Berlin. Nicht nur Jan Böhmermann, auch Rudi Carrell oder die „Titanic“ legten sich schon mit Staatsoberhäuptern an – und sorgten für Wirbel.

Ein Gedicht entwickelt sich zur Staatsaffäre: In einer Ausgabe des „Neo Magazin Royale“ machte sich Moderator Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan lustig – mit einem Gedicht mit dem Titel „Schmähkritik“. Darin beleidigte er Erdogan, um – so Böhmermann in seiner Sendung – die Unterschiede zwischen in Deutschland erlaubter Satire und verbotener Schmähkritik deutlich zu machen.

Ein Auftritt, der nun rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Die Türkei verlangt strafrechtliche Konsequenzen für den Satiriker, die Bundesregierung prüft den förmlichen Wunsch. Ein Strafverfahren wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts scheint möglich.

Doch die Erdogan-Affäre ist nicht der erste Fall dieser Art. Es gab schon andere Beispiele, bei denen über die Grenzen von Satire und das hohe Gut der Meinungsfreiheit in Deutschland gestritten und auch geurteilt wurde.

• Iran gegen Rudi Carrell

Nur 14 Sekunden dauerte der Beitrag, doch Rudi Carrell sorgte für einen politischen Eklat. Am 15. Februar 1987 zeigte der Moderator in seiner Satiresendung „Rudis Tagesshow“ eine Bildmontage, die suggerierte, verschleierte Iranerinnen würden BHs und Slips auf den damaligen iranischen Revolutionsführer werfen. Carrell kommentierte die Sequenz mit: „Ayatollah Khomeini wird von der Bevölkerung gefeiert und mit Geschenken überhäuft.“

Die Regierung in Teheran reagierte sofort. Nur 15 Minuten nach der Sendung beschwerte sich der Botschafter der Islamischen Republik Iran beim Auswärtigen Amt über den Beitrag, der die religiösen Gefühle verletzt habe. Iran bestellte den deutschen Botschafter ein, verurteilte die Sendung und forderte eine offizielle Entschuldigung der Bundesregierung.

Die politischen Konsequenzen gingen weiter: Iran zog seinen Botschafter aus Deutschland ab, verwies zwei deutsche Diplomaten des Landes und schloss seine Generalkonsulate in Hamburg und Frankfurt. Iran-Air stellte die Flüge nach Deutschland ein und vor der deutschen Botschaft in Teheran skandierten demonstrierende Studenten „Tod dem deutschen faschistischen Regime“. Sogar die Tagesschau berichtete über die Folgen von Carrells Sketch.

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Die Bundesregierung verwies damals auf die Meinungsfreiheit. Man halte den Sketch zwar für geschmacklos, könne sich aber nicht für etwas entschuldigen, was man nicht zu verantworten habe. Rudi Carrell erhielt nach der Ausstrahlung der Sendung Morddrohungen und bekam Polizeischutz. Er entschuldigte sich für den Spot: „Wenn mein Gag mit dem Ayatollah Khomeini im Iran Verärgerung verursacht hat, bedauere ich das sehr und möchte mich beim iranischen Volk entschuldigen.“

• Der Papst gegen die „Titanic“

2012 versuchte der Vatikan, juristisch gegen ein Papst-Titelbild der Satirezeitschrift „Titanic“ vorzugehen. Das Cover der Juli-Ausgabe zeigte Papst Benedikt XVI. – inkontinent, mit einem großen gelben Fleck auf der Soutane. Dazu lautete der Titel in Anspielung auf den „Vatileaks“-Skandal um den Verrat von internen Dokumenten: „Halleluja im Vatikan – Die undichte Stelle ist gefunden!“

Der Papst fühlte sich durch die Darstellung in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt und erwirkte eine einstweilige Verfügung. Die weitere Verbreitung des Bildes wurde vom Landgericht Hamburg verboten, die Richter drohten ein Ordnungsgeld an. Die „Titanic“ legte Widerspruch ein. Bevor es zur Verhandlung kommen konnte, zog der Vatikan die einstweilige Verfügung zurück. Die Juli-Ausgabe durfte somit weiterverkauft werden. Für die „Titanic“ war der Wirbel um das Cover ein PR-Erfolg: Die Juli-Ausgabe war in den Bahnhofsbuchhandlungen ausverkauft, es gab eine Verkaufssteigerung um 70 Prozent.

