Havanna. Erstmals seit 1928 ist ein US-Präsident nach Kuba gereist. Obama und Castro machten ihre Positionen klar – und die liegen auseinander.

Jim Acostas Eltern haben kubanische Wurzeln. Dem Reporter des US-Senders CNN die erste Frage nach dem Auftritt von Raúl Castro und Barack Obama an diesem historischen Nachmittag im kühl-stürmischen Havanna zu überlassen, lag darum auf der Hand. „Was ist mit den politischen Gefangen in Kuba“, wollte der amerikanische Journalist wissen. Castro, Gastgeber und Hausherr im Revolutionspalast, konnte seinen Unmut über den Anwurf kaum verbergen. „Geben Sie mir die Liste mit den Namen der politischen Gefangenen“, blaffte der 84-Jährige zurück. Die Betroffenen würden freigelassen, noch bevor der Abend anbricht. Botschaft des Präsidenten: Verbreiten Sie keine Lügen über Kuba, es gibt keine politischen Häftlinge bei uns.

Sein Gegenüber Barack Obama wird bereits am Dienstagmorgen hinter verschlossenen Türen das genaue Gegenteil beschrieben bekommen. Am letzten Tag seines Besuches auf der Karibikinsel wird der US-Präsident mit prominenten Dissidenten, darunter der Vorsitzende der Kubanischen Kommission für Menschenrechte, Elizardo Sánchez, und die Bloggerin Yoani Sánchez, zusammenkommen.

Aktivisten sehen in Obama den besten Anwalt

US-Präsident Obama ist zu Besuch in Kuba. Er trifft dort Staatschef Raúl Castro (r.).
US-Präsident Obama ist zu Besuch in Kuba. Er trifft dort Staatschef Raúl Castro (r.). © REUTERS | CARLOS BARRIA

Die Regime-Kritiker werden beklagen, dass die „Repression“ zugenommen hat, seit Obama und Castro im Dezember 2014 Tauwetter in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern vereinbart hatten. Allein im Januar und Februar 2016 wurden nach Zählung von Elizardo Sánchez 2500 Menschen festgenommen, weil sie öffentlich ihren Unmut über die Regierung geäußert hatten. Die Aktivisten sehen in Obama den besten Anwalt, die Übergriffigkeit der Regierung anzuprangern. „Wenn Obama nicht deutlich anspricht, was hier zum Himmel stinkt“, sagte der 43-jährige Kellner Eduardo unserer Redaktion, „wer soll es dann tun?“.

Bei der Presse-Konferenz versuchte der Gast aus Washington den Spagat. Er beschwor die Kraft der Demokratie („Amerika glaubt daran“), rief Kuba zu mutigen Reformen auf, vermied aber jede Belehrung. „Amerika wird nicht über das Schicksal Kubas bestimmen. Das werden die Kubaner ganz allein tun“. Gleichwohl gebe es universelle Werte, etwa das Recht auf freie Meinungsäußerung, die von Amerika unverändert hochgehalten und beworben würden. In die Innereien des sozialistischen Überwachungsstaats wollte sich Obama nicht begeben. „Es ist ein neuer Tag“ angebrochen im Verhältnis zwischen den seit 1959 verfeindet gewesenen Staaten, sagte er. „Wir bewegen uns nach vorn und schauen nicht zurück.“

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Castro denkt Obama mit Forderungen ein

Barack Obama (r.) kommt zusammen mit seiner Familie, First Lady Michelle Obama (l.) und den Töchtern Malia und Sasha in Kuba an.
Barack Obama (r.) kommt zusammen mit seiner Familie, First Lady Michelle Obama (l.) und den Töchtern Malia und Sasha in Kuba an. © dpa | Michael Reynolds

Das Raúl Castro ein entschieden anderes Geschichtsverständnis pflegt, wurde schnell klar. Statt mit Geschenken deckte der Bruder des siechen Revolutionsführers Fidel Castro den Gast mit Forderungen ein. Wissend, dass Obama sie nicht erfüllen kann. So verlangte Castro unmissverständlich die vollständige Aufhebung des seit über 50 Jahren bestehenden Wirtschafts-Embargos. Nur wenn diese Blockade endlich falle, könne sich Kuba ökonomisch entwickeln. Castros Sprechzettel war zu entnehmen, dass ihm die Lockerungen, die Obama gegen den Widerstand des Kongresses auf eigene Faust lanciert hat – demnächst über 100 Linienflüge täglich zwischen USA und Kuba, Reise- und Devisen-Erleichterungen, die Genehmigung amerikanischer Investitionen in das marode kubanische Telekommunikationsnetz – eher wie Kosmetik vorkommen. Obama setzt auf Nachfrage hinzu, er sei sicher, dass die Kraft des Faktischen die Blockade kippen werde – nur wann, das sei noch offen. Auf Castros zweite Bedingung für eine gedeihliche Annäherung zwischen beiden Staaten ging Obama nicht näher ein. Der kubanische Präsident verlangte erneut die Rückgabe der US-Marine-Basis Guantánamo Bay im Südosten der Insel, die Amerika seit über 100 Jahren über einen Pachtvertrag hält.

