Berlin. Reformen sollen Lücken im Sexualstrafrecht schließen. Der Gesetzentwurf von Justizminister Maas geht Kritikern aber nicht weit genug.

Die geplante Verschärfung des Sexualstrafrechts beschäftigt an diesem Donnerstag den Bundestag. Mit der Reform will Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) Schutzlücken im Sexualstrafrecht schließen. Aus Sicht von Grünen, Linken und auch einiger SPD-Parlamentarierinnen geht der vorgelegte Gesetzentwurf aber nicht weit genug. Aber was fordern die Parteien genau – und wie gut sind Opfer sexueller Gewalt bisher geschützt? Ein Überblick.

Warum ist eine Reform des Sexualstrafrechts nötig?

Das aktuelle Sexualstrafrecht lasse „eklatante Schutzlücken“ zulasten der Opfer offen, lautet Maas’ Begründung für die Reform, die gegenwärtige Rechtslage sei unzureichend. Der Tatbestand der Vergewaltigung werde bisher zu eng beschrieben. So gilt nach Paragraf 177 (Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung) des Strafgesetzbuches derzeit ein Geschlechtsverkehr oder das Eindringen in den Körpers des Opfers nur unter drei Bedingungen als Vergewaltigung: Wenn die sexuelle Handlung mit Gewalt erzwungen wurde, wenn Leib oder Leben des Opfers bedroht werden oder wenn der Täter eine schutzlose Lage seines Opfers ausnutzt. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, liegt demnach kein Straftatbestand vor – auch wenn der Sex gegen den Willen des Opfers geschieht.

Das widerspreche jedoch der Istanbul-Konvention des Europarats aus dem Jahr 2011, so die Begründung im Gesetzentwurf. Artikel 36 der Konvention regelt klar, dass „nicht einverständliches, sexuell bestimmtes vaginales, anales oder orales Eindringen in den Körper (...) mit einem Körperteil oder Gegenstand“ sowie „sonstige nicht einverständliche sexuell bestimmte Handlungen“ unter Strafe zu stellen seien.

Zudem können bisher Vergehen wie überraschende Griffe an die Brust oder zwischen die Beine nur schwer als sexuelle Nötigung geahndet werden, etwa weil der Täter sein Opfer so schnell begrapscht, dass es weder Zeit hat, einen entgegenstehenden Willen zu fassen, geschweige denn ihn zu äußern und sich zu wehren. Meist werden solche Taten als Beleidigungen geahndet und bleiben häufig straffrei.

Welche Änderungen sieht der Gesetzentwurf vor?

Justizministern Maas sieht bei seiner Gesetzesänderung vor allem eine Neufassung des Strafgesetzbuch-Paragrafen 179 vor. In der bisherigen Fassung regelt er das Strafmaß bei „Sexuellem Missbrauch widerstandsunfähiger Personen“. Zukünftig soll er mit „Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung besonderer Umstände“ überschrieben sein und damit erweitert werden.

Demnach soll künftig bestraft werden, wer sexuelle Handlungen an einer Person vornimmt, die „aufgrund ihres körperlichen oder psychischen Zustands zum Widerstand unfähig ist“, genauso wie an jemandem, der „aufgrund der überraschenden Begehung der Tat zum Widerstand unfähig ist“ oder im Fall des „Widerstandes ein empfindliches Übel befürchtet“.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Eine Frau leistet keinen Widerstand und wehrt sich nicht gegen sexuelle Handlungen, weil der Täter bereits früher gewalttätig geworden war und sie sich vor weiterer Gewalt fürchtet. Während der Täter nach der alten Gesetzfassung höchstens wegen Nötigung belangt werden konnte, könnte er nach dem neuen Entwurf wegen Vergewaltigung belangt werden. Auch wer grapscht, muss nach den geplanten Neuerungen mit einer Freiheitsstrafe rechnen.

Welche Kritik gibt es an Maas’ Entwurf?

Einig sind sich Koalitionsparteien und die Opposition, dass sich im Sexualstrafrecht etwas ändern muss. Vielen Feministinnen, Rechtsanwältinnen und Betroffenen-Verbänden, aber auch Abgeordneten verschiedener Parteien geht der Entwurf nicht weit genug. Die Kritik betrifft insbesondere die Formulierung in Paragraf 177 des Strafgesetzbuches. Die auch vom Bundesrat inzwischen formulierte Forderung, ein klar ausgesprochenes „Nein“ müsse ausreichen, damit eine sexuelle Handlung strafbar wird, werde nicht umgesetzt. Einen entsprechenden Grundtatbestand fordern SPD- und Unionsparlamentarierinnen sowie die Grünen gleichermaßen.

So sprach sich etwa die SPD-Fraktionsvize Carola Reimann für Änderungen an dem Gesetzentwurf aus. Geklärt werden müsse, wie der Grundsatz „Nein heißt Nein“ umgesetzt werden könne, sagte Reimann am Donnerstag im ZDF-„Morgenmagazin“. Auch die Linke-Rechtsexpertin Halina Wawzyniak forderte, dass der klare Grundsatz „Nein heißt nein“ verankert werden müsse. Ähnliche Kritik hatten die Grünen bereits Anfang des Jahres geäußert: Damals sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, von Frauen werde gefordert, mehr als nur „Nein“ zu sagen. Dies müsse sich ändern. „Es muss klar sein: Ein Nein ist ein Nein.“ Ihre Partei-Kollegin Katja Keul wiederholte nun die alte Forderung.

Zudem müsse für sexuelle Belästigung endlich ein Straftatbestand geschaffen werden, forderte Reimann. „Das werden wir als eigenen Paragrafen noch hinzufügen müssen“, sagte sie. Sexuelle Belästigung etwa am Arbeitsplatz sei ein großes Problem. (mit dpa)