Washington/Chicago. Anhänger und Gegner Donald Trumps gehen nach der Absage seiner Wahlveranstaltung aufeinander los. Die Stimmung heizt Trump selber an.

Polizisten und Demonstranten, denen das Blut von der Stirn rinnt. Heftige Wortgefechte. Geballte Fäuste. Chaotische Szenen voller Wut und Tränen in Chicago. Der auf Polarisierung und Ausgrenzung setzende Wahlkampf des in Führung liegenden republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump hat in Amerika einen handfesten Eklat produziert.

Nach einer kurzfristig durch Trump selbst abgesagten Wahlveranstaltung in Chicago kam es am Freitagabend zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen seinen Anhängern und Hunderten Gegendemonstranten. Sie sehen in Trumps Tiraden gegen gesellschaftliche Minderheiten (Illegale Einwanderer, Mexikaner, Muslime) eine akute Gefahr für den sozialen Frieden. „Der Mann ist ein gefährlicher Spalter“, sagte der Aktivist Anthony Cage.

Videos zeigen die eskalierende Situation

Video-Aufzeichnungen belegen, wie aufgeheizt die Stimmung in der Universität von Illinois war, wo rund 8000 Besucher auf eine Rede von Trump warteten. Aber der New Yorker Bauunternehmer ließ sich nicht blicken. Ein Sprecher sagte die Veranstaltung mit dürren Worten ab – „aus Sicherheitsgründen“. Als sich plötzliche Hunderte Gäste als Trump-Gegner zu erkennen gaben, Parolen wie „Trump = Faschist“ riefen und Plakate der Trumpianer zerrissen, eskalierte die Situation. Es kam zu Handgemengen und Schreiorgien. Am Ende standen mindestens fünf Festnahmen.

Der republikanische Präsidentschaftsanwärter Donald Trump während einer Fernsehdebatte in Miami.
Der republikanische Präsidentschaftsanwärter Donald Trump während einer Fernsehdebatte in Miami. © REUTERS | CARLO ALLEGRI

Für Donald Trump kommt die Zuspitzung ungünstig. Am Donnerstag hatte der Unternehmer zum ersten Mal in neun Monaten bei einer Fernsehdebatte auf seine berüchtigten Standardanfeindungen gegen Andersdenkende verzichtet, einen fast präsidialen Ton angeschlagen und sich als Versöhner der heillos zerstrittenen republikanischen Partei gegeben. Trump wollte sich so vor den wichtigen Vorwahlen am kommenden Dienstag positionieren. Durch Siege in Ohio, Florida, Missouri, Illinois und North Carolina könnte der 69-Jährige seinen Vorsprung vor den Konkurrenten Ted Cruz, Marco Rubio und John Kasich um mehr als 250 Stimmen ausbauen. Der Weg zur Nominierung auf dem Parteitag der Republikaner im Juli in Cleveland, für die Trump 1237 Delegierte gewinnen muss, wäre ihm nach Berechnungen von Wahlanalysten dann kaum noch zu nehmen.

Trumps Rivalen nutzte den bisher beispiellosen Zwischenfall in Chicago umgehend zur Attacke. „Worte haben Konsequenzen“, sagte Marco Rubio. Ted Cruz stellte fest: „Die Verantwortung für den Stil und die Kultur einer Wahlkampagne fängt ganz oben an.“ Am deutlichsten wurde John Kasich. „Heute ist die Saat der Zwietracht aufgegangen, die Donald Trump die ganze Zeit über gesät hat“, sagte der Gouverneur von Ohio, „und die Früchte sind hässlich.“

Studenten rufen zum Protest gegen Trump auf

Dass Chicago Trump nicht mit offenen Armen empfangen würde, zeichnete sich seit Tagen ab. Studentische Gruppen in der von starken sozialen Spannungen geplagten Metropole hatten in einer konzertierten Aktion zum Protest aufgerufen. Sie sehen in Trump einen „Politiker, der Hass predigt und Amerika immer weiter auseinandertreibt“. Mehr als 10.000 Menschen hatten sich via Facebook zu der Gegendemonstration angemeldet, darunter viele Schwarze.

Mitauslöser für den starken Andrang könnte ein Zwischenfall im Bundesstaat North Carolina gewesen sein. Bei einer Wahlveranstaltung am Mittwoch in Fayetteville wurde der 26-jährige Afroamerikaner Rakem Jones nach Protest gegen Trump von der Polizei abgeführt. Dabei ließen es die Beamten zu, dass ein älterer, weißer Trump-Fan dem jungen Schwarzen brutal ins Gesicht schlug, obwohl er bereits in polizeilicher Obhut war. „Er hat es verdient“, sagte John McGraw später, „beim nächsten Mal müssen wir ihn vielleicht umbringen.“ Der 78-Jährige ist inzwischen wegen Körperverletzung angeklagt.

Danach gefragt, ob er die Aggressivität seiner Anhänger anheize und ihn somit eine Mitschuld für derartige Auswüchse treffe, erwiderte Trump: „Ich hoffe nicht.“ Es sei nun mal eine „große Wut“ im Land. Die richte sich aber gegen die Regierung in Washington.

Trump: „Ich würde dem Typen am liebsten ins Gesicht schlagen“

Die Realität legt einen anderen Befund nahe. Anstatt die Emotionen der von ihm hofierten Wutbürger zu dämpfen, spielt der Unternehmer konstant mit dem Hass und der Enttäuschung seiner Anhänger. Auf seinen Veranstaltungen kommt es regelmäßig zu Gewalt gegen Demonstranten. Trump duldet das nicht nur, er fördert es klammheimlich. Einige verdienten es, mal „hart rangenommen“ zu werden, sagte er kürzlich. Bei einem Auftritt in Las Vegas hatte er nach einer Störung gepoltert: „Ich würde dem Typen am liebsten selbst ins Gesicht schlagen.“ Im Februar hatte Trump seine Anhänger in Iowa dazu ermuntert, Störer „windelweich zu prügeln“.

Politische Beobachter sehen die schleichend wachsende Militanz mit Sorge. Mit jedem Sieg bei den noch bis Juni dauernden Vorwahlen werde der Widerstand gegen Trump wachsen, heißt es in Sicherheitskreisen. Ob die Ausschreitungen Trump an der Wahlurne schaden, bleibt abzuwarten. Der mediengewandte Geschäftsmann wird sich erfahrungsgemäß als Opfer der politischen Korrektheit darstellen und die Gefolgschaft seiner Anhänger einfordern. Letztere müssen am Sonntag einen weiteren Rückschlag verkraften. Eine große Trump-Kundgebung in Cincinatti im Bundesstaat Ohio wurde ebenfalls abgesagt – aus „Sicherheitsgründen“.