Historischer Besuch: Obama in Kuba

Ein historischer Tag: Barack Obama ist am Sonntag in Havanna gelandet – es ist der erste Besuch eines US-Präsidenten seit 1928.
Ein historischer Tag: Barack Obama ist am Sonntag in Havanna gelandet – es ist der erste Besuch eines US-Präsidenten seit 1928. © REUTERS | CARLOS BARRIA
Die ganze Familie Obama ist zu Besuch, auch First Lady Michelle Obama und die Töchter Sasha (r.) und Malia (hinten links) wollen sich das sozialistische Land ansehen. Staatschef Raùl Castro kam nicht selbst zum Flughafen, um den US-Präsidenten zu begrüßen, er schickte Außenminister Bruno Rodríguez.
Die ganze Familie Obama ist zu Besuch, auch First Lady Michelle Obama und die Töchter Sasha (r.) und Malia (hinten links) wollen sich das sozialistische Land ansehen. Staatschef Raùl Castro kam nicht selbst zum Flughafen, um den US-Präsidenten zu begrüßen, er schickte Außenminister Bruno Rodríguez. © Getty Images | Joe Raedle
„Que bolá Cuba?“ („Wie geht’s, Kuba?“) twitterte Obama direkt nach seiner Ankunft und benutzte dabei die kubanische Umgangssprache.
„Que bolá Cuba?“ („Wie geht’s, Kuba?“) twitterte Obama direkt nach seiner Ankunft und benutzte dabei die kubanische Umgangssprache. © dpa | Alejandro Ernesto
Die Live-Übertragung der Ankunft des US-Präsidenten verfolgten viele Kubaner auf ihren Smartphones.
Die Live-Übertragung der Ankunft des US-Präsidenten verfolgten viele Kubaner auf ihren Smartphones. © dpa | Rolando Pujol
Obama will während seines Besuchs die Menschenrechtslage ansprechen und auch mit Dissidenten zusammentreffen. Eine Begegnung mit Menschenrechtsaktivisten hatte der Präsident zu einer Bedingung für seine Reise gemacht. Wenige Stunden vor Obamas Ankunft waren erneut Oppositionelle verhaftet worden.
Obama will während seines Besuchs die Menschenrechtslage ansprechen und auch mit Dissidenten zusammentreffen. Eine Begegnung mit Menschenrechtsaktivisten hatte der Präsident zu einer Bedingung für seine Reise gemacht. Wenige Stunden vor Obamas Ankunft waren erneut Oppositionelle verhaftet worden. © REUTERS | UESLEI MARCELINO
Unterstützer der Regierung Kubas waren zur Gegendemonstration gekommen.
Unterstützer der Regierung Kubas waren zur Gegendemonstration gekommen. © REUTERS | UESLEI MARCELINO
Präsident Obama spazierte mit seiner Familie...
Präsident Obama spazierte mit seiner Familie... © REUTERS | CARLOS BARRIA
...im Regen durch „La Habana Vieja“, die Altstadt Havannas, die...
...im Regen durch „La Habana Vieja“, die Altstadt Havannas, die... © REUTERS | CARLOS BARRIA
...für den Besuch abgeriegelt worden war.
...für den Besuch abgeriegelt worden war. © REUTERS | CARLOS BARRIA
Im städtischen Museum Havannas ließen sich die Gäste aus den USA vor einem Gemälde von Abraham Lincoln fotografieren, dem 16. Präsidenten der USA.
Im städtischen Museum Havannas ließen sich die Gäste aus den USA vor einem Gemälde von Abraham Lincoln fotografieren, dem 16. Präsidenten der USA. © Getty Images | Chip Somodevilla
Vor der US-Botschaft in Havanna sammelten sich vor Obamas Besuch Schaulustige. Die Botschaft war seit 1961 geschlossen, erst seit August 2015 wurde die Botschaftstätigkeit wieder aufgenommen.
Vor der US-Botschaft in Havanna sammelten sich vor Obamas Besuch Schaulustige. Die Botschaft war seit 1961 geschlossen, erst seit August 2015 wurde die Botschaftstätigkeit wieder aufgenommen. © REUTERS | ALEXANDRE MENEGHINI
Mit den Bediensteten der Botschaft trafen Barack und Michelle Obama allerdings...
Mit den Bediensteten der Botschaft trafen Barack und Michelle Obama allerdings... © REUTERS | CARLOS BARRIA
...in einem Hotel in Havanna zusammen.
...in einem Hotel in Havanna zusammen. © REUTERS | CARLOS BARRIA
Vermutlich dieser Tage ein beliebtes Souvenir, das der norwegische Tourist da trägt: ein T-Shirt mit einem Porträt Obamas im Outfit des kubanischen Nationalhelden Che Guevara.
Vermutlich dieser Tage ein beliebtes Souvenir, das der norwegische Tourist da trägt: ein T-Shirt mit einem Porträt Obamas im Outfit des kubanischen Nationalhelden Che Guevara. © REUTERS | JONATHAN ERNST
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Während Castro das Unwohlsein über den Austausch kontroverser Meinungen sichtlich unbequem war, er verlangte die Andersartigkeit Kubas zu respektieren und hinzunehmen, sieht Obama im klaren Aussprechen der Differenzen den ersten Schritt zur Normalisierung. Der Weg dahin, da waren sich beide einig, werde „herausfordernd“. Welcher Zeitrahmen Castro vorschwebt, zeigte sein Verweis auf die Extremschwimmerin Diana Nyad. Die Amerikanerin war 28, als sie zum ersten Mal die 170 Kilometer von Kuba nach Florida schwimmen wollte. Erst mit 64 gelang ihr die Kraftanstrengung. Obama gewann dem Vergleich eine positive Note ab. „Wenigstens müssen wir nicht mit den Haien schwimmen.“