London. Die „Panama Papers“ sorgen in Großbritannien für Aufregung. Und das nicht nur, weil das Königreich zahlreiche Steueroasen unterhält.

Auch David Cameron kommt wegen der Panama-Papiere unter Druck. Der Name des britischen Premierminister taucht in den Datensätzen nicht auf, dafür aber der seines 2010 verstorbenen Vaters Ian Cameron, der zum Kundenkreis der panamesischen Anwaltsfirma Mossack Fonseca gehörte und den Investmentfonds Blairmore Holdings leitete. Das Offshore-Unternehmen, nach dem Familiensitz in Schottland benannt, hat in Großbritannien niemals Steuern gezahlt. Das Büro des Premierministers wiegelte diesbezügliche Fragen ab. Das sei „eine private Angelegenheit“, hieß es.

Nicht so einfach wird es für Cameron werden, die Kritik abzuwehren, die ihn jetzt wegen der zahlreichen britischen Steueroasen trifft. Der Oppositionsführer Jeremy Corbyn forderte ihn auf, endlich mehr zu tun: „Es ist Zeit, hart gegen Steueroasen vorzugehen. Die Regierung muss aufhören, sich um das Problem herumzudrücken. Es kann nicht einen Satz Regeln für die wohlhabenden Eliten und einen anderen Satz Regeln für den Rest von uns geben.“

