Berlin. Die ausländische Presse sieht die Zins-Entscheidung der Zentralbank überwiegend kritisch. EZB-Chef Mario Draghi kommt nicht gut weg.

Skepsis, Bedenken, offene Kritik – die Kommentare in der ausländischen Presse am Freitag nach der Null-Zinsen-Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) sind fast einhellig negativ. Einige glauben, EZB-Chef Mario Draghi habe nur ein weiteres Strohfeuer entfacht, andere sehen überhaupt keine schlüssige Strategie mehr bei der EZB. Aus Italien und Spanien kommt aber auch Beifall. Ein Überblick:

„Der Standard“ (Österreich): „Nun sind die Würfel gefallen: Draghi setzt alles auf eine Karte und versucht mit einer monströsen Flut an Geld einen Befreiungsschlag – von dessen Gelingen die wirtschaftliche Zukunft der Eurozone zu großen Teilen abhängt. Damit entsteht eine Situation, die genauso skurril ist, wie sie klingt: Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Gesamtwetterlage in Europa setzt Draghi just auf jene Maßnahmen, welche die Probleme herbeigeführt haben – nämlich eine zu laxe Geldpolitik, wie sie auf globaler Ebene seit Jahrzehnten praktiziert wird.“

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

„De Volkskrant“ (Niederlande): „Die Kreditkrise war entstanden, weil es zu billig war, sich Geld zu leihen und Unternehmen ebenso wie Verbraucher zu viele Schulden machten. Die EZB ist nun erneut dabei, das Schuldenmachen zu stimulieren. Damit ist das Risiko verbunden, dass diese Schulden die Wirtschaft später wieder in Schwierigkeiten bringen. Wenn Banken zu riskante Kredite vergeben, können neue Seifenblasen entstehen.“

„De Standaard“ (Belgien): „Das war mehr als die Finanzmärkte erwartet hatten, und sie reagierten anfangs auch begeistert. Doch dann trübte sich das Bild. Denn der Hintergrund der weiteren Lockerung der Geldpolitik ist keineswegs rosig. Die EZB stellt somit fest, dass ihre Therapie bislang nur unzureichend wirkt, und sie verdoppelt deshalb die Dosis ihrer Medizin. Derweil geht das Vertrauen in eine wirtschaftliche Erholung verloren.“

„Corriere della Sera“ (Italien): „Jetzt haben wir den Beweis, dass sich die Europäische Zentralbank auch dann nicht beeinflussen lässt, wenn ihre Kritiker so mächtig sind wie die Welt der deutschen Wirtschaft. Dass sie nicht schüchtern ist und sich auf jungfräuliches Gebiet wagt. Dass sie zu überraschen weiß. Tatsächlich hat sie mit einem komplexen Maßnahmenpaket überrascht und damit deutlich gemacht, dass sie nicht die Absicht hat, ihre Glaubwürdigkeit durch zögerliche Entscheidungen zu gefährden.“

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

„The Guardian“ (Großbritannien). „Die EZB kann nur Zeit erkaufen, aber nicht Europas Wachstumsprobleme lösen. Mario Draghis Maßnahmen werden nur kurzfristig greifen ohne Strukturreformen und aggressiveren Steuerpolitik der europäischen Regierungen.“

„El País“ (Spanien): „Die Entscheidungen der EZB sind eine verschlüsselte Botschaft an Berlin. EZB-Präsident Mario Draghi signalisiert damit der Bundesregierung, dass die Eurozone eine andere Finanzpolitik braucht. Europa kann die Stagnation überwinden, wenn Berlin zwei Dinge einsieht. Erstens muss Deutschland mehr investieren, vor allem in die Verbesserung der Infrastruktur. Zweitens kann eine niedrige Nachfrage durch staatliche Investitionen belebt werden. Europa muss ein Konjunkturprogramm finanzieