Berlin. Fünf Jahre nach dem Athener Schuldenschock: In Irland und Zypern wirkt der Sparkurs. Spanien, Portugal und Griechenland kämpfen weiter.

Fünf Jahre ist es her, dass Griechenlands Schuldenkrise über die Länder der Eurozone schwappte. Viele Banken in Europa hatten griechische Staatsanleihen in ihren Büchern, die plötzlich nichts mehr wert waren. Folge: Die Geldhäuser hielten ihr Restkapital zusammen und vergaben keine Kredite mehr an Unternehmen und Verbraucher. Die Investitionen stockten, der Konsum lahmte, die Arbeitslosigkeit stieg – vor allem bei den Jüngeren. Die Staatsschulden explodierten. Besonders betroffen waren Irland, Spanien, Portugal, Griechenland und Zypern.

Die gebeutelten EU-Länder gingen unterschiedlich mit der Krise um. Erfolgsgeschichten sind Irland und Zypern. Beide Länder verordneten sich einen strikten Sparkurs, den sie auch durchhielten.

Heute ist das Defizit unter Kontrolle, und die Wirtschaft wächst wieder. Spanien und Portugal begannen gut, kehrten dann aber wieder zur Finanzierung auf Pump zurück. Am schlimmsten ist die Lage in Griechenland: Trotz des dritten Rettungspakets über 86 Milliarden Euro sind Schuldenlast und Arbeitslosenrate unverändert hoch. Hier ein Überblick, wie die EU-Krisenstaaten heute dastehen:

Die Iren schluckten viele bittere Pillen

Irland hat vorgemacht, wie man sich aus einer verzweifelten wirtschaftlichen Situation befreit. 2010 musste das Land unter den Rettungsschirm der EU. Aber mit einer drastischen Sparpolitik schaffte es die Regierung, ihn 2013 wieder zu verlassen. Der Preis: Die Iren schluckten etliche bittere Pillen. Um den Haushalt auszugleichen, kürzte die Regierung die Beamtengehälter um bis zu 15 Prozent. Die Arbeitslosenunterstützung, das Kindergeld und die Sozialhilfe wurden reduziert. Zudem wurde der Mindestlohn vorübergehend herabgesetzt und die Mehrwertsteuer erhöht.

Erst als die Regierung Ende 2014 Wassergebühren einführen wollte, kam es zu Protesten. Doch da hatte das Land bereits die Kurve gekriegt. Heute steht Irland glänzend da. 2014 und 2015 hatte Irland europaweit das größte Wirtschaftswachstum verzeichnet. Auch in diesem Jahr winkt der größte Zuwachs in der Eurozone.

Spanien und Portugal – zurück zum Schlendrian

In den Krisenländern Spanien und Portugal scheint sich wieder der Schuldenschlendrian einzuschleichen. Die beiden südeuropäischen Staaten warfen die Sparvorsätze über Bord und drehten den Geldhahn wieder auf. Folge: Die mit der EU vereinbarten Defizitziele wurden weit verfehlt. Inzwischen zählen Spanien und Portugal zusammen mit Griechenland zu den schlimmsten Haushaltssündern der Eurozone.

Zunächst hatte sich Spaniens konservative Regierung in Brüssel als Musterschüler gebrüstet und versichert, die Schulden unter Kontrolle zu haben. Das Land hatte 2012 einen EU-Notkredit von 41 Milliarden Euro für die Stabilisierung der maroden Banken erhalten. Spanien habe sich stabilisiert, tönte Premierminister Mariano Rajoy. Doch nun zeigt sich, dass der Regierungschef, der nach seiner Wahlschlappe im Dezember nur noch geschäftsführend im Amt ist, nicht die ganze Wahrheit sagte. „Spanien führt Europa an der Nase herum“, empörte sich Spaniens größte Tageszeitung „El País“.

Sozialisten wollen Schuldenabbau neu verhandeln

Das spanische Haushaltsdefizit lag nach vorläufiger Schätzung 2015 bei rund 5,2 Prozent, einen Punkt über dem mit Brüssel vereinbarten Etatziel von 4,2 Prozent. Damit rückt auch die für 2016 vereinbarte Defizitmarke von 2,8 Prozent in weite Ferne. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste Spanien 24 Milliarden Euro einsparen. Eine schwere Bürde für die künftige Regierung. Der sozialistische Oppositionschef Pedro Sánchez, der gerade versucht, eine mehrheitsfähige Mitte-links-Regierung auf die Beine zu stellen, kündigte an, dass er als Ministerpräsident den Schuldenabbau mit der EU neu verhandeln wolle.

