Berlin. Die Folgen der Terroranschläge von Brüssel beschäftigen die Medien. Einige fordern, andere mahnen: eine internationale Presseschau.

Nach den Terroranschlägen von Brüssel versuchen Medien, die schrecklichen Ereignisse vom Dienstag einzuordnen. Belgische Zeitungen schlagen einen kämpferischen Ton an. Die Kommentatoren sind sich in ihren Analysen in einer Sache einig: Die Angriffe haben mitten ins Herz Europas gezielt – und getroffen.

Le Soir (Belgien)

„Der Lärm hört nicht auf, er kommt aus allen Richtungen und er überzieht die Stadt wie eine offene Wunde. Krankenwagen, Feuerwehrautos und Polizeifahrzeuge (...) heulen sich mit Blaulicht ihren Weg frei. Die Menschen halten an und schauen, wie betäubt. Ihre Augen sind leer. Sie wissen, dass das alles wahr ist. Sie wissen auch, dass sie es wussten: Dass es passieren würde, dass es passieren musste.“

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De Morgen (Belgien)

„Losgelassene Jugendliche mit einem Bein in der Kriminalität dürfen nicht glauben, dass sie in der Nachfolge der Abdeslams und Abaaouds eine zweite und heldenhaftere Karrierechance haben. (...) Den Zustrom (zum IS) können wir nur dann effektiv stoppen, wenn wir diesem Typ Jugendlichen vor allem auch eine Alternative bieten können zum Gefühl der Entwurzelung und Entfremdung.“

La Libre Belgique (Belgien)

„Man hatte sich letztlich an die gedrückte Stimmung gewöhnt, hoffend, dass die Terroristen auf weitere kriminelle, sinnlose, barbarische und blutige Taten verzichten. Oder hoffend darauf, dass sie neutralisiert werden. (...) Aber nein: Brüssel ist direkt ins Herz getroffen worden. Unschuldige sind tot. Sie wollten in den Urlaub oder kamen zurück, sie waren unterwegs zur Arbeit oder zur Schule. (...) Dieses Blutbad erinnert uns grausam und schmerzhaft daran, dass der Kampf gegen den Terrorismus niemals zu Ende sein wird.“

Le Figaro (Frankreich)

„Für alle Europäer, Bürger wie Anführer, ist die Botschaft klar. Niemand kann sich vor der terroristischen Sturmwarnung in Sicherheit fühlen, die über den Kontinent hereinbricht. Die Deutschen, die Österreicher, die Griechen und andere, besessen von der humanitären Debatte und der logistischen harten Nuss des Andrangs Hunderttausender Migranten, warfen Frankreich bislang andeutungsweise seine Sicherheits-Besessenheit vor. Sie wurden in die Realität zurückgeholt: Sie sind vielleicht – zweifellos? – die nächsten auf der Liste und müssen sich darauf vorbereiten.“

La Croix (Frankreich)

„Es ist Europa, das getroffen wurde. Und es ist an Europa, darauf zu antworten. Es ist extrem dringend, die Zusammenarbeit zwischen den Polizei- und Nachrichtendiensten der Europäischen Union zu verstärken. (...) Das alte Europa muss auch seiner humanistischen Tradition Treue zeigen, die heute noch von der Persönlichkeit Erasmus symbolisiert wird, der sich 1521 lange in Brüssel aufhielt. Wenn es als Opfer blinder Gewalt der Verlockung der Rache und des Sündenbocks nachgäbe, würde es sich selbst Gewalt antun.“

New York Times (USA)

„Die Anschläge haben eine neue Runde der Gewissensprüfung ausgelöst, ob Europas Sicherheitsbehörden ihre Bemühungen verdoppeln müssen – auch mit dem Risiko, damit weiter in bürgerliche Freiheitsrechte einzugreifen, oder ob solche Attacken zu einem unvermeidbaren Teil des Lebens in einer offenen europäischen Gesellschaft geworden sind.“

The Guardian (Großbritannien)

Es wird unweigerlich gefragt werden, ob ein mächtigerer Sicherheitsapparat diese Anschläge hätte verhindern können. Wer kann da sicher sein? Größere Länder mit größeren Sicherheitsbehörden haben es nicht geschafft, vielleicht ist der effektivste Schutz nicht mehr „hard power“, sondern standhaft zu sein als eine gesunde demokratische Gesellschaft.

