Berlin. Die Ergebnisse in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg sind desaströs. Doch die SPD und Sigmar Gabriel kommen mit blauem Auge davon.

SPD-Chef Sigmar Gabriel ist die Erleichterung anzusehen. „Dies ist ein Wahlabend der gemischten Gefühle, aber in der SPD überwiegt die Freude“, sagt Gabriel im Willy-Brandt-Haus zufrieden. Der SPD-Wahlerfolg in Rheinland-Pfalz zeige doch, „dass sich Leistung in der Politik lohnen kann.“ Schon eine halbe Stunde nach Schließung der Wahllokale ist der Parteichef mit der engeren SPD-Führungsriege auf die Bühne getreten, Beifall brandet auf.

Damit war nicht unbedingt zu rechnen. Die SPD hatte über lange Wochen ein derart schlimmes Debakel befürchtet, dass bereits über die Ablösung des Parteichefs spekuliert worden war. Der sah sich genötigt, Rücktrittsabsichten zu dementieren – ohne alle Genossen damit zu überzeugen. Nun kommt Gabriel offensichtlich mit einem blauen Auge davon, von Rücktritt ist nirgends mehr die Rede in der SPD. Zwar sind die Ergebnisse in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg desaströs: In beiden Ländern war die SPD schon länger schwach, jetzt aber hat sie dort den Status als Volkspartei praktisch verloren. Ein gefährlicher Trend. Doch der Sieg in Rheinland-Pfalz, an den die Genossen lange nicht mehr geglaubt hatten, überdeckt das Debakel. Die SPD kann also – mit dem richtigen Personal – noch gewinnen. Malu Dreyer entlastet mit ihrem Triumph den Vorsitzenden. Den größeren Schaden hat insgesamt die CDU.

Jetzt kann es nur besser werden

Natürlich zeigt sich Gabriel besorgt über die Erfolge der AfD. Es sei eine Zäsur, jetzt müsse das demokratische Zentrum verteidigt werden. Aber dem Vorsitzenden ist anzumerken: Er hat die größte Klippe umschifft. Dieser 13. März lastete wie ein Schicksalstag über der Partei und ihrem Vorsitzenden, der mit seinem 74-Prozent-Ergebnis beim letzten Parteitag ja schon angegriffen war. Jetzt kann es nur besser werden: Die Landtagswahlen im September in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern werden für die SPD vergleichsweise komfortabel. Und danach wird Gabriel wohl offiziell erklären, dass er als Kanzlerkandidat antritt. Die Bürde wird nach diesen Landtagswahlen indes nicht kleiner: Auf den Spitzenkandidaten, das zeigt dieser Wahlabend, kommt es ganz entscheidend an. Und: Juniorpartnerschaften, das ist Fazit Nummer zwei, sind für die SPD riskant – wohl auch in Berlin.

Längst aber hat Gabriel die Vorbereitungen für den Bundestagswahlkampf begonnen: Als populäres Kampagnenthema hat der Vorsitzende die Rentenpolitik ausgemacht, es wird 2017 auch sonst viel um Gerechtigkeit gehen in seiner Kampagne. Das versöhnt den linken Parteiflügel, den Gabriel zuletzt mit seinem wirtschaftsfreundlichen Mitte-Kurs vergrätzt hatte. Ganz aufatmen kann der Vorsitzende noch nicht. Möglicherweise wird es in den Führungsgremien noch eine kritische Debatte zur Flüchtlingspolitik geben. In den letzten Wochen hat sich in der SPD einiger Unmut angestaut über wechselnde Akzentuierungen des Vorsitzenden. Doch viel zu befürchten hat der nicht. Gabriel wertet den Wahlsieg in Rheinland-Pfalz auch als Bestätigung für seinen Kurs in der Flüchtlingspolitik. So kündigt er bereits an, die - nicht unumstrittene - Forderung nach einem Solidaritätsprojekt für alle Bürger parallel zur Flüchtlingshilfe werde jetzt als „soziales Modernisierungsprogramm“ zum Thema im Bundestagswahlkampf. Bis dahin werde die SPD klar zur Koalition stehen. Doch selbstbewusst ermahnt Gabriel den Koalitionspartner: Damit die Regierung erfolgreich arbeiten könne, müsse die Union in der Flüchtlingspolitik „endlich ihre Chaostage und den permanenten Streit beenden.“