Wieso die „Panama Papers“ so brisant sind

Skyline von Panama-Stadt: Die Enthüllung der „Panama Papers“ haben enorme Wirkkraft. Sie könnten Regierungen in der ganzen Welt erschüttern.
Skyline von Panama-Stadt: Die Enthüllung der „Panama Papers“ haben enorme Wirkkraft. Sie könnten Regierungen in der ganzen Welt erschüttern. © imago/Agencia EFE | imago stock&people
Mehrere Staatschefs sind direkt als Beteiligte an fragwürdigen Briefkastenfirmen aufgeführt. Islands Premierminister Sigmundur David Gunnlaugsson etwa wird vorgeworfen, auf den britischen Jungfraueninseln eine Briefkastenfirma gegründet und dort mehrere Millionen Euro hinterlegt zu haben.
Mehrere Staatschefs sind direkt als Beteiligte an fragwürdigen Briefkastenfirmen aufgeführt. Islands Premierminister Sigmundur David Gunnlaugsson etwa wird vorgeworfen, auf den britischen Jungfraueninseln eine Briefkastenfirma gegründet und dort mehrere Millionen Euro hinterlegt zu haben. © dpa | Str
In demokratischen Staaten dürften die Enthüllungen zu Rücktritten führen. In der isländischen Hauptstadt Reykjavík gingen mehrere Tausend Menschen auf die Straße und ...
In demokratischen Staaten dürften die Enthüllungen zu Rücktritten führen. In der isländischen Hauptstadt Reykjavík gingen mehrere Tausend Menschen auf die Straße und ... © dpa | Birgir Por Hardarson
... forderten den Rücktritt von Regierungschef Gunnlaugson.
... forderten den Rücktritt von Regierungschef Gunnlaugson. © dpa | Birgir Por Hardarson
Bei anderen sind es Familienangehörige oder enge Vertraute, deren Geheimgeschäfte mit den „Panama Papers“ enthüllt wurden: Aus den Papieren geht beispielsweise hervor, dass ein enger Freund von Russlands Präsident Wladimir Putin ...
Bei anderen sind es Familienangehörige oder enge Vertraute, deren Geheimgeschäfte mit den „Panama Papers“ enthüllt wurden: Aus den Papieren geht beispielsweise hervor, dass ein enger Freund von Russlands Präsident Wladimir Putin ... © REUTERS | REUTERS / POOL
... Briefkastenfirmen betreibt. Der Musiker Sergej Roldugin (li.) soll Schlüsselfunktionen in wichtigen russischen Firmen gehabt haben. Aber es geht nicht nur um Politiker, ...
... Briefkastenfirmen betreibt. Der Musiker Sergej Roldugin (li.) soll Schlüsselfunktionen in wichtigen russischen Firmen gehabt haben. Aber es geht nicht nur um Politiker, ... © dpa | Dmitry Astakhov/Sputnik / Kremli
... auch die Namen von Sportfunktionären und Prominenten werden genannt – einer der bekanntesten: Lionel Messi.
... auch die Namen von Sportfunktionären und Prominenten werden genannt – einer der bekanntesten: Lionel Messi. © dpa | Christopher Jue
Namen deutscher Politiker sind bislang nicht bekannt geworden. Deutsche sind aber auch unter den Beschuldigten. Aus den enthüllten Daten gehe hervor, dass es in Deutschland um 173 Briefkastenfirmen mit 251 Teilhabern gehe, sagt der irische Journalist Brian Kilmartin. Auch 15 Banken oder ihre Töchter sollen beteiligt sein. Bereits im vergangenen Jahr hatte es im Zusammenhang mit den Unterlagen Durchsuchungen bei der Commerzbank gegeben.
Namen deutscher Politiker sind bislang nicht bekannt geworden. Deutsche sind aber auch unter den Beschuldigten. Aus den enthüllten Daten gehe hervor, dass es in Deutschland um 173 Briefkastenfirmen mit 251 Teilhabern gehe, sagt der irische Journalist Brian Kilmartin. Auch 15 Banken oder ihre Töchter sollen beteiligt sein. Bereits im vergangenen Jahr hatte es im Zusammenhang mit den Unterlagen Durchsuchungen bei der Commerzbank gegeben. © imago/Ralph Peters | imago stock&people
Der NSA-Whistleblower Edward Snowden nannte die Enthüllungen „das größte Leck in der Geschichte des Daten-Journalismus“. Steuerfahndungsexperten rechnen mit weltweiten Ermittlungen wegen Korruption und Steuerhinterziehung.
