Berlin. Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz machen ihre Kreuze – und wir schauen auf die möglichen Folgen der Landtagswahlen.

Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz, hat nicht nur große Bedeutung für die beteiligten Bundesländer. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um den „Super-Sonntag“:

Gerät Merkels Kanzlerschaft in Gefahr?

Vorerst nicht. Doch unter Druck geraten wird Merkel in ihrer Partei sicher, wenn die CDU so massive Einbußen erlebt wie vorhergesagt – erst recht, wenn die CDU-Spitzenkandidaten in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg tatsächlich den Wahlsieg verfehlen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). © dpa | Sebastian Willnow

Schließlich sind die Wahlen offensichtlich auch eine Abstimmung über Merkels Flüchtlingspolitik: Vor allem dieses Thema treibt die Wähler den Umfragen zufolge um und der AfD Unterstützer zu. Den Unmut ihrer Parteifreunde wird Merkel zu spüren bekommen. Aber Wut ist etwas anderes als ein Putsch. Merkels Kritiker wollen fast ausnahmslos einen anderen Kurs, nicht eine andere Kanzlerin – sie wissen, dass Merkels Rückzug die Wahlchancen der Union bei der Bundestagswahl nicht verbessern würde. Wolfgang Schäuble wäre als Nachfolger eindeutig ein Übergangskanzler, Ursula von der Leyen fehlt der Rückhalt in der Union. Zudem ist ungewiss, ob die SPD einen Kanzler-Wechsel unterstützen würde – oder es nicht lieber auf Neuwahlen ankommen ließe.

Wirft Sigmar Gabriel als SPD-Chef hin?

Wenn es allein in Gabriels Hand liegt: nein. Der Parteichef hat bereits erklärt, er werde auch bei desaströsen Wahlergebnissen sein Amt nicht aufgeben. Er laufe in einer Krise nicht davon. Außerdem handele es sich um Landtags-, nicht um Bundestagswahlen. Aber dass der Vorsitzende die Rücktrittsfrage zuletzt beinahe täglich irgendwo beantworten musste, zeigt den Ernst den Lage.

SPD-Chef Sigmar Gabriel.
SPD-Chef Sigmar Gabriel. © dpa | Daniel Bockwoldt

In Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt steht die SPD vor einem Absturz in die Drittklassigkeit, ähnlich stark wie die AfD. Viel hängt davon ab, ob der SPD mit Malu Dreyer noch der Wahlsieg in Rheinland-Pfalz gelingt. Verliert die SPD dort die Macht, droht Gabriel nach dem Wahldebakel geballter Ärger in der SPD. Einen Sturz muss er zwar nicht befürchten, harte Debatten über Kurs und Profil der SPD schon: Führende Genossen sind entschlossen, Gabriels Alleingänge zu beenden. Ein weiterer Vertrauensverlust für ihn nach dem Denkzettel beim Parteitag könnte aber dazu führen, dass Gabriel doch selbst in absehbarer Zeit hinwirft.

Behalten die Grünen ihren ersten Ministerpräsidenten?

Die Chancen für Winfried Kretschmann sind zuletzt jedenfalls noch deutlich gestiegen. Die Sensation in Stuttgart ist zum Greifen nahe: Nach übereinstimmenden Umfragen liegen Kretschmanns Grüne mit 32 Prozent der Stimmen vorn, zwei bis drei Punkte vor der CDU – das gab es auf Landes- oder Bundesebene noch nie. Womöglich reicht es sogar für Grün-Rot, trotz SPD-Absturz. Und wenn nicht, steht vielleicht die CDU doch als Juniorpartner zur Verfügung – falls die nicht ein Dreier-Bündnis gegen Kretschmann organisiert.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen).
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen). © dpa | Felix Kästle

Was da im Südwesten passiert, ist einzigartig: Schon Kretschmanns Wahl zum ersten grünen Ministerpräsidenten galt als kleines Wunder. Mit landesväterlichem Stil, taktischem Geschick und zuletzt der Unterstützung für Merkels Flüchtlingspolitik hat der wertkonservative Grüne jetzt auch konservative CDU-Wähler für sich gewonnen. Es bleibt aber ein Soloerfolg: Die Grünen sind auch im Südwesten keine Volkspartei – bei der Bundestagswahl 2013 kamen sie auf 8,3 Prozent, die CDU auf 41,7 Prozent.

Kehrt die FDP zu ihrer alten Stärke zurück?

Es spricht viel dafür. Offenbar absolvieren die Liberalen am Sonntag eine wichtige Zwischenetappe beim Projekt Wiederaufstieg: Die Präsenz im liberalen Stammland Baden-Württemberg wird sicher verteidigt, in Rheinland-Pfalz dürfte die Rückkehr in den Landtag gelingen, in Sachsen-Anhalt ist ein solches Comeback zuletzt wahrscheinlich geworden. Die Erfolge bei den Landtagswahlen in Hamburg und Bremen vor einem Jahr waren also keine Eintagsfliegen, Parteichef Christian Lindner hat den Dauerabstieg stoppen können. Mit Glück kann die FDP schon wieder in die Rolle des Königsmachers schlüpfen – kommt es in den Ländern zu Dreier-Koalitionen, spielt die FDP eine Schlüsselrolle.

FDP-Chef Christian Lindner.
FDP-Chef Christian Lindner. © dpa | Maja Hitij

Das alles ist wichtig für das Selbstbewusstsein. Aber über den Berg ist die FDP damit noch nicht: Ihr Anti-Kurs zu Merkels Flüchtlingspolitik in diesem Wahlkampf taugt nicht auf Dauer als Erfolgsrezept. Die Bundestagswahl 2017 bleibt eine Zitterpartie. Erst wenn sie diese Herausforderung gemeistert hat, kehrt die FDP zu alter Stärke zurück.

Bleibt die Linkspartei eine Regionalpartei Ost?

Es sieht auf den ersten Blick so aus, wenn man das absehbare Ergebnis der drei Wahlen betrachtet: In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz verfehlt die Linke ziemlich sicher wieder den Einzug in den Landtag, in Sachsen-Anhalt dagegen bleibt sie zweitstärkste Partei nach der CDU. Das Projekt Westausdehung stößt also an Grenzen – vor allem in den Flächenländern. Diesmal ist es auch eine Niederlage für die Parteiführung, denn in Baden-Württemberg tritt der Bundesvorsitzende Bernd Riexinger als Spitzenkandidat an. Doch ganz erfolglos ist die Linke auch im Westen nicht. In vier westdeutschen Landtagen ist sie vertreten: In Hamburg und Bremen erzielte sie zuletzt gute Ergebnisse, im Saarland mit Zugpferd Oskar Lafontaine sowieso.

Bernd Riexinger, Bundesvorsitzender und baden-württembergischer Spitzenkandidat der Partei „Die Linke“.
Bernd Riexinger, Bundesvorsitzender und baden-württembergischer Spitzenkandidat der Partei „Die Linke“. © dpa | Franziska Kraufmann

Das Ost-West-Gefälle hat nicht nur mit unterschiedlichen Wählerschaften zu tun, sondern auch mit dem Personal: Die Spitzenleute der Linken im Osten sind in der Regel pragmatischer, teilweise regierungserfahren, die Partei ist gut verankert. Im Westen tendiert die Linke dagegen oft zur radikalen Nischenpartei, die keinen Zugang zu größeren Wählerschichten findet.