Washington. Donald Trump inszeniert sich gerne als erfolgreicher Geschäftsmann, der die Weltwirtschaft versteht. US-Ökonomen sehen das ganz anders.

„Ein bißchen übertreiben schadet nicht – es ist nur eine wirkungsvolle Form der Verkaufsförderung.“ Donald Trump schrieb diesen Satz vor fast drei Jahrzehnten in seinem Bestseller „Die Kunst des Deals“. Seiner Maxime ist der 69-Jährige nicht treu geblieben. Es vergeht kaum ein Tag, an dem der zurzeit aussichtsreichste Anwärter auf das republikanische Präsidentschaftsticket Amerika nicht mit drastischen Vorstößen behelligt, die quer zur herrschenden Meinung liegen.

Weil sich der Bauunternehmer aus New York seinen (angesichts diverser Pleiten durchaus zweifelhaften) Geschäftssinn besonders zugutehält, stoßen gerade seine extremen Einlassungen zum Komplex Wirtschaft und Finanzen mit jedem Vorwahl-Sieg auf mehr Interesse. Und immer öfter auf besorgte Ohren.

Ökonomen befürchten „Handelskrieg“

„Zutiefst unverantwortlich“, nennt der Wirtschaftsexperte Michael Strain vom konservativen „American Enterprise“-Institut in Washington, Trumps von Anti-Freihandels-Rhetorik und Protektionismus geleitetes Reformkonzept. An der Wall Street fragt das Finanzmagazin „Barron’s“ nervös: „Killt Trump den Aktienmarkt?“ Ökonomen in den Blättern „Fortune“ und „Forbes“ sehen schon einen „Handelskrieg“ mit weltweiten Erschütterungen aufziehen, falls Trump an die Schalthebel der Macht gelangen sollte.

Die „Washington Post“ hat bereits die apokalyptische Prognose durchrechnen lassen: In Amerika würden in diesem Fall vier Millionen Arbeitsplätze vernichtet. Es ist paradox: Der Mann, der gebetsmühlenartig vorgibt, weit und breit der einzige zu sein, der „Amerika wieder großartig machen kann“, gilt unter Ökonomen, Investoren und Unternehmern fast durch die Bank als Mega-Risiko für den Standort USA und die Weltwirtschaft.

Woran liegt das?

Obwohl die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosenquote seit 2009 stetig sinkt und inzwischen bei fünf Prozent liegt und Benzin spottbillig ist, stellt Trump Amerika als ein taumelndes Land am Abgrund dar. „Es ist ein Desaster. Wir siegen nirgends mehr. Keiner nimmt uns mehr für voll. Andere Länder zocken uns ständig ab. Weil unsere Politiker zu dumm sind.“ So geht seit Monaten die Trumpsche Standard-Litanei.

Trump macht sich bei seinen von Tausenden bejubelten Brandreden den Umstand zunutze, dass die Segnungen der Globalisierung außerhalb der ökonomisch potenten Ballungsräume weite Teile Amerikas nie erreicht haben. Im Gegenteil. Auf dem Land und in den Industrie-Regionen wurden zwischen 1999 und 2010 Hunderttausende Arbeitsplätze abgebaut, ohne dass auch nur annähernd für Ersatz gesorgt worden wäre.

Dort lebt die an das digitale Zeitalter kaum mehr anschlussfähige Klientel, die Trump an den Lippen hängt und bei den Vorwahlen von Sieg zu Sieg trägt: Weiße, ältere, oft unterdurchschnittlich gebildete Arbeiter, die von Abstiegsängsten geplagt sind und mit Missgunst, ja Hass auf den globalen Handel und Arbeitskräfte aus dem Ausland blicken. Ihnen dient sich Trump mit Parolen und Projekten an, die auf Abschottung und Isolation der weltgrößten Marktwirtschaft hinausliefen. Der Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko, die illegale Einwanderer aus Latein-Amerika vom US-Arbeitsmarkt fernhalten soll, ist der umstrittenste (und bei seinen Anhängern beliebteste) Vorschlag.