• Papstpuppe als Verstoß gegen die Meinungsfreiheit

Ein juristisches Nachspiel hatte der Christopher Street Day (CSD) 2006 in München. Damals hatten CSD-Teilnehmer ein „Papamobil“ gebaut – mit kirchenkritischen Plakaten und einer Figur von Papst Benedikt XVI., die regenbogenfarbene Haare und Kondome an den Fingern trug. Ein Passant beschwerte sich bei der Polizei über die Darstellung, die den Papst in unmöglicher Weise verhöhnen würde. Die Polizei schritt ein und leitete Ermittlungen wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes (§ 103 StGB) und Beschimpfung der Kirche (§ 166 StGB) ein.

Das Verfahren wurde zwar eingestellt, dennoch folgte ein jahrelanger Rechtsstreit. Der „Papamobil“-Verantwortliche klagte, die Polizei hätte „sein Recht auf Meinungs- und Kunstfreiheit sowie das Demonstrationsrecht widerrechtlich eingeschränkt“.

In erster Instanz wurde die Klage vom Bayrischen Verwaltungsgericht abgeschmettert, doch in nächster Instanz gab der Bayerische Verwaltungsgerichtshof dem Kläger Recht – die Polizei handelte rechtswidrig, als sie den Demonstrationswagen beim CSD verbot. So stellten weder Papstpuppe noch Plakate eine Beleidigung dar. Stattdessen habe der Veranstalter nur von seinem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht und mit seinem Wagen die Haltung der Kirche gegenüber Homosexualität satirisch kommentiert. Die Persönlichkeitsrechte des Papstes habe er dabei nicht verletzt. (Az.: 10 B 09.1102 und 10 B 09.1837).

• Polen ärgern sich über Narrenfreiheit

Im Vorfeld des Rosenmontagsumzug 2016 in Düsseldorf war der politische Rechtsruck in Polen ein Thema. Ein Motivwagen zeigte Polen als misshandelte Frau, kniend unter dem Stiefel des nationalkonservativen Parteichefs Jaroslaw Kaczynski. Eine Parodie, die im Nachbarland nicht gut ankam.

Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski äußerte sich im Rundfunk erbost, der Wagen diene der „Verachtung der Polen und der polnischen Politiker“ und kündigte diplomatische Schritte an: „Wir werden auf diplomatische Art darauf aufmerksam machen und unsere Partner in Deutschland fragen, wem das dient.“ Die Bundesregierung verwies nur auf die in Deutschland geltende Freiheit der Meinungsäußerung und der Kunst.

• Angela Merkel mit Hitler-Bärtchen

Aber nicht nur ausländische Politiker, auch deutsche Minister werden öfters in satirischer Weise dargestellt. Beliebtes Cover-Motiv ist Kanzlerin Angela Merkel. Vor allem in der Euro-Krise zierten oft Bild-Montagen von der Kanzlerin die Titelseiten europäischer Magazine. Da zeigte die italienische Zeitung „Il Giornale“ auf der Titelseite Angela Merkel, wie sie grüßend die Hand hebt. Dazu die Zeilen „Quarto Reich“ (Viertes Reich) und „Heil Angela“.

In Griechenland zeigte eine Zeitung Merkel in Guantànamo-Häftlingsuniform und mit Handschellen. In Großbritannien gab es für die Kanzlerin in einer Foto-Montage einen Hitler-Bärtchen. Rechtliche Schritte hat Angela Merkel bisher nie eingeleitet.