Moria. Im Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos werden Tausende Menschen zusammengepfercht. Ein Bericht über das dortige Elend.

Bevor Papst Franziskus Mitte April nach Moria kam, begann das große Reinemachen. Die kleinen, windschiefen Zelte verschwanden, es wurde gestrichen, aufgeräumt. Das Flüchtlingslager nahe der Ostküste der griechischen Insel Lesbos sollte für den Besuch des Heiligen Vaters schön aussehen. Tatsächlich müssen die Verhältnisse in Moria aber katastrophal sein. Das berichtet Adrian P. (Name von der Redaktion geändert), der dort für einige Wochen gearbeitet hat.

In Moria werden derzeit etwa 4000 Flüchtlinge hinter Zäunen festgehalten, die meisten aus Syrien, andere aus dem Irak, Afghanistan, Pakistan oder Bangladesch. Sie hoffen darauf, dass sie Asyl erhalten und nicht wieder in die Türkei zurückgeschickt werden, wie es der Flüchtlingspakt zwischen Ankara und der EU vorsieht. Demnach sollen alle Menschen, die nach dem 20. März illegal nach Griechenland eingereist sind, wieder in die Türkei abgeschoben werden.

4000 Flüchtlinge hinter Zäunen

„Moria ist wie ein Gefängnis. Die Menschen werden dort zusammengepfercht, sie haben keine Privatsphäre, auf kulturelle Unterschiede wird keine Rücksicht genommen. Familien werden mit alleinstehenden jungen Männern zusammengelegt. Die hygienischen Bedingungen sind furchtbar“, erzählt Adrian.

Am Mittwoch gab es in Moria beim Besuch des griechischen Migrationsministers Ioannis Mouzalas heftige Ausschreitungen. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas und Wasserwerfer ein, als Flüchtlinge den Minister mit Steinen und Wasserflaschen bewarfen. Über ein Dutzend Flüchtlinge wurde verletzt. Einige sollen versucht haben, aus dem Camp auszubrechen. Kein Wunder, sagt Adrian. „Die Leute in Moria sind sehr verzweifelt. Sie sagen, dass sie alles riskiert haben, um nach Europa zu kommen, manche haben Familienmitglieder verloren. Jetzt werden die meisten von ihnen wieder in die Türkei zurückgeschickt.“ Es waren nicht die ersten Ausschreitungen in Moria. Adrian hat Videos gedreht. Auf denen ist zu sehen, wie Flüchtlinge in langen Schlangen vor der Essensausgabe stehen. Es kommt zu Schlägereien, die griechischen Sicherheitskräfte sehen teilnahmslos zu. „Es gibt zu wenig zu essen, die Qualität ist schlecht. Einige Leute aus Pakistan und Bangladesch sind in den Hungerstreik getreten.“

Oft hängt es an der Übersetzung

Es sind aber nicht nur die Lebensumstände, die die Flüchtlinge in Moria mürbe machen. Sie warten auch ewig auf Entscheidungen über ihre Asylanträge. Die griechischen Behörden lassen sich viel Zeit bei der Registrierung der Flüchtlinge, sagt Adrian. Ohne Registrierung können die sogenannten Case Worker, die Fallbearbeiter des „Europäischen Büros für Asylfragen“ (EASO) aber keine Anhörungen durchführen. Diese Anhörungen, in denen die Flüchtlinge anhand eines Fragenkatalogs zu ihren Fluchtgründen interviewt werden, sind die Grundlage für die Asylentscheidung. Die Flüchtlinge müssen nachweisen, dass ihr Leben in der Türkei bedroht ist, um Asyl erhalten zu können.

Die Fallbearbeiter stammen aus EU-Ländern wie Deutschland, Rumänien, Portugal, der Slowakei oder den Niederlanden. „Viele von den Case Workern können aber kein oder nur ein bisschen Englisch“, berichtet Adrian. Genauso aber auch viele der eingesetzten Dolmetscher.

„Die Case Worker verstehen nicht, was die Dolmetscher sagen. Die Dolmetscher können nicht übersetzen, was die Flüchtlinge berichten“, so Adrian. Die Anhörungen würden somit zur Farce. „Da stehen Antworten auf komplizierte und detaillierte Fragen in einem Englisch, das von Fünftklässlern geschrieben sein könnte.“ Diese Antworten entscheiden aber über das Schicksal der Flüchtlinge. Adrian ist sich sicher: „Das, was in Moria geschieht, soll der Abschreckung von Flüchtlingen dienen und sie dazu bewegen, freiwillig in die Türkei zurückzukehren.“