München. Neuer Verhandlungstag im NSU-Prozess: Beate Zschäpe lässt ihre Aussage zu Uwe Böhnhardt verlesen. Auch zwei weitere Zeugen sagen aus.

Die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe hat am Mittwoch im NSU-Prozess erneut Fragen des Gerichts beantwortet. In einer vor Gericht verlesenen Aussage berichtete sie, dass sie mehrfach von ihrem mutmaßlichen NSU-Komplizen Uwe Böhnhardt geschlagen worden sei. Das sei vor allem in der Anfangszeit des Untergrundlebens nach 1998 passiert, „wenn ihm verbal die Argumente ausgingen“. Als Beispiel nannte sie einen Streit darüber, dass eine Waffe offen in der Wohnung herumgelegen habe. Sie sei dagegen gewesen, deshalb habe er den „Streit mit Schlägen beendet“.

Zschäpe enthüllte erstmals auch Einzelheiten über den Kontakt zu ihrem mitangeklagten mutmaßlichen Helfer André E. und dessen Ehefrau. Das Paar habe über die Banküberfälle Bescheid gewusst, die Böhnhardt mit dem NSU-Komplizen Uwe Mundlos verübt haben soll. Von den Morden und Sprengstoffanschlägen soll das Ehepaar E. dagegen nichts gewusst haben.

Zschäpe ist die einzige Überlebende des NSU-Trios. Sie ist wegen Mittäterschaft bei allen Verbrechen der Gruppe angeklagt, darunter zehn überwiegend rassistisch motivierte Morde.

Zeuge schildert Sicherstellung des NSU-Wohnwagens

Am Vormittag des gleichen Prozesstages hatten die Richter auch weitere Zeugen befragt, darunter einen 45-jährigen Polizeibeamten des Thüringer Landeskriminalamtes (LKA): Alle Waffen, die am 4. November 2011 im ausgebrannten Wohnmobil sichergestellt wurden, seien geladen gewesen, sagte der LKA-Beamte aus. Der Kriminalhauptkommissar war an diesem Tag gemeinsam mit einer Kollegin als LKA-Tatortgruppe zur Spurensicherung an dem Fahrzeug angefordert worden.

Allerdings sei das Wohnmobil bei ihrem Eintreffen bereits in einer Folie verpackt gewesen, schildert der Beamte seine Erinnerungen an diesen Tag. Zunächst habe es eine Einweisung durch die Kollegen gegeben. Das Vorgehen der Polizeiführung in Eisenach bewertete der Zeuge aber als „ungewöhnlich“. Eigentlich hätte die Tatortgruppe noch weitere Aufgaben vor Ort erledigen müssen, „wie das Fahrzeug einmessen und eine sofortige Absuche des Umfelds“. Dies sei aber nicht geschehen. Er selbst habe vor dem Abtransport des Wohnmobils in die Halle eines Abschleppunternehmens noch eine Polizeipistole P2000 gesichert, erklärte der Zeuge vor Gericht.

Einige Minuten nach 16 Uhr habe er dann erfahren, dass diese Pistole die entwendete Dienstwaffe eines bei einem Anschlag schwer verletzten Kollegen aus Heilbronn gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt hätte das Wohnmobil bereits in der Sicherstellungshalle gestanden. Die Aufgabe der Tatortgruppe sei es gewesen, die beiden Toten aus dem Fahrzeug zu bergen und ihre Identität festzustellen, erklärt der Beamte. Ausdrücklich weist er darauf hin, dass die Ermittler an dem Nachmittag noch von einem bewaffneten Raubüberfall ausgegangen seien.

Polizeipistolen und Pumpguns aus dem Wohnwagen geborgen

Er und seine Kollegin hätten insgesamt zwei Polizeipistolen und zwei Pumpguns aus dem Fahrzeug geborgen. Außerdem habe noch eine ältere Maschinenpistole gut sichtbar im Inneren herumgelegen.

