Mexiko Stadt. Für die brasilianische Präsidentin wird es eng. Eine Parlamentskommission hat sich für einen Rückzug von Dilma Rousseff ausgesprochen.

Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff ist seit dem späten Montagabend (Ortszeit) dem Verlust ihres Amts ein Stück näher gekommen. Nach neunstündiger kontroverser und hitziger Debatte empfahl ein Parlamentsausschuss der Abgeordnetenkammer mit 38 zu 27 Stimmen, für ein Amtsenthebungsverfahren zu stimmen. Das Votum war noch keine Entscheidung, aber ein Fingerzeig der Abgeordneten, der zudem deutlicher als erwartet gegen die Linkspräsidentin der Arbeiterpartei PT ausfiel.

Die Kammer befindet Ende der Woche oder am Wochenende im Plenum über die Absetzung Rousseffs. Dabei sind zwei Drittel der Stimmen, also 342 von 513 Abgeordneten, notwendig. Sollte das Quorum erreicht werden, wird der Antrag auf Amtsenthebung dem Senat vorgelegt. Dort reicht die einfache Mehrheit, um dem Impeachment zuzustimmen und Rousseff zunächst für 180 Tage von ihren Funktionen zu entbinden. In der Zeit werden dann die eigentlichen Vorwürfe geprüft.

Rückkehr ausgeschlossen

Aber politische Beobachter sind sich sicher, dass Rousseff nicht wieder ins Amt zurückkommt, sollte der Senat sie in die sechsmonatige Zwangspause schicken. Dafür ist die Präsidentin zu sehr geschwächt, die Bevölkerung zu sehr gegen sie und die Stimmung in Brasilien insgesamt zu aufgeheizt. Rousseffs Nachfolger würde Vizepräsident Michel Temer von der rechtsliberalen Partei der Demokratischen Bewegung (PMDB), die erst kürzlich aus der Regierungskoalition ausgeschieden war.

Die eigentlichen Vorwürfe gegen die Präsidentin sind verglichen mit anderen Skandalen brasilianischer Politiker gering. Rousseff wird zur Last gelegt, Haushaltszahlen geschönt und ihren Wahlkampf illegal mit Spenden von Zulieferern des staatlichen Ölkonzerns Petrobras finanziert zu haben. Aber ihre Gegner führen zusätzlich politische Gründe für das Impeachment an, die streng genommen in einem solchen Verfahren nichts zu suchen haben: Rousseffs sinkende Popularität in der Bevölkerung, die tiefe Wirtschaftskrise, die das größte Land Lateinamerikas durchlebt, und den Korruptionsskandal um Petrobras. Die Regierung wirft der Opposition daher vor, einen versteckten Staatsstreich gegen Rousseff zu planen, um mit der Sozialpolitik der linken PT-Regierungen seit 2003 Schluss zu machen.

Vizepräsident übte schon seine Antrittsrede

Die Staatstreich-These sehen Regierung und deren Sympathisanten durch ein Missgeschick bestärkt. Vizepräsident Temer veröffentlichte „versehentlich“ seine vorbereitete Antrittsrede. Das 14-minütige Video war am Montag im Internet verfügbar. Das Büro des Vizepräsidenten erklärte der Zeitung „Folha de São Paulo“, Temer habe die Rede auf seinem Smartphone probeweise aufgenommen und dann versehentlich gesendet. In der vorbereiteten Rede sagt der 75-Jährige, er habe nun die Aufgabe, „das Land zur Ruhe zu bringen und zu vereinen“. Er rief alle Beteiligten auf, Brasilien aus der Krise zu führen.

Der Ausgang der Abstimmung im Plenum in einigen Tagen ist schwer vorher zu sagen. Rousseff und ihr Kabinettschef Lula da Silva gehen davon aus, bis dahin die erforderlichen 173 Stimmen zusammenbekommen, um das Impeachment abzuwenden. Die PT verfügt selbst aber nur über 59 Sitze im Abgeordnetenhaus und ihre drei kleinen linken Verbündeten haben zusätzlich rund 100 Mandate. Lula verhandelt ohne Unterlass mit den Zweiflern anderer Parteien und abtrünnigen Parlamentariern der Opposition und verspricht Posten und politischen Einfluss, sollten sie gegen das Amtsenthebungsverfahren stimmen.