Berlin. Die Aufdeckung von 214.000 Briefkastenfirmen hat für große Unruhe gesorgt. In einigen Ländern wurden bereits Ermittlungen eingeleitet.

Die Aufdeckung von über 214.000 Briefkastenfirmen in Panama hat Islands Regierungschef Sigmundur Gunnlaugsson kalt erwischt: Auf das Thema angesprochen, verließ der liberale Politiker abrupt eine Sendung im isländischen Fernsehen.

Der Regierungschef geriet offenbar nicht grundlos in Panik: Er soll laut Dokumenten Anteilseigner einer Firma namens „Wintris Inc.“ auf den Britischen Jungferninseln geworden sein. Dorthin sollen Millionen Dollar geflossen sein. Nun fordert die isländische Opposition seinen Rücktritt.

Weltweit hat die Enthüllung der Panama-Papiere Regierungen und Steuerbehörden alarmiert. Laut „Süddeutscher Zeitung“ haben viele Vermögende diese Firmen genutzt, um Steuern zu hinterziehen oder Geld zu waschen. Darunter Regierungschefs und Sportler sowie viele andere Prominente.

Auch zahlreiche deutsche Banken haben ihren Kunden geholfen, Briefkastenfirmen in Panama zu gründen. Die Geldhäuser betonen, dass es sich bei den Panamageschäften nicht per se um illegale Geschäfte handelt. Doch einige Geldhäuser wurden deshalb bereits zu Strafzahlungen verdonnert.

Trotz Warnschuss haben einige Institute weitergemacht

Vor gut zwei Jahren hatte ein Hinweisgeber den deutschen Behörden interne Daten aus der in Panama ansässigen Kanzlei Mossack Fonseca verkauft. Daraufhin durchsuchten Fahnder im vergangenen Jahr die Wohnungen und Büros von etwa 100 Personen, auch bei der Commerzbank fand eine Razzia statt. In der Folge erklärten sich die Commerzbank, die HSH Nordbank sowie die Hypovereinsbank wegen der Geschäfte mit Mossack Fonseca zu hohen Strafzahlungen bereit. Die Commerzbank einigte sich Ende 2015 mit der Staatsanwaltschaft Köln auf ein Bußgeld von 17 Millionen Euro. „Das Thema ist für uns abgeschlossen“, sagte ein Sprecher am Montag.

Doch was jetzt in den neu aufgetauchten Dokumenten aus der selben Kanzlei sichtbar wird, sei „eine Reihe von Unverbesserlichen – also solche, die sich nicht aus dem Geschäft rausgezogen haben“, sagte der Leiter des Rechercheverbunds von WDR/NDR und SZ, Georg Mascolo. Diese Institute hätten bis in die jüngste Zeit hinein deutschen Kunden dabei geholfen, Briefkastenfirmen zu gründen. Eine Bank, die sich besonders hervorgetan habe, sei die Berenberg Bank in Hamburg. Auch die Deutsche Bank sei dabei gewesen.

„Wir sind uns der Bedeutung dieser Angelegenheit vollkommen bewusst“, sagte ein Sprecher der Deutschen Bank. Man überprüfe, „mit wem wir Geschäfte machen“ und wolle sicherstellen, dass die Verfahren der Bank „allen relevanten Gesetzen“ genügen. Die Hamburger Privatbank Berenberg hat Geschäfte mit Briefkastenfirmen im Ausland bestätigt. Dies stehe im Einklang mit gesetzlichen Regelungen, „erfordert jedoch höhere Sorgfaltspflichten auf Seiten der Banken“, sagte ein Sprecher. Die Zahlungen unterlägen einem „permanenten Monitoring“, die Bank verfolge eine „klare Weißgeldstrategie“ und werde von externen Prüfern untersucht.

Ermittlungen in einigen Ländern eingeleitet

Mehrere Länder haben im Zuge der Enthüllungen zu den Briefkastenfirmen Ermittlungen eingeleitet. „Alle gelieferten Informationen werden zu Untersuchungen der Steuerbehörden und zu juristischen Verfahren führen“, sagte Frankreichs Präsident François Hollande. Er dankte Hinweisgebern und Medien für die Enthüllungen. „Das ist eine gute Nachricht, denn das wird uns noch Steuereinnahmen von denen bringen, die betrogen haben“, sagte Hollande. Er sprach sich zudem für den Schutz von Hinweisgebern aus, die Rechtsverstöße aufdecken. „Diese Hinweisgeber machen eine nützliche Arbeit für die internationale Gemeinschaft. Sie gehen Risiken ein. Sie müssen daher beschützt werden“, sagte der Staatschef in Paris.