Der NSA-Whistleblower Edward Snowden nannte die Enthüllungen „das größte Leck in der Geschichte des Daten-Journalismus“. Steuerfahndungsexperten rechnen mit weltweiten Ermittlungen wegen Korruption und Steuerhinterziehung. © REUTERS | © Andrew Kelly / Reuters
Georg Mascolo, Leiter der Recherchekooperation von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“, sagt, dass Journalisten noch nie „einen Einblick in das Geschäft dieser Steueroasen in diesem Umfang“ gehabt hätten. Der Rechercheverbund ist Teil des internationalen Journalistennetzwerks, das an der „Panama Papers“-Recherche arbeitete. Insgesamt haben in den vergangenen zwölf Monaten etwa 370 Journalisten aus 78 Ländern im Zuge der Recherchen ...
Georg Mascolo, Leiter der Recherchekooperation von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“, sagt, dass Journalisten noch nie „einen Einblick in das Geschäft dieser Steueroasen in diesem Umfang“ gehabt hätten. Der Rechercheverbund ist Teil des internationalen Journalistennetzwerks, das an der „Panama Papers“-Recherche arbeitete. Insgesamt haben in den vergangenen zwölf Monaten etwa 370 Journalisten aus 78 Ländern im Zuge der Recherchen ... © dpa | Karlheinz Schindler
... rund 11,5 Millionen Dateien ausgewertet. Die Daten seien der „Süddeutschen Zeitung“ anonym zugespielt worden. Wegen der schieren Datenmenge hat sich die „SZ“ entschieden, die Informationen gemeinsam mit anderen Medien auszuwerten. Es handle sich um „ein gigantisches Leak in einer bislang nicht vorstellbaren Dimension von rund 2,6 Terabyte“. Die panamaische Anwaltskanzlei Mossack Fonseca hat eingeräumt, ...
... rund 11,5 Millionen Dateien ausgewertet. Die Daten seien der „Süddeutschen Zeitung“ anonym zugespielt worden. Wegen der schieren Datenmenge hat sich die „SZ“ entschieden, die Informationen gemeinsam mit anderen Medien auszuwerten. Es handle sich um „ein gigantisches Leak in einer bislang nicht vorstellbaren Dimension von rund 2,6 Terabyte“. Die panamaische Anwaltskanzlei Mossack Fonseca hat eingeräumt, ... © REUTERS | MICHAELA REHLE
... dass zumindest ein Teil der Daten von ihr stamme.
... dass zumindest ein Teil der Daten von ihr stamme. © imago/STPP | imago stock&people
Kanzlei-Anwalt Ramón Fonseca Mora, zugleich Politiker der panamaischen Regierungspartei, ...
Kanzlei-Anwalt Ramón Fonseca Mora, zugleich Politiker der panamaischen Regierungspartei, ... © imago/Xinhua | imago stock&people
... führt die Kanzlei gemeinsam mit dem deutschstämmigen Rechtsanwalt Jürgen Mossack. Mossack Fonseca hat weltweit 500 Mitarbeiter und hat ihren Hauptsitz in diesem Gebäude in Panama-Stadt. Sie bietet als Dienstleistung die Gründung und Verwaltung von Offshore-Firmen an.
... führt die Kanzlei gemeinsam mit dem deutschstämmigen Rechtsanwalt Jürgen Mossack. Mossack Fonseca hat weltweit 500 Mitarbeiter und hat ihren Hauptsitz in diesem Gebäude in Panama-Stadt. Sie bietet als Dienstleistung die Gründung und Verwaltung von Offshore-Firmen an. © dpa | Alejandro Bolivar
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Der Labour-Chef hat Recht: Großbritannien hat in dieser Hinsicht Reformbedarf. Denn viele Steueroasen – nicht nur die Kanalinseln wie Jersey oder Guernsey, sondern auch ein halbes Dutzend Karibikinseln – sind von Großbritannien abhängige Überseegebiete oder Kronkolonien, die sich für eine diskrete Kapitalflucht und Steuerhinterziehung anbieten. In dieser Hinsicht besonders berüchtigt sind die Britischen Jungferninseln, ein britisches Überseegebiet in der Karibik. Seit 1980 vermarktet sich das innen- und wirtschaftspolitische autonome Land als Offshore-Finanzplatz, soll heißen: Geldanleger und Unternehmer bleiben anonym, Steuern sind minimal.

Eine Million Briefkastenfirmen

Mehr als eine Million Offshore-Gesellschaften sollen als Briefkastenfirmen in den Jungferninseln registriert sein, und nicht einmal die Behörden des Mikrostaates kennen die wahre Identität von Besitzer oder Investoren. Zugearbeitet wird ihnen vom Londoner Finanzzentrum. In der City arbeiten Heerscharen von Anwälten, Finanzberatern, Steuerexperten und Trustverwaltern in der lukrativen Industrie der ‘Steuervermeidung’, wie der bevorzugte Ausdruck für die Kapitalanlage in Offshore-Zentren lautet.

„Panama Papers“: Prominente im Visier

Laut den Enthüllungen aus den „Panama Papers“ ließ der ehemalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko auf dem Höhepunkt des Krieges in der Ostukraine eine Briefkastenfirma gründen. Seine Anwälte verteidigten ihn: Es sei für ihn rechtlich die einzige Möglichkeit gewesen, seinen Süßwarenkonzern Roshen einem Treuhänder zu übergeben, hieß es in einer Erklärung der Juristen.
Laut den Enthüllungen aus den „Panama Papers“ ließ der ehemalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko auf dem Höhepunkt des Krieges in der Ostukraine eine Briefkastenfirma gründen. Seine Anwälte verteidigten ihn: Es sei für ihn rechtlich die einzige Möglichkeit gewesen, seinen Süßwarenkonzern Roshen einem Treuhänder zu übergeben, hieß es in einer Erklärung der Juristen. © Getty Images | Sean Gallup
Wie die Tageszeitung „Le Monde“ berichtet, sind auch enge Vertraute der Parteichefin vom rechtsextremen Front National in dubiose Finanzgeschäfte verwickelt. Ihr Name taucht in den „Panama Papers“ nicht auf, ...
Wie die Tageszeitung „Le Monde“ berichtet, sind auch enge Vertraute der Parteichefin vom rechtsextremen Front National in dubiose Finanzgeschäfte verwickelt. Ihr Name taucht in den „Panama Papers“ nicht auf, ... © REUTERS | REUTERS / ALESSANDRO GAROFALO
...dafür aber der Name von Saudi-Arabiens König Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud. Er taucht im Zusammenhang mit verschiedenen Offshore-Firmen auf. Auch der Premier von Island...
...dafür aber der Name von Saudi-Arabiens König Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud. Er taucht im Zusammenhang mit verschiedenen Offshore-Firmen auf. Auch der Premier von Island... © imago stock&people | ZUMA Press
...Sigmundur David Gunnlaugsson wurde von Journalisten mit dem Vorwurf konfrontiert, in zwielichtige Geschäfte verwickelt zu sein. In einem Fernsehinterview verließ er daraufhin live den Raum. Er hatte Briefkastenfirmen seiner Frau überschrieben.
...Sigmundur David Gunnlaugsson wurde von Journalisten mit dem Vorwurf konfrontiert, in zwielichtige Geschäfte verwickelt zu sein. In einem Fernsehinterview verließ er daraufhin live den Raum. Er hatte Briefkastenfirmen seiner Frau überschrieben. © REUTERS | REUTERS / SIGTRYGGUR JOHANNSSON
Argentiniens Staatschef Mauricio Macri, dessen Name auch in den Papieren erscheint, sieht keine Anhaltspunkte für eigene Steuervergehen, wie er in einer offiziellen Mitteilung betonte.
Argentiniens Staatschef Mauricio Macri, dessen Name auch in den Papieren erscheint, sieht keine Anhaltspunkte für eigene Steuervergehen, wie er in einer offiziellen Mitteilung betonte. © dpa | Ron Sachs / Pool
Die „Panama Papers“ kratzen auch am Ruf von Weltfußballer Lionel Messi. Seine Familie widersprach vehement: Er habe kein Geld in Offshore-Firmen geparkt. Auch der frühere Hannover-Trainer Tayfun Korkut taucht wegen seiner spanischen Vergangenheit in den Papieren auf: Als Spieler beim baskischen Verein Real Sociedad San Sebastián erhielt er der ARD zufolge einen großen Teil seines Gehalts mit Umweg über eine Offshore-Firma - vorbei an den spanischen Steuerbehörden.
Die „Panama Papers“ kratzen auch am Ruf von Weltfußballer Lionel Messi. Seine Familie widersprach vehement: Er habe kein Geld in Offshore-Firmen geparkt. Auch der frühere Hannover-Trainer Tayfun Korkut taucht wegen seiner spanischen Vergangenheit in den Papieren auf: Als Spieler beim baskischen Verein Real Sociedad San Sebastián erhielt er der ARD zufolge einen großen Teil seines Gehalts mit Umweg über eine Offshore-Firma - vorbei an den spanischen Steuerbehörden. © REUTERS | ENRIQUE MARCARIAN
Eine Medienoffensive des Westens gegen Russland – das sieht der Kreml in den „Panama Papers“. In den Papieren taucht der Name von dem Cellisten Sergej Roldugin auf, engster Freund Putins, nicht aber von Präsident Wladimir Putin selbst.
Eine Medienoffensive des Westens gegen Russland – das sieht der Kreml in den „Panama Papers“. In den Papieren taucht der Name von dem Cellisten Sergej Roldugin auf, engster Freund Putins, nicht aber von Präsident Wladimir Putin selbst. © REUTERS | REUTERS / POOL
Auch UEFA-Chef Michel Platini wird von den „Panama Papers“ belastet. Er betont jedoch, dass alle seine Vermögenswerte den Steuerbehörden bekannt seien.
Auch UEFA-Chef Michel Platini wird von den „Panama Papers“ belastet. Er betont jedoch, dass alle seine Vermögenswerte den Steuerbehörden bekannt seien. © Getty Images | Shaun Botterill
Als Mercedes-Benz sich die Dienste von Nico Rosberg sicherte, wurde der Vertrag der ARD zufolge mit der Briefkastenfirma Firma „Ambitious Group Limited“ auf den Britischen Jungferninseln abgeschlossen, die zwei anderen Firmen gehört und von der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca verwaltet wird. Mercedes und Rosberg kommentieren den Vorgang nicht. Die ARD hält aber auch fest: Es gibt keine Hinweise, dass sich Autobauer oder Rosberg strafbar gemacht haben.
Als Mercedes-Benz sich die Dienste von Nico Rosberg sicherte, wurde der Vertrag der ARD zufolge mit der Briefkastenfirma Firma „Ambitious Group Limited“ auf den Britischen Jungferninseln abgeschlossen, die zwei anderen Firmen gehört und von der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca verwaltet wird. Mercedes und Rosberg kommentieren den Vorgang nicht. Die ARD hält aber auch fest: Es gibt keine Hinweise, dass sich Autobauer oder Rosberg strafbar gemacht haben. © REUTERS | REUTERS / JASON REED
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David Cameron hat sich zwar den Kampf gegen die Steuerflucht auf die Fahnen geschrieben, aber sehr erfolgreich war er nicht. 2011 forderte er: „Wir müssen ein Scheinwerferlicht darauf werfen, wer was besitzt und wohin das Geld wirklich fließt.“ 2013 setzte er das Thema Steuerflucht auf die Agenda des G8-Gipfels. Erste Reformschritte geschahen bei einigen Steuerparadiesen wie der Kanalinsel Jersey, die nicht nur die EU-Richtlinie zur Zinsbesteuerung umsetzte, sondern auch mit Deutschland ein sogenanntes „Tax Information Exchange Agreement“ (TIEA), also ein Informationsabkommen in Steuersachen, abgeschlossen hat. Doch die Steueroasen in der Karibik zeigten sich weit weniger kooperationsbereit.

Cameron verlangte von ihnen, dass sie Register führen, die die Eigentümerschaft von Offshore-Unternehmen transparent machen - doch die Steueroasen weigern sich bisher. Der ehemalige Wirtschaftsminister Vince Cable forderte daher den Premierminister auf, wieder eine Direktherrschaft einzuführen, „wo der Missbrauch ungeheure Ausmaße angenommen hat. Die Jungferninseln stehen an der Spitze dieser Liste“.