Washington. Die „Panama Papers“ haben Steueroasen in der Karibik bekannt gemacht. Doch auch in den USA werden fleißig Steuerzahlungen umgangen.

Bevor die US-Regierung die „Panama Papers“ über milliardenschwere Briefkastenfirmen nutzte, um zum globalen Abdichten von Steuerschlupflöchern aufzurufen, wäre ein Blick ins Archiv hilfreich gewesen. Der ehemalige Bezirksstaatsanwalt von New York, Robert Morgenthau, hatte 2009 vor dem Senat gesagt, es sei „heuchlerisch“, wenn die USA mit erhobenem Zeigefinger gegen Steuerhinterziehung und Intransparenz zu Felde ziehen, während auf US-Boden Steuerhinterziehung und Schwarzgeldverschleierung geduldet wird. „Das schwächt unsere moralische Autorität“, sagte Morgenthau. Und nannte schon damals das Beispiel Delaware.

Der nördlich von Washington DC gelegene Bundesstaat, Heimat von Vizepräsident Joe Biden, bietet bei 900.000 Einwohnern rund um die Hauptstadt Wilmington rund 1,2 Millionen Firmen Standorte an. Auf dem Papier. Allein in der North Orange Street im „Corporation Trust Center“ sind etwa 290.000 belegschaftslose Unternehmen registriert. Darunter auch große Namen wie Apple, Google oder General Motors.

Tochterfirmen zahlen nur geringen Steuersatz in Delaware

Grob beschrieben lockt Delaware seit Jahren mit einem Steuervermeidungs-Mechanismus. Unternehmen mit Sitz einer Tochtergesellschaft dort können intern Finanzlasten nach Delaware so verschieben, dass sie substanziell Abgaben sparen. Zum Leidwesen jener Bundesstaaten, die tatsächlich die jeweiligen Fabriken oder Büro-Silos der Firmen beherbergen und denen Einnahmen verloren gehen. Die Nutznießer zahlen lediglich eine so genannte „Franchise Tax“ an den Bundesstaat Delaware. Soweit die legale und sehr umstrittene Form der Steueroptimierung.

Im Umfeld dieser Praktiken kommen aber auch jene oft unentdeckt zum Zuge, die – wie auch jetzt bei den „Panama Papers“ – jeder Fiskus gerne zur Verantwortung zöge: Steuerflüchtlinge. Und Kriminelle. Der berüchtigte russische Waffenhändler Viktor Bout, der eine 25-jährige Haftstrafe in den USA verbüßt, bediente sich Briefkastenfirmen aus Delaware. Wer dort fündig wird, kann sich den Flug nach Panama sparen.

Steuernsparen ist leichter als einen Büchereiausweis zu bekommen

Im Mittelpunkt steht im Ostküstenstaat die Rechtsform der „Limited Liability Company“; etwa: Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der Abschluss einer LLC geht in wenigen Minuten über die Bühne. Kostenpunkt: circa 250 Dollar.

Problem dabei: Zur Gründung einer LLC verlangt Delaware zwei Angaben: den Namen der LLC und den eines registrierten Maklers, der den Kontakt zur Firma gewährleisten muss. Informationen über die wirtschaftlich Berechtigten hinter juristischen Personen, über Geschäftszweck und die Herkunft von Geldflüssen werden ausdrücklich nicht verlangt. Man muss nicht mal einen Pass vorlegen. „In Delaware ist es schwerer, einen Büchereiausweis zu kommen“, spotten Insider. Die Verschwiegenheit, die Kunden gewährt wird, ist nach Angaben des „Tax Justice Network“ größer als in klassischen Steuer-Oasen wie den Cayman Inseln. Die Watchdog-Organsation „Netzwerk Steuergerechtigkeit“ hat die USA - maßgeblich wegen Delaware – schon vor Jahren als drittschlimmsten Steuerverheimlichter weltweit an den Pranger gestellt. Ohne wirkliche Konsequenzen. Delaware nimmt durch die erhobenen Gebühren fast eine Milliarde Dollar im Jahr ein und bestreitet damit ein Viertel seines Haushalts. Diesen „Industriezweig“ zu strangulieren, ist für den zuständigen Sekretär Richard Geisenberger ausgeschlossen. Und die Zentralregierung, etwa Finanzminister Lew, hat keine echte Handhabe.

Andere Bundesstaaten folgen dem Beispiel

Delawares Beispiel hat Schule gemacht. Auch in Nevada und South Dakota gibt es entsprechende Modelle. Ebenso im Cowboy-Staat Wyoming. Auf 584.000 Einwohner kamen dort Ende 2015 rund 130.000 Firmen. In der Regel Briefkastenfirmen. Finanzdienstleister in der Hauptstadt Cheyenne werben bei der Einrichtung von Firmen offen für Methoden, die als versteckte Anleitung zur Schwarzgeld-Verwertung interpretiert werden können. „Die Direktoren müssen nicht einmal in Amerika leben“, annonciert der Dienstleister AAA Corporate Service.

Versuche der Regierung in Washington, den Flickenteppich aufzulösen, die Grauzone auszuleuchten und Regulierungen zu vereinheitlichen, scheitern stets am Kongress. Abgeordnete und Senatoren aus Bundesstaaten, die von diesen Finanz-Modellen profitieren, riskierten ihre politische Existenz, würden sie sich dagegen stellen. Wyomings Staatssekretär Ed Murray weist den Vorwurf, zu „laxe“ Gesetze zu haben, entschieden zurück. „Wir sind nur wirtschaftsfreundlich.“ Und können schweigen wie ein Grab.

USA teilen keine Steuerdaten

Während die USA seit 2010 von fremden Finanzeinrichtungen sämtliche Informationen über Konten von Amerikanern im Ausland verlangen, hält die Supermacht umgekehrt damit hinterm Berg. Einem 2014 von 90 Ländern unter dem Dach der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD) vereinbarten Informationsaustausch zur Eindämmung von Geldwäsche haben sich die USA bis heute verweigert. Dabei wäre Kooperation nötig.

Der „Miami Herald“ hat gerade auf Basis der „Panama Papers“ nachgewiesen, wie Dutzende reiche Südamerikaner über den Umweg von Briefkastenfirmen im Süden Floridas immer öfter millionenschwere Immobilienkäufe tätigen und dabei mutmaßlich Geld aus dubiosen Quellen waschen.