Berlin. Die große Koalition einigt sich nach langem Streit auf den Haushalt 2017. Die meisten Ressorts bekommen mehr Geld – ohne neue Schulden.

Wolfgang Schäuble beherrscht bekanntlich wie kein Zweiter die Kunst der feinen politischen Boshaftigkeit. Der Bundesfinanzminister ist aber auch Protestant, und dass er dies am Mittwoch noch einmal ausdrücklich betonte, hatte natürlich den Zweck, beide Eigenschaften auf das Eleganteste miteinander zu verbinden.

Der CDU-Politiker stellte also die Eckwerte des Bundeshaushalts für 2017 vor, und natürlich kam irgendwann die Sprache auf die Forderungen der Sozialdemokraten. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hatte ein „Sozialpaket“ für die einheimische Bevölkerung verlangt, damit diese sich gegenüber den Flüchtlingen nicht benachteiligt fühle. Schäuble wiederum hatte das „erbarmungswürdiges Gerede“ genannt.

Schäubles hilft Gabriel aus Mitleid

Am vergangenen Freitag trafen sich beide, um noch einmal über den Haushalt zu verhandeln. Und wer geglaubt habe, die Stimmung sei schlecht gewesen, der habe das alles „völlig falsch verstanden“, sagte Schäuble am Mittwoch lächelnd. Er habe doch nur darauf hingewiesen, dass die Lage von Gabriels SPD „schwierig“ sei und er „Mitleid“ mit dem Vorsitzenden habe. Im Übrigen sei er Protestant. Die Bemerkung erschließt sich, wenn man die Bedeutung des Verbs „erbarmen“ kennt: Der Duden übersetzt es mit „jemandem aus Mitleid helfen“.

Soll heißen: Nach langem Streit war der CDU-Politiker Schäuble dann doch bereit, den Forderungen der SPD nachzugeben. Eine von der SPD für die gestrige Kabinettssitzung angedrohte „Protokollerklärung“, mit der weitere Nachbesserungen im Haushalt möglich werden sollten, gab es nicht. Man habe sich „gegenseitig gelobt und gedankt“, sagte Schäuble, wobei der Dank für die SPD von Arbeitsministerin Andrea Nahles gekommen sei. „Herr Gabriel ist im Urlaub, den hat er verdient, und den braucht er auch offensichtlich“, stichelte Schäuble noch einmal gegen den Wirtschaftsminister und Vizekanzler. Am Ende aber sei „alles gut“.

Im Wahljahr verteilt die Koalition großzügig Geld

Geholfen hat dabei die höchst komfortable Lage, in der sich Schäuble als Finanzminister befindet. Eine gute Konjunktur, hohe Steuereinnahmen und niedrige Zinsen machen es nicht nur möglich, dass der Finanzminister 2017 wohl zum vierten Mal in Folge ohne neue Schulden auskommen wird. Diese Lage hilft auch, politische Kompromisse dadurch zu lösen, dass einfach mehr Geld ausgegeben wird. Das „Sozialpaket“ jedenfalls, das die SPD gefordert hat, wird zum Teil mit den Rücklagen bezahlt, die Schäuble gern noch etwas länger aufgehoben hätte. Jetzt müssen 2018 pauschal fast sieben Milliarden eingespart werden – das ist dann aber das Problem der nächsten Bundesregierung.

Im Wahljahr 2017 aber verteilt die große Koalition noch einmal ordentlich Geld. Insgesamt sieht der Haushalt die Summe von 325,5 Milliarden Euro vor. Ein Plus von knapp drei Prozent im Vergleich zu diesem Jahr. Ein Grund für die Steigerung sind die Ausgaben für Flüchtlinge, die sich quer durch alle Ministerien auf zehn Milliarden summieren. Es gibt aber auch mehr Geld für Sozialleistungen.

Schwerpunkt auf innerer und äußerer Sicherheit

Insgesamt gibt die Bundesregierung nächstes Jahr so viel Geld für Soziales aus wie nie zuvor: 55 Prozent aller Ausgaben fallen in diesen Bereich. Aber auch für Verteidigung, für Entwicklungspolitik und für Verkehrsprojekte steigen die Etats deutlich. Der Etat des Innenministers steigt auch. Das alles passt zur Leitlinie, die Schäuble für diesen Haushalt ausgegeben hatte, wonach der Schwerpunkt auf der inneren und äußeren Sicherheit liegen solle. Die Bewältigung der Flüchtlingskrise habe oberste Priorität.

Das größte Plus gibt es unter anderem deshalb im Budget von Umwelt- und Bauministerin Barbara Hendricks (SPD). Sie hat satte 25 Prozent mehr zur Verfügung. Das liegt vor allem an den zusätzlichen Mitteln für sozialen Wohnungsbau, die die SPD gefordert hatte. 800 Millionen Euro hat Schäuble dafür schließlich bewilligt. Sie sind Teil des Sozialpakets, das zu dem heftigen Krach zwischen den Koalitionspartnern geführt hatte. Nach Schäubles Angaben ist das Paket nun gut 2,3 Milliarden Euro schwer. Die SPD kommt in ihrer Rechnung auf rund fünf Milliarden, was aber daran liegt, dass Teile des Pakets auch vor dem großen Krach schon im Haushalt eingeplant waren.

Schäuble legt nur Eckwerte vor, womöglich wird noch gestritten

Neu sind die 1,1 Milliarden Euro, die Arbeitsministerin Nahles zusätzlich bekommen hat. Rund 300 Millionen Euro davon kann sie nun für Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge ausgeben. 180 Millionen Euro sind für die „Lebensleistungsrente“ reserviert, mit der die Renten von Geringverdienern aufgestockt werden sollen – ein umstrittenes Projekt aus dem Koalitionsvertrag. Den Rest kann Nahles für Sprachkurse für Flüchtlinge und für die Förderung von Langzeitarbeitslosen ausgeben. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) kann für 450 Millionen Euro rund 80.000 Kitaplätze fördern.

Ob der Streit noch einmal aufflammen wird, ist offen, denn was die Bundesregierung beschlossen hat, sind nur Eckwerte. Den endgültigen Haushalt beschließt das Kabinett erst am 6. Juli. Der Bundestag verabschiedet ihn dann im November. Die Opposition kommentierte die Finanzplanung kritisch. Die Grünen bemängelten, das Sozialpaket der SPD sei nur halb so groß wie angekündigt und der ganze Haushalt zeige „mehr Show als Substanz“. Die Linke meinte, angesichts der schweren Krise, in der sich Europa befinde, könne man die Welt nicht durch eine schwarze Null betrachten, das sei ein Sicherheitsrisiko.