Vor dem Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss hatte der LKA-Beamte vor einigen Wochen noch erklärt, dass er nach Bekanntwerden der Identität der Polizeipistole das Hinzuziehen des Bundeskriminalamtes gefordert habe. Das aber sei von der Polizeiführung damals abgelehnt worden. Vor Gericht spricht der Spurensicherungsexperte nun lediglich davon, dass damals zu wenig „Manpower“, also Personal, für die Spurensicherung vorhanden gewesen sei.

Am 4. November 2011 hatten die mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Eisenach eine Sparkasse überfallen. Gegen Mittag entdeckte eine Polizeistreife ihr Wohnmobil. Es sollen mehrere Schüsse gefallen sein. Kurz darauf ging das Fahrzeug in Flammen auf. Laut Anklage sollen sich die Männer selber getötet und den Brand gelegt haben.

Waffe mit Schalldämpfer lag im Brandschutt

Etwa drei Stunden später explodierte in Zwickau das mutmaßliche Quartier des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Beate Zschäpe soll die Wohnung in der Frühlingsstraße, in der sie gemeinsam mit den beiden Männern gelebt hatte, angezündet haben. Am 9. November 2011 entdeckte ein heute 37-jähriger sächsischer Polizeibeamter im Brandschutt die mutmaßliche NSU-Mordwaffe, eine Pistole der Marke „Ceska 83“ mit Schalldämpfer.

Auch dieser Polizist sagte am Mittwoch im NSU-Prozess aus: „Ich war erschrocken“, schildert er dem Gericht seinen ersten Eindruck. Er sei damals noch in der Polizeiausbildung gewesen, als seine Klasse von Chemnitz nach Zwickau geschickt worden sei, um den Schuttberg vor dem teilweise zerstörten Haus abzutragen und zu untersuchen. Er habe am Nachmittag zuerst ein Rohrstück gesehen, so der Zeuge. Als er daran gezogen habe, habe er gemerkt, dass es sich um einen an einer Pistole hängenden Schalldämpfer gehandelt habe. Er habe die gefundene Waffe dann zu einem Polizeiauto gebracht, berichtete der Zeuge weiter. Dort sei sie in eine Plastiktüte gesteckt und in einer Kiste verpackt worden.

Zeuge hat Erinnerungslücken

Auf Nachfragen von Verteidigern des Angeklagten Ralf Wohlleben erklärte der Zeuge, er könne sich nicht mehr erinnern, ob der Fund der Pistole mit Fotos dokumentiert worden sei. Er könne auch nicht mehr sagen, wem er die Pistole genau übergeben habe.

Der genaue Fundort der Tatwaffe habe im Inneren des Schutthaufens gelegen, beschrieb er weiter. Bevor er die Waffe entdeckt habe, sei bereits eine ganze Menge Material abgetragen worden. Er habe bei der Arbeit Handschuhe getragen. Eine Warnung davor, dass in dem Schuttberg noch scharfe Waffen liegen könnten, habe es nach seinen Angaben nicht gegeben.

Gefundene Waffe im Keller gelagert

Offenbar wurde die mutmaßliche Tatwaffe dann bis zum 12. November 2011 bei der Polizeidirektion in Zwickau in einem Keller gelagert, bevor Spurensicherungsexperten des Bundeskriminalamtes die Asservate dokumentierten und in Verzeichnisse aufnahmen. Zwei BKA-Experten bestätigten dem Gericht dieses Vorgehen.

Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts in München verhandelt seit Mai 2013 gegen insgesamt fünf Angeklagte. Die Mitglieder des NSU sollen für insgesamt zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge sowie 15 Raubüberfälle verantwortlich sein. Als letzter von insgesamt zehn Morden gilt der Anschlag auf die aus Thüringen stammende Polizistin Michèle Kiesewetter und ihren Kollegen Martin A. im April 2007 in Heilbronn. Kiesewetter starb an ihrem Kopfschuss, ihr Kollege überlebte schwer verletzt.

Beate Zschäpe muss sich unter anderem wegen Mittäterschaft verantworten. Ralf Wohlleben und Carsten S. wirft die Bundesanwaltschaft Beihilfe zum Mord in neun Fällen vor. Sie sollen im Frühjahr 2000 am Beschaffen der „Ceska 83“ samt Schalldämpfer beteiligt gewesen sein. (mit dpa)