Reykjavik. Am Ende wurde der Druck zu groß: Islands Ministerpräsident Gunnlaugsson zieht Konsequenzen aus den „Panama Papers“. Er tritt zurück.

Die Enthüllung Tausender Briefkastenfirmen in Panama hat einen ersten Politiker seinen Posten gekostet: Islands Ministerpräsident Sigmundur David Gunnlaugsson ist zurückgetreten.

Gunnlaugsson hatte zuvor die Auflösung des Parlaments beantragt. Präsident Olafur Ragnar Grimsson erteilte ihm jedoch zunächst eine Abfuhr, er wolle erst Gespräche mit den großen Parteien führen. Er finde es nicht normal, dass allein auf Verlangen des Ministerpräsidenten das Parlament aufgelöst werde, wenn die Mehrheit das nicht wolle. Für Gunnlaugsson, der zuvor noch einen Rücktritt abgelehnt hatte, war der Druck nun offenbar zu groß.

Die am Wochenende von einem internationalen Journalistenkonsortium veröffentlichten Daten einer Anwaltskanzlei in Panama belegen nach Angaben der „Süddeutschen Zeitung“, dass Gunnlaugssons Frau eine Briefkastenfirma betrieb, die Anteile an den 2008 zusammengebrochenen Banken des Landes hielt. Gunnlaugsson sei bis 2009 an der Firma beteiligt gewesen.