Beim iberischen Nachbarn Portugal ziehen ähnlich wie in Spanien dunkle Wolken auf: Das Etat-Minus lag im vergangenen Jahr mit 4,4 Prozent rund zwei Punkte über dem mit Brüssel vereinbarten Defizitziel von 2,5 Prozent. Für 2016 erlaubt Brüssel den Portugiesen höchstens 2,2 Prozent Neuverschuldung. Doch niemand glaubt daran, dass diese Messlatte nicht gerissen wird. Zumal die seit Herbst amtierende sozialistische Minderheitsregierung von Ministerpräsident António Costa „das Ende der Austeritätspolitik“ verkündet hatte. Sie machte bereits mehrere Sparbeschlüsse der konservativen Vorgängerregierung rückgängig.

Portugal hat geringeres Arbeitslosenproblem als Spanien

Portugal war 2011 vom Euro-Rettungsfonds mit einem Notkredit von 78 Milliarden Euro vor der Pleite gerettet werden. Die internationale Gläubiger-Troika setzte einen harten Reform- und Sparkurs durch. Eine Rosskur, welche Massendemonstrationen, Generalstreiks und einen Anstieg der Armut nach sich zog. Doch 2014 hatte sich das Land wirtschaftlich immerhin so weit erholt, dass es sich wieder am Geldmarkt allein finanzieren konnte. Es stieg aus dem EU-Hilfsprogramm aus.

Bei der Arbeitslosigkeit sieht es in Portugal deutlich besser aus als in Spanien. Die Arbeitslosenquote sank Anfang 2016 auf 12,2 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit betrug aber noch knapp 30 Prozent. Die Wirtschaft wuchs im vergangenen Jahr moderat um 1,6 Prozent – und erreichte damit den Durchschnittswert der Eurozone.

Griechenland hat zu geringes Reformtempo

Als erster von fünf Euro-Staaten musste Griechenland im April 2010 Hilfskredite der Eurozone und des Internationalen Währungsfonds (IWF) beantragen, um den drohenden Staatsbankrott abzuwenden. Die Sparauflagen stürzten das Land in die tiefste und längste Rezession der Nachkriegsgeschichte. Seit 2010 ist das Bruttoinlandsprodukt um ein Viertel geschrumpft. Zwar räumt mittlerweile auch der IWF ein, dass die harten Sparvorgaben die Konjunktur gebremst haben. Aber auch die Griechen machten Fehler: Sie vernachlässigten in den ersten Jahren Strukturreformen und Privatisierungen, die der Wirtschaft Wachstumsimpulse hätten geben können. 2014 kehrte Griechenland zwar zum Wachstum zurück und konnte sich erstmals wieder am Kapitalmarkt refinanzieren. Der Wahlsieg des Links-Premiers Alexis Tsipras im Januar 2015 warf Griechenland aber wieder zurück. Durch das dritte Rettungspaket vom vergangenen Sommer wird das Land vorerst bis 2018 über Wasser gehalten. Mit den Strukturreformen ist Athen aber weiter im Rückstand.

Zypern konnte den EU-Rettungsschirm verlassen

Die Kriseninsel war im Frühjahr 2013 als letzter Euro-Staat unter den Rettungsschirm geschlüpft. Nur drei Jahre später haben die Zyprer das Anpassungsprogramm erfolgreich abgeschlossen. Von den bereitgestellten Hilfskrediten – neun Milliarden Euro vom Rettungsschirm ESM und eine weitere Milliarde vom Internationalen Währungsfonds (IWF) – nahm Zypern nur 7,3 Milliarden in Anspruch. Das Land ist über den Berg; in der vergangenen Woche verließ es offiziell den EU-Rettungsschirm.

2012 war die Insel in den Strudel der Griechenlandkrise geraten, vor allem wegen ihres überdimensionierten Bankensektors. Beim griechischen Schuldenschnitt im Februar 2012 verloren die zyprischen Banken, die große Bestände griechischer Staatsanleihen hielten, ihr gesamtes Eigenkapital. Im März 2013 erreichte die Krise ihren Höhepunkt. Die zahlungsunfähigen Banken mussten schließen. In dramatischen Verhandlungen wurde das Rettungspaket geschnürt. Erstmals wurden auf Zypern nicht nur die Aktionäre sondern auch die Bankkunden zur Rettung der Institute herangezogen. Wer mehr als 100.000 Euro auf dem Konto hatte, wurde mit einer Zwangsabgabe von 47,5 Prozent der Guthaben an der Sanierung beteiligt. Im Gegenzug zu den Hilfskrediten über zehn Milliarden Euro verpflichtete sich Zypern zu einem dreijährigen Anpassungsprogramm: Harte Sparmaßnahmen, Privatisierungen, Wirtschaftsreformen.

Anders als Griechenland hat Zypern eine gut funktionierende Verwaltung

Dass es in Zypern besser lief als in Griechenland, liegt auch am politischen System: Zyperns Staatspräsident Nikos Anastasiades wurde 2013 auf fünf Jahre gewählt und kann weitgehend unabhängig von parlamentarischen Mehrheiten regieren. Anders als Griechenland verfügt Zypern auch über eine gut funktionierende öffentliche Verwaltung. Überdies hat das Land eine kleine, überschaubare Volkswirtschaft. Das erleichtert die Umsetzung von Reformen.