Medien: Trumps Pläne würden Milliarden-Loch in Haushalt reißen

Wirtschaftsnahe Medien wie „Bloomberg“ oder „Wall Street Journal“ halten Trumps Denke für „zerstörerisch“ und „fahrlässig“. Bestes Beispiel: Das US-Handelsdefizit mit China. Es betrug 2015 knapp 365 Milliarden Dollar. Hauptgrund: Amerikaner kaufen wie wild preisgünstige Produkte „made in China“.

Trump nennt das hingegen „den größten Diebstahl der Weltgeschichte“ und kanzelt Peking als „schamlosen Währungstrickser“ ab. Wie kann die Differenz zwischen Importen und Exporten Raub sein?, fragt das amerikanische Kommentariat zurück, bekommt wie immer keine Antwort und stimmt darum die nächsten Strophen im Klagelied an.

• Was Trump bei der Einkommensbesteuerung als Vereinfachung und Reform der Gerechtigkeit tituliert, würde nach Berechnungen der unabhängigen Tax Foundation nicht nur ein Loch von zehn Billionen Dollar in den ohnehin hoch verschuldeten Staatshaushalt reißen - sondern, anders als Trump behauptet, vorwiegend Super-Reiche (über 3 Millionen Dollar Jahreseinkommen) massiv bevorteilen.

• Trumps Einwanderungspolitik zielt auf Ausgrenzung und Abschiebung. Dadurch würde der bereits heute spürbare Fachkräftemangel in vielen Branchen verstärkt, klagen Verbände und Gewerkschaften.

• Trumps Androhung, die Nordamerikanische Freihandelszone (Nafta) zu sprengen und die geplanten Handelsabkommen TPP (mit dem pazifischen Raum, ohne China) und TTIP (mit Europa) zu stoppen, gilt als „Wachstumsbremse“ erster Güte.

• Den größten Alarm hat Trumps Ankündigung ausgelöst, die Güter von US-Konzernen, die weiter im Ausland produzieren anstatt ihre Werke wieder in Amerika anzusiedeln, mit Einfuhrzöllen bis zu 45 Prozent zu bestrafen. Massiv betroffen wäre davon unter anderem die Auto-Industrie. Zwischen Mexiko und den USA werden im Jahr mittlerweile Güter von knapp 120 Milliarden Dollar transferiert – tariffrei. Das zu ändern, ließen Manager von Ford und General Motors Anfang des Jahres bei der Auto-Show in Detroit durchblicken, erfülle den „Tatbestand der Arbeitsplatzvernichtung“.

Trump lässt Produkte in Billigländern produzieren

Trump fährt zunehmend widerwillig auf dem Ticket der republikanischen Partei. Dass die traditionell die Partei des Freihandels war und staatliche Einmischung ins Wirtschaftsleben weitgehend ablehnt, ignoriert der Kandidat. Ebenso wie die Tatsache, dass es mit seiner eigenen Glaubwürdigkeit in Sachen Handel alles andere als gut bestellt ist.

Robert Lawrence, Wirtschafts-Professor an der Universität Harvard, hat neulich ermittelt, dass Hunderte Produkte, die Trumps Firmenimperium oft in Lizenzen herstellen lässt, aus Billiglohnländern wie Bangladesch, Honduras oder China kommen. Darunter Krawatten und Anzüge.

Sein pathetischer Vorwurf, wer nicht in Amerika produziert, handelt „unmoralisch“, trifft Donald Trump am Ende selbst. Auch darum hat der britische „Economist“ eine mögliche Präsidentschaft Trumps just zu den zehn größten Risiken für die Weltkonjunktur gezählt. Fast gleichrangig mit einem neuen Kalten Krieg mit Russland. Oder dem Auseinanderfallen der Europäischen Union.