München. Das Münchener Landgericht hat zahlreiche Fragen an die mutmaßliche Terroristin Beate Zschäpe. Diese wird am Dienstag wohl antworten.

Der NSU-Prozess startet mit einem straffen Verhandlungsprogramm in die letzte Verhandlungswoche vor der Osterpause. Für Mittwoch sind die Antworten der Hautangeklagten, Beate Zschäpe, auf Fragen des Staatsschutzsenats angekündigt. Richter Manfred Götzl hatte der 41-Jährigen bereits Anfang Februar einen ausführlichen Fragenkatalog diktiert. Ihr Verteidiger, Mathias Grasel, notierte damals alles mit. Nun wird erwartet, dass einer ihrer Anwälte mögliche Antworten dem Gericht vorträgt. Zschäpe lehnt es bisher ab, selber unmittelbar auf Fragen zu antworten.

Mit Interesse werden Aussagen zum Mitangeklagten André E. erwartet. Die 41-Jährige hatte bereits eingeräumt, dass dieser sie am 4. November 2011 in Zwickau abgeholt und ihr Kleidung seiner Frau Susann mitgebracht habe. Zschäpe zündete damals etwa drei Stunden nach dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die gemeinsame Wohnung in Zwickau an. „Hatte André E. Kenntnis von den Raubüberfällen und Tötungsdelikten“, lautet eine der Fragen des Gerichts. Was wussten er und seine Frau über die Lebensumstände der drei Flüchtigen, eine weitere Frage.

Zschäpe durch Vermerk der Behörden in Bedrängnis

In der Vorwoche war zudem bekannt geworden, dass ein aktueller Vermerk des Bundeskriminalamtes (BKA) Zschäpe in Bedrängnis bringen könnte. Eine Ermittlerin stellt darin fest, dass auf einer DVD, die im Brandschutt der mutmaßlichen Zwickauer NSU-Wohnung gefundenen wurde, Nachrichtensendungen gespeichert sind, von denen die erste nur zwei Stunden nach dem NSU-Nagelbombenanschlag in Köln 2004 ausgestrahlt wurde. Es stelle sich die Frage, „wo und durch wen diese Aufnahmen dann getätigt wurden“, heißt es in dem Vermerk. Denn die

Angeklagte hatte erklärt, dass Mundlos und Böhnhardt sie erst nach ihrer Rückkehr über den Bombenanschlag informiert hätten. Sollte Zschäpe aber die TV-Sendungen aufgenommen haben, wusste sie bereits früher vom Anschlag, so der Verdacht. Die BKA-Beamtin ist für Donnerstag als Zeugin nach München geladen.

Fragen zum Abtransport des Wohnmobils sind offen

Am Mittwoch möchte das Gericht zudem den früheren Leiter der Tatortgruppe des Thüringer Landeskriminalamtes (LKA) zu Waffenfunden im ausgebrannten Wohnmobil von Eisenach befragen. Der Kriminalhauptkommissar hatte Ende Februar vor dem 2. Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss unter anderem erklärt, dass die Tatortgruppe nach dem Fund einer ersten Polizei-Dienstwaffe darum gebeten habe, das BKA für die Ermittlungen hinzuzuziehen. Das sei damals aber von der Polizeiführung abgelehnt worden.

Auch der schnelle Abtransport des ausgebrannten Fahrzeuges vom Tatort in die Sicherstellungshalle einer Abschleppfirma war bei den Spurensicherungs-Experten auf Skepsis getroffen. So konnten sie nach eigenen Angaben beispielsweise die Außenseite des Wohnmobils weder auf Fingerabdrücke noch auf DNA-Spuren untersuchen. Auch erfolgte damals am Tatort zeitnah keine systematische Umfeldsuche, um mögliche weitere Spuren zu sichern. Erst Tage später versuchte die Polizei noch mögliche Einschüsse an umstehenden Häusern und Projektile zu finden.

In dem Campingmobil waren die mutmaßlichen Rechtsterroristen Mundlos und Böhnhardt am 4. November 2011 nach einem Sparkassenraub von Polizisten in einem Eisenacher Wohngebiet gestellt worden. Mundlos soll zuerst Böhnhardt erschossen, danach das Fahrzeug in Brand gesteckt und anschließend sich getötet haben. Die Anklage geht davon aus, dass Böhnhardt zuvor noch versucht hat, auf die Beamten zu schießen.

Polizeieinsatz als Thema in Bundes- und Landtag

Mit dem nachfolgenden Polizeieinsatz beschäftigt sich derzeit der NSU-Untersuchungsausschuss in Thüringen. Auch der Bundestagsausschuss plant ab April die damals eingeleiteten Ermittlungen genauer zu betrachten. Bereits vor zwei Wochen durften die Bundestagsabgeordneten das Wrack des sichergestellten Fahrzeugs beim BKA in Meckenheim besichtigen.

Im Wohnmobil wurden unter anderem die Dienstpistolen der im April 2007 in Heilbronn erschossenen Polizistin, Michèle Kiesewetter und ihres damals schwer verletzten Kollegen, Martin A., sichergestellt. Die Pistole des heute 33-jährigen Beamten konnte die Spurensicherung kurz nach dem Löschen des Brandes noch am Tatort in Eisenach aus dem Inneren des Fahrzeugs bergen. Sie soll am Boden der Duschkabine gelegen haben. Beide Waffen wurden noch am selben Tag durch das BKA identifiziert.

Am Dienstag, dem 270. Verhandlungstag, nimmt das Gericht außerdem zum dritten Mal Anlauf, einen BKA-Ermittler zur Auswertung des sogenannten NSU-Bekennervideos zu befragen. Seine erste Vernehmung wurde Ende Januar, am 257. Verhandlungstag, wegen eines Befangenheitsantrags des Angeklagten Ralf Wohlleben nach nur 15 Minuten unterbrochen.

Der Staatsschutzsenat am Oberlandesgericht in München verhandelt seit Mai 2013 im sogenannten NSU-Prozess gegen insgesamt fünf Angeklagte. Mitglieder der mutmaßlichen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) sollen an zehn Morden, zwei Sprengstoffanschlägen sowie 15 Raubüberfällen beteiligt gewesen sein. Beate Zschäpe wird unter anderem die Bildung einer terroristischen Vereinigung und Mittäterschaft vorgeworfen.