Berlin. Die SPD lehnt die Pläne der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen für einen Anti-Terror-Einsatz von Soldaten im Inneren ab.

Vor einigen Tagen war Wolfgang Hellmich in Brüssel. Die Soldaten auf der Straße fielen ihm sogleich auf, die Armee wurde für den Anti-Terror-Kampf herangezogen. Der SPD-Abgeordnete sitzt dem Verteidigungsausschuss vor, aus Neugier fing er ein Gespräch mit ihnen an. Sie dürften von der Waffe keinen Gebrauch machen. Und wenn eingeschritten werden müsse, dann schalteten sie die Polizei ein.

Hellmich begriff: Die Militärs dürfen nicht mehr als ihre deutschen Kameraden, ihr Einsatz soll allenfalls ein größeres Sicherheitsgefühl vermitteln. Der Sozialdemokrat fühlte sich in seiner Ablehnung bestätigt. Sein Berliner Koalitionspartner – die Union – kommt allerdings zu einem völlig anderen Ergebnis.

Sie nimmt an zwei Fronten eine Initiative in Angriff, um einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren zu erleichtern. Für das nächste „Weißbuch“ der Bundeswehr bringt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eine Grundgesetzänderung ins Spiel. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der Saarländer Klaus Bouillon, setzte das Thema derweil auf die Tagesordnung des nächsten Treffens: „Wir reden über terroristische Gefahren. Wo mit Bomben und Kriegswaffen agiert wird, stößt unsere Polizei schnell an ihre Grenzen.“

SPD: „Es gibt keine Unterstützung“

Weder Bouillon noch von der Leyen haben es freilich selbst in der Hand. Er braucht einen Konsens unter den Innenministern, wo die Mehrheit ein SPD-Parteibuch hat und Nein sagt. Sie muss sich bis zur Sommerpause im Kabinett erst noch mit anderen Ressorts verständigen, vorneweg mit dem SPD-geführten Auswärtigen Amt. Eine gemeinsame Haltung – Fehlanzeige.

Als die Ministerin am Morgen Hellmich und den SPD-Wehrexperten Rainer Arnold in ihre Pläne einweihte, machten beide klar, „es gibt keine Unterstützung.“ Wenig später kam die klare Absage aus dem Willy-Brandt-Haus: Dass die Union schon wieder Forderungen nach einem Bundeswehreinsatz im Inneren erhebe, sei „ermüdend und nicht nachvollziehbar“, sagte Generalsekretärin Katarina Barley unserer Redaktion. Keine Sicherheitsbehörde spreche sich für einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren aus. Dadurch würden auch keine anderen Behörden entlastet. „Vergessen wird offenbar, dass schon heute die Bundeswehr Amtshilfe etwa bei Unglücksfällen leisten kann. Das hat sie in der Vergangenheit bravourös getan, beispielsweise bei der Oderflut.“

Textentwurf von der Leyens bleibt unbestimmt

Allein der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) ließ eine kleine Tür offen. Die Klärung der Sachfrage wäre „gewiss eine fundierte Debatte wert“, sagte er unserer Redaktion. Aber auch er lässt eine gewisse Skepsis erkennen. „Es gibt ja bereits die Artikel zum inneren Notstand, zum Spannungsfall, zum Verteidigungsfall und zur Amtshilfe bei Naturkatastrophen und schweren Unglücksfällen, die Unterstützung durch die Streitkräfte bei uns zu Hause erlauben“, erinnerte Bartels.

Wo könnte die Bundeswehr helfen? Um die Polizei im Notfall bei der Gebäudeabsicherung zu entlasten? Nach einem Angriff mit chemischen Waffen? Bei einer Terrorattacke mit nuklear belasteten „schmutzigen Bomben“? In einem Textentwurf blieb von der Leyen umständlich und unbestimmt. Von „zukünftigen sicherheitspolitischen Bedrohungen“ ist die Rede, die eine Weiterentwicklung erforderlich machten, „um einen wirkungsvollen Beitrag der Bundeswehr zur Gefahrenabwehr an der Grenze von innerer und äußerer Sicherheit auf einer klaren Grundlage zu ermöglichen“. Sie wird ihr Plädoyer anschaulicher begründen müssen, will sie es den Gegnern nicht zu leicht machen.

Lischka nennt Debatte einen „Nebenkriegsschauplatz“

„Da sind wir konservativ“, sagte Oliver Malchow, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, unserer Redaktion. Es gebe aus guten Gründen die Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit. „Nicht jeder, der eine Waffe tragen darf, eignet sich auch für den Anti-Terror-Kampf“, sagte SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka. Dafür brauche man eine (polizeiliche) Schulung. Die Debatte sei ein „Nebenkriegsschauplatz“. Er sieht Innenminister Thomas de Maizière in der Pflicht, stattdessen mehr in die Bundespolizei zu investieren.

Der CDU-Mann hält sich zurück. Weder hat er in der Innenministerkonferenz eine Stimme noch ist er beim Weißbuch-Prozess federführend. Er ahnt, dass sich nichts bewegt. SPD-Mann Hellmich ist sich sogar sicher: „Außer vielleicht der AfD gibt es keine Partei, die so etwas in einem Koalitionsvertrag unterschreiben würde“.

So droht von der Leyens Forderung als Rohrkrepierer zu enden. Obendrein hat sie über ihre Pläne zuerst Journalisten vertraulich informiert – die Vertraulichkeit hatte eine Halbwertzeit von wenigen Stunden –, danach ihre Kabinettskollegen und den Koalitionspartner. Das Grummeln war unüberhörbar. Einerseits.

Mit der Forderung kann die Union im Wahlkampf punkten

Andererseits kämpft die Union seit Jahren für einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren, die CSU hatte es Anfang Januar auf ihrer Klausur in Kreuth bekräftigt. Von der Leyen kann sich sicher sein, dass die Partei hinter ihr steht. Sie kann im Wahlkampf punkten. Und dem Weißbuch bescherte sie mit der Debatte Publicity. Das Dokument, eine Analyse der sicherheitspolitischen Lage, bildet den Rahmen für den Einsatz der Sicherheitskräfte ab. Von der Leyen hat einen monatelangen Prozess organisiert – zehn Workshops, 150 Experten, 1900 Teilnehmer –, von dem nur die Sicherheitsgemeinde Notiz genommen hat. Das änderte sich am Dienstag schlagartig.