Berlin. Seit Februar sind nur noch rund tausend Flüchtlinge aus Marokko, Tunesien und Algerien gekommen – haben Gesetzespläne abgeschreckt?

Nach den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht hat die Bundesregierung schnell reagiert: Sie will Marokko, Algerien und Tunesien zu sicheren Herkunftsstaaten erklären lassen, um Flüchtlinge von dort schneller abschieben zu können. Noch ist das umstrittene Gesetz gar nicht beschlossen – aber es zeigt offenbar trotzdem schon die erhoffte Wirkung: Die Zahl der Flüchtlinge aus den drei Maghreb-Staaten ist nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) drastisch zurückgegangen.

In einem Schreiben vom 21. April an den Bundestag, das unserer Redaktion vorliegt, macht die Behörde klare Angaben: Wurden im Januar noch 3356 Einreisen registriert, waren es im Februar nur noch 599 und im März 480. Als Grund nennt das Bundesamt eben jenes Gesetz, das die drei Länder als sichere Herkunftsstaaten einstufen soll: „Allein die Diskussion um die Einführung des Gesetzes im Januar 2016 hat ab dem Februar zu einer spürbaren Reduzierung der Neuzugänge geführt“. Die umstrittene Neuregelung hat für die Behörde damit „Signalwirkung“.

Die wenigsten Flüchtlinge aus den Maghreb-Staaten bekommen Asyl

Die Einreisezahlen aus den nordafrikanischen Staaten waren im Verlauf des vergangenen Jahres massiv angestiegen, die Behörde spricht jetzt von 26.036 registrierten Neuzugängen 2015. Doch haben die wenigsten Flüchtlinge Aussicht auf ein Bleiberecht: Die sogenannte Schutzquote für Menschen aus den drei Ländern lag im Vorjahr bei 2,1 Prozent, im ersten Quartal 2016 sogar nur noch bei 0,7 Prozent, erläutert das Bundesamt weiter.

Der Bericht der Behörde dürfte seine Wirkung nicht verfehlen: Im Bundestag ist eine Mehrheit für das Gesetz zwar sicher – im Bundesrat aber ist die Koalition auf Stimmen der Grünen angewiesen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte sich dafür offen gezeigt, vor einer Zustimmung aber Belege verlangt, dass die Asylrechts-Verschärfung wirklich etwas bringen wird. Das Bundesamt hält diese Frage jetzt offenbar für geklärt: Das Gesetz werde „abschreckende Wirkung entfalten“ und „in der Praxis zu einer Verminderung der Zahl unberechtigter Asylantragstellungen aus Marokko, Algerien und Tunesien führen“. Derzeit seien „zwei Drittel der Verfahren offensichtlich unbegründet“.

Amnesty International beklagt Folter und Verfolgung Homosexueller

Doch der Plan, die Länder als sichere Herkunftsstaaten einzustufen, bleibt umstritten: Amnesty International warnt in einem Schreiben an den Bundestag, wegen der menschenrechtlichen Situation in den drei Ländern sei eine solche Einstufung nach den Kriterien des Bundesverfassungsgerichts und des EU-Rechts nicht möglich. Die Organisation beklagt unter anderem Folter und die Verfolgung von Homosexualität. Doch das Gesetz mache es „nahezu unmöglich, Verfolgung glaubhaft zu machen“. Auch Pro Asyl warnt, die Pläne würden verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht gerecht. Aus den Menschenrechtsverletzungen würden keine Schlussfolgerungen gezogen. Abschreckung dürfe nicht Leitlinie einer an Menschenrechten orientierten Asylpolitik sein.