Berlin. Vor dem Türkeibesuch bekommt die Bundeskanzlerin viele Ratschläge. Grünen-Fraktionschefin Göring-Eckardt regt ein „starkes Signal“ an.

Ihr werden Ambitionen nachgesagt, erste deutsche Außenministerin zu werden: Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt fordert Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, bei ihrem Staatsbesuch in der Türkei auch kritische Journalisten zu treffen.

Inzwischen kommen deutlich weniger Flüchtlinge über die Türkei nach Mitteleuropa. Ein Erfolg der Kanzlerin?

Katrin Göring-Eckardt: Die Flüchtlinge stecken derzeit in der Türkei und in Nordafrika fest und versuchen auf neuen, zum Teil lebensgefährlichen Routen nach Europa zu kommen. Wenn Afghanen und sogar Syrer von der Türkei in ihre vom Krieg zerfetzten Länder abgeschoben werden, ist das alles andere als ein Erfolg. Seit dem 5. April sind die Probleme für uns nicht mehr so sichtbar, aber keineswegs behoben.

Was sagt der Fall des deutschen Satirikers Böhmermann über die Zusammenarbeit mit der Türkei in der Flüchtlingskrise aus?

Göring-Eckardt: Der Fall Böhmermann hat das Dilemma von Merkel aufgedeckt. Statt eine europäische Lösung zu erreichen, hat sie sich zur Regulierung der Flüchtlingszahlen Erdogan ausgeliefert. Dabei ist der Fall Böhmermann nur ein Puzzlestück von vielen. Dass der deutsche Botschafter einbestellt wird, weil er einen Gerichtsprozess gegen kritische Journalisten beobachtet, halte ich für grotesk. Frau Merkel kann und muss gegenüber Herrn Erdogan deutlich souveräner auftreten.

Was erwarten Sie von Merkel bei Ihrer Türkei-Visite?

Göring-Eckardt: Was die Kanzlerin dringend und schonungslos tun muss, ist, die massiven Einschränkungen der Pressefreiheit zu kritisieren und darauf zu drängen, dass Journalisten ungehindert im und aus dem Land berichten dürfen. Sie muss sich für eine Befriedung des Bürgerkrieges mit den Kurden einsetzen. Umgekehrt muss sie von den EU-Partnern einfordern, dass Europa mehr als die vereinbarten 72.000 Flüchtlinge aufnimmt und nicht nur solche aus Syrien. Apropos Demokratie und Meinungsfreiheit: Ein starkes Signal wäre, wenn sich Merkel auch mit kritischen Journalisten und Oppositionspolitikern treffen würde. Als Ostdeutsche sollte sie wissen, was das für diese unter Druck geratenen Menschen bedeutet.