt Statistikexpertin Sibylle von Oppeln-Bronikowski.

Sind sie zufrieden mit ihrem Leben in Deutschland?

Auf einer Skala von null bis zehn sollten Menschen mit und ohne ausländische Wurzeln ihren Lebensstandard, ihr Einkommen, ihre Lebenszufriedenheit und ihre Sicht auf die nächsten fünf Jahre einschätzen. Die Auswertung der Daten des Sozio-ökonomischem Panels zeigt: Bei den materiellen Faktoren sind die Deutschen am zufriedensten – am unzufriedensten sind die Migranten mit türkischen Wurzeln. Das Leben selbst aber und vor allem die Zukunft betrachten die Zuwanderer mit größerer Zuversicht als die Deutschen. Ein wichtiger Grund für den Optimismus: Der Blick zurück in die alte Heimat. „Sie vergleichen ihre Lebenssituation mit der Situation in ihrem Herkunftsland und finden, dass es ihnen gut geht“, sagt Mareike Bünning vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Die Folge: 80 Prozent aller Migranten wollen für immer in Deutschland bleiben – bei den Türkeistämmigen wollen es immerhin 66 Prozent. Menschen mit türkischen Wurzeln beklagen sich allerdings auch deutlich öfter über Benachteiligung und machen sich größere Sorgen um Ausländerfeindlichkeit.