Süddeutsche Zeitung

„Aus der Geschichte des Terrorismus kann Europa durchaus lernen: Jene Gruppen gewalttätiger Stadtguerilleros, die in den Siebziger- und Achtzigerjahren in Deutschland oder Italien mordeten, haben keineswegs das, was sie für das „Schweinesystem“ hielten, beseitigt. Auch wenn in der Gesellschaft damals durchaus Ansätze für einen neuen Autoritarismus bestanden, wurde diese Tendenz überwunden – genauso überwunden wie der Terrorismus von RAF und Roten Brigaden. Die offene Gesellschaft hat gewonnen. Sie wird, wenn sie denn offen bleibt, auch diesmal wieder siegen.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung

„Gegen die islamistischen Feinde der freiheitlichen Welt stehen die Sicherheitsbehörden zwar nicht auf völlig verlorenem Posten, aber zu beneiden sind sie nicht. Schon die kleinste Panne kann tödlich enden. Hunderte, tausende Dschihadisten sind von den nahöstlichen Kampf- und Terrorschauplätzen nach Europa zurückgekehrt; viele von ihnen traumatisiert, viele jedoch radikalisiert, kampferprobt und zu allem entschlossen.“

Die Tageszeitung (taz)

Reagieren müssen auf die Anschläge von Brüssel jetzt drei Ebenen: die Sicherheitskräfte, die Politik und die Zivilgesellschaft. Es ist die Aufgabe von Fachleuten, zu prüfen, was noch für den Schutz der Bevölkerung getan werden kann. Aber eben nur im Rahmen der Gesetze. Die politische Ebene muss zugeben, dass vollständige Sicherheit nicht zu gewährleisten ist. Die Versuchung ist gewiss groß, in Aktionismus zu verfallen, um den Eindruck von Untätigkeit zu vermeiden.

Adevarul (Rumänien)

„Die logische Frage ist, welche die nächsten Ziele in Europa sind, denn ... es gibt keinerlei Zweifel daran, dass der Plan (für neue Terroranschläge) weiter umgesetzt wird. Aber die Reaktion der EU-Verantwortlichen ist auch diesmal, Beileid auszusprechen nach Schablonen, die es in allen Kanzleien für solche Anlässe gibt. (...) Die permanente Unentschlossenheit der Europäer ist ein himmlisches Manna von dem jene profitieren, die einen breiten Krieg gegen Europa begonnen haben. Und dieser Krieg ist, wie IS stets erklärt, erst am Anfang.“

Neue Zürcher Zeitung (Schweiz)

„Die Worte der Anteilnahme aus aller Welt wirken routinemäßig, ebenso die Aussagen internationaler Politiker, dass die Anschläge in Belgien der ganzen freiheitlichen Welt und ganz Europa gälten. Doch in Brüssel ist dies mehr als eine Floskel: Die Metrostation Maelbeek liegt mitten im Europa-Viertel, nur 350 Meter entfernt vom Sitz der EU-Kommission und vom Gipfel-Gebäude der EU-Regierungschefs. In der attackierten Metro dürften sich im Pendlerverkehr zahlreiche Mitarbeiter der EU-Institutionen befunden haben.“

Der Standard (Österreich)

„Die Angriffe haben mitten ins Herz Europas gezielt. Brüssel ist der Sitz der EU-Kommission, steht als Synonym für Europa und ist die europäische Hauptstadt. Wer Verkehrsknotenpunkte wie Flughäfen und U-Bahnhöfe ins Visier nimmt, will nicht bestimmte Personen treffen, sondern möglichst viele und eine ganze Stadt – und ein Land in Angst und Schrecken versetzen. Und weil es diesmal Brüssel war: die ganze EU.“ (dpa/bnb)