Wieso die „Panama Papers“ so brisant sind

Skyline von Panama-Stadt: Die Enthüllung der „Panama Papers“ haben enorme Wirkkraft. Sie könnten Regierungen in der ganzen Welt erschüttern.
Skyline von Panama-Stadt: Die Enthüllung der „Panama Papers“ haben enorme Wirkkraft. Sie könnten Regierungen in der ganzen Welt erschüttern. © imago/Agencia EFE | imago stock&people
Mehrere Staatschefs sind direkt als Beteiligte an fragwürdigen Briefkastenfirmen aufgeführt. Islands Premierminister Sigmundur David Gunnlaugsson etwa wird vorgeworfen, auf den britischen Jungfraueninseln eine Briefkastenfirma gegründet und dort mehrere Millionen Euro hinterlegt zu haben.
Mehrere Staatschefs sind direkt als Beteiligte an fragwürdigen Briefkastenfirmen aufgeführt. Islands Premierminister Sigmundur David Gunnlaugsson etwa wird vorgeworfen, auf den britischen Jungfraueninseln eine Briefkastenfirma gegründet und dort mehrere Millionen Euro hinterlegt zu haben. © dpa | Str
In demokratischen Staaten dürften die Enthüllungen zu Rücktritten führen. In der isländischen Hauptstadt Reykjavík gingen mehrere Tausend Menschen auf die Straße und ...
In demokratischen Staaten dürften die Enthüllungen zu Rücktritten führen. In der isländischen Hauptstadt Reykjavík gingen mehrere Tausend Menschen auf die Straße und ... © dpa | Birgir Por Hardarson
... forderten den Rücktritt von Regierungschef Gunnlaugson.
... forderten den Rücktritt von Regierungschef Gunnlaugson. © dpa | Birgir Por Hardarson
Bei anderen sind es Familienangehörige oder enge Vertraute, deren Geheimgeschäfte mit den „Panama Papers“ enthüllt wurden: Aus den Papieren geht beispielsweise hervor, dass ein enger Freund von Russlands Präsident Wladimir Putin ...
Bei anderen sind es Familienangehörige oder enge Vertraute, deren Geheimgeschäfte mit den „Panama Papers“ enthüllt wurden: Aus den Papieren geht beispielsweise hervor, dass ein enger Freund von Russlands Präsident Wladimir Putin ... © REUTERS | REUTERS / POOL
... Briefkastenfirmen betreibt. Der Musiker Sergej Roldugin (li.) soll Schlüsselfunktionen in wichtigen russischen Firmen gehabt haben. Aber es geht nicht nur um Politiker, ...
... Briefkastenfirmen betreibt. Der Musiker Sergej Roldugin (li.) soll Schlüsselfunktionen in wichtigen russischen Firmen gehabt haben. Aber es geht nicht nur um Politiker, ... © dpa | Dmitry Astakhov/Sputnik / Kremli
... auch die Namen von Sportfunktionären und Prominenten werden genannt – einer der bekanntesten: Lionel Messi.
... auch die Namen von Sportfunktionären und Prominenten werden genannt – einer der bekanntesten: Lionel Messi. © dpa | Christopher Jue
Namen deutscher Politiker sind bislang nicht bekannt geworden. Deutsche sind aber auch unter den Beschuldigten. Aus den enthüllten Daten gehe hervor, dass es in Deutschland um 173 Briefkastenfirmen mit 251 Teilhabern gehe, sagt der irische Journalist Brian Kilmartin. Auch 15 Banken oder ihre Töchter sollen beteiligt sein. Bereits im vergangenen Jahr hatte es im Zusammenhang mit den Unterlagen Durchsuchungen bei der Commerzbank gegeben.
Namen deutscher Politiker sind bislang nicht bekannt geworden. Deutsche sind aber auch unter den Beschuldigten. Aus den enthüllten Daten gehe hervor, dass es in Deutschland um 173 Briefkastenfirmen mit 251 Teilhabern gehe, sagt der irische Journalist Brian Kilmartin. Auch 15 Banken oder ihre Töchter sollen beteiligt sein. Bereits im vergangenen Jahr hatte es im Zusammenhang mit den Unterlagen Durchsuchungen bei der Commerzbank gegeben. © imago/Ralph Peters | imago stock&people
Der NSA-Whistleblower Edward Snowden nannte die Enthüllungen „das größte Leck in der Geschichte des Daten-Journalismus“. Steuerfahndungsexperten rechnen mit weltweiten Ermittlungen wegen Korruption und Steuerhinterziehung.
Der NSA-Whistleblower Edward Snowden nannte die Enthüllungen „das größte Leck in der Geschichte des Daten-Journalismus“. Steuerfahndungsexperten rechnen mit weltweiten Ermittlungen wegen Korruption und Steuerhinterziehung. © REUTERS | © Andrew Kelly / Reuters
Georg Mascolo, Leiter der Recherchekooperation von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“, sagt, dass Journalisten noch nie „einen Einblick in das Geschäft dieser Steueroasen in diesem Umfang“ gehabt hätten. Der Rechercheverbund ist Teil des internationalen Journalistennetzwerks, das an der „Panama Papers“-Recherche arbeitete. Insgesamt haben in den vergangenen zwölf Monaten etwa 370 Journalisten aus 78 Ländern im Zuge der Recherchen ...
Georg Mascolo, Leiter der Recherchekooperation von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“, sagt, dass Journalisten noch nie „einen Einblick in das Geschäft dieser Steueroasen in diesem Umfang“ gehabt hätten. Der Rechercheverbund ist Teil des internationalen Journalistennetzwerks, das an der „Panama Papers“-Recherche arbeitete. Insgesamt haben in den vergangenen zwölf Monaten etwa 370 Journalisten aus 78 Ländern im Zuge der Recherchen ... © dpa | Karlheinz Schindler
... rund 11,5 Millionen Dateien ausgewertet. Die Daten seien der „Süddeutschen Zeitung“ anonym zugespielt worden. Wegen der schieren Datenmenge hat sich die „SZ“ entschieden, die Informationen gemeinsam mit anderen Medien auszuwerten. Es handle sich um „ein gigantisches Leak in einer bislang nicht vorstellbaren Dimension von rund 2,6 Terabyte“. Die panamaische Anwaltskanzlei Mossack Fonseca hat eingeräumt, ...
... rund 11,5 Millionen Dateien ausgewertet. Die Daten seien der „Süddeutschen Zeitung“ anonym zugespielt worden. Wegen der schieren Datenmenge hat sich die „SZ“ entschieden, die Informationen gemeinsam mit anderen Medien auszuwerten. Es handle sich um „ein gigantisches Leak in einer bislang nicht vorstellbaren Dimension von rund 2,6 Terabyte“. Die panamaische Anwaltskanzlei Mossack Fonseca hat eingeräumt, ... © REUTERS | MICHAELA REHLE
... dass zumindest ein Teil der Daten von ihr stamme.
... dass zumindest ein Teil der Daten von ihr stamme. © imago/STPP | imago stock&people
Kanzlei-Anwalt Ramón Fonseca Mora, zugleich Politiker der panamaischen Regierungspartei, ...
Kanzlei-Anwalt Ramón Fonseca Mora, zugleich Politiker der panamaischen Regierungspartei, ... © imago/Xinhua | imago stock&people
... führt die Kanzlei gemeinsam mit dem deutschstämmigen Rechtsanwalt Jürgen Mossack. Mossack Fonseca hat weltweit 500 Mitarbeiter und hat ihren Hauptsitz in diesem Gebäude in Panama-Stadt. Sie bietet als Dienstleistung die Gründung und Verwaltung von Offshore-Firmen an.
... führt die Kanzlei gemeinsam mit dem deutschstämmigen Rechtsanwalt Jürgen Mossack. Mossack Fonseca hat weltweit 500 Mitarbeiter und hat ihren Hauptsitz in diesem Gebäude in Panama-Stadt. Sie bietet als Dienstleistung die Gründung und Verwaltung von Offshore-Firmen an. © dpa | Alejandro Bolivar
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Auf das Thema angesprochen, hatte der liberale Politiker eine am Sonntagabend im isländischen Fernsehen ausgestrahlte Sendung verlassen, die bereits am 11. März aufgenommen wurde.

Am Montag entschuldigte er sich im Fernsehen dafür, sich bei dem Interview „furchtbar“ verhalten zu haben. „Natürlich wünschte ich, meiner Frau würde diese ausländische Firma nicht gehören“, sagte er.

Rund 12.000 Menschen demonstrierten am Montagabend nach Schätzungen der Polizei vor dem Parlament. Island hat 330.000 Einwohner.
Rund 12.000 Menschen demonstrierten am Montagabend nach Schätzungen der Polizei vor dem Parlament. Island hat 330.000 Einwohner. © dpa | Birgir Por Hardarson

Am Montagabend hatten Tausende vor dem Parlament Gunnlaugssons Rücktritt gefordert. Für Dienstag war eine erneute Demonstration angekündigt. Die Opposition strebt ein Misstrauensvotum an. Gunnlaugsson lehnt einen Rücktritt ab. Er hatte betont, seine Frau habe stets korrekt Steuern bezahlt. (rtr/dpa)