Der britische Premierminister David Cameron muss sich auf ganz andere Weise mit den Enthüllungen beschäftigen: Britischen Medienberichten zufolge wird in den Dokumenten sein verstorbener Vater Ian Cameron erwähnt. Zudem tauchen auch Mitglieder von Camerons Partei sowie finanzielle Unterstützer der Konservativen auf. Camerons Büro lehnte am Montag eine Stellungnahme zu den Panama-Papieren ab.

Rund um den Globus bringt die Veröffentlichung der Panama-Papiere Mächtige in die Zwickmühle: Im Zusammenhang mit den Briefkastenfirmen geht es um Namen wie Sergej Roldugin, eines Freundes von Russlands Präsident Wladimir Putin, um den saudi-arabischen König Salman ibn Abd al-Aziz, um den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und den internationalen Fußballbund Fifa.

Regierung hat Verschleierung von Geldströmen weitgehend ignoriert

Das Bundesfinanzministerium will bis Mitte April neue Vorschläge im Kampf gegen internationale Steuerflucht präsentieren. „Finanzminister Wolfgang Schäuble war bislang der größte Verhinderer einer öffentlichen Registerpflicht in der EU“, erklärt dagegen Markus Meinzer, Buchautor zum Problem der Steueroasen. Nötig sei eine Pflicht für Unternehmen, ihren wirtschaftlich Berechtigten offen zu legen. Nur das könne Schattenfinanzen wirksam bekämpfen.

„Die Bundesregierung hat die massive Verschleierung von Geldströmen und die Verwicklung deutscher Banken in den letzten Jahren weitgehend ignoriert“, sagt auch Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Briefkastenfirmen seien „eine essenzielle Dienstleistung für organisierte Kriminalität“. Das unrechtmäßig erlangte Geld von „Menschenhändlern, Drogendealern, Waffenschmugglern, Terroristen sowie korrumpierten politischen und wirtschaftlichen Führungsfiguren“ werde oft über Briefkastenfirmen gewaschen und kehre als „sauberes“ Geld in das Vermögen dieser Personen zurück.

Steuerfahndung liegt in den Händen der Bundesländer

„Es ist Zeit, das Unwesen der anonymen Briefkastenfirmen zu beenden“, forderte Schick. Nötig seien international öffentliche Register, in denen die wirtschaftlich Berechtigten, die hinter einzelnen Unternehmen stehen, bekanntgemacht werden. „Doch die Bundesregierung hat das in den letzten Jahren in Europa blockiert, sie muss diese Position endlich ändern“, erklärte Schick. Noch weiter geht Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). Er schlägt die Schaffung eines Strafrechts für Unternehmen vor: „Dann können Banken und andere Unternehmen wegen Steuerhinterziehung belangt werden und nicht nur einzelne Angestellte wegen Delikten, die ihnen nachzuweisen sind“, sagte der Politiker.

Die Steuerfahndung liegt in Deutschland in den Händen der Bundesländer. Manche halten die föderale Struktur für ein Problem. „Wir brauchen eine Bundessteuerfahndung und eine EU-Steuerfahndung, die den Methoden der Hinterzieher ebenbürtig sein muss“, sagte Ex-Fahnder Rudolf Schmenger. Es sei zwar erfreulich, dass Medien solche Fälle aufdeckten, jedoch auch befremdlich, dass nicht Strafverfolger den Firmen auf die Schliche kamen.

Die „SZ“ will die brisanten Daten jedenfalls nicht den Behörden übergeben. „Wir sind nicht der verlängerte Arm der Staatsanwaltschaft. Wir sind Journalisten“, sagte „SZ“-Reporter Frederik Obermaier. „Die Strafverfolgungsbehörden haben genug Mittel in der Hand, um gegen derartige Machenschaften vorzugehen.“