Berlin. Journalisten stehen massiv unter Druck. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ übt am Tag der Pressefreiheit aber auch Selbstkritik.

Zum internationalen Tag der Pressefreiheit haben Menschenrechtler und Journalistenverbände weltweit dazu aufgerufen, einen UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten einzusetzen.

Pressefreiheit dürfe nicht nur in Sonntagsreden hochgehalten werden, erklärte der Vorstandssprecher von „Reporter ohne Grenzen“ in Deutschland, Michael Rediske, am Dienstag auf der Website seiner Organisation. „Wo Journalisten wegen ihrer Arbeit um Leib und Leben fürchten müssen, nehmen Zensur und Desinformation überhand.“

Konstant hohe Zahl getöteter Medienschaffender

Der Initiative von „Reporter ohne Grenzen“ schlossen sich den Angaben zufolge auch namhafte Medienunternehmen aus allen Kontinenten an, darunter der Weltzeitungsverband WAN-IFRA. Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, das US-amerikanische Committee to Protect Journalists sowie viele Zeitungen, darunter die „New York Times“, unterstützen den Aufruf an die Vereinten Nationen.

„Ein UN-Sonderbeauftragter mit einem starken Mandat würde den Schutz von Journalisten international zur Chefsache machen“, sagte Rediske. „Reporter ohne Grenzen“ warb in einem Brief an alle UN-Botschafter zudem für einen Mechanismus, um die Staaten zur Einhaltung ihrer völkerrechtlichen Pflicht zum Schutz von Journalisten vor Gewaltverbrechen anzuhalten. Ziel sei es, die seit Jahren konstant hohen Zahlen getöteter Medienschaffender endlich zu senken.

Druck auf Journalisten wächst in vielen Ländern

Die Situation von Journalisten in aller Welt hat sich nach Einschätzung der internationalen Organisation „Reporter ohne Grenzen“ in den vergangenen zwei Jahrzehnten erheblich verschlechtert. „Journalisten geraten in immer mehr Ländern unter Druck und werden bedroht – zum Beispiel von autoritären Regimen wie in Russland oder Ägypten“, sagte Rediske dem Bremer „Weser-Kurier“.

Seit sich „Reporter ohne Grenzen“ vor 22 Jahren in Deutschland gegründet habe, sei dieser Tag noch nie ein Anlass zur Freude gewesen, sagte Rediske, der auch Geschäftsführer des Journalistenverbands Berlin-Brandenburg ist. In Europa sei die Pressefreiheit im vergangenen Jahr vor allem in der Türkei und in Polen eingeschränkt worden. Ganz hinten in der Rangliste lägen bereits seit Jahren China, Nordkorea und Vietnam.

Journalisten-Bashing und Beleidigungen im Netz

Auch in Deutschland, das in der Liste auf Platz 16 rangiere, habe sich die Lage verschlechtert, betonte Rediske. Unter dem Schlagwort „Lügenpresse“ werde die Pressefreiheit vor allem von aufgebrachten Bürgern eingeschränkt. „Journalisten-Bashing und Beleidigungen im Internet und etwa auf Demonstrationen von 'Pegida' und AfD sind alltäglich geworden, in einer Weise, wie wir es bis dato noch nicht erlebt hatten.“

Hinzu komme, dass Journalisten ins Visier der Justiz gerieten und von Nachrichtendiensten überwacht würden. Allerdings werde die Pressefreiheit in Deutschland vor allem durch das Bundesverfassungsgericht gut geschützt. Das gebe im Zweifel fast immer der Pressefreiheit den Vorrang vor staatlichen und privaten Interessen. Rediske bemängelte, dass die Medien in Deutschland immer stärker von kommerziellen Interessen gelenkt würden. „Das Gebot der strikten Trennung zwischen redaktionellen und werbenden Inhalten wird nicht mehr überall eingehalten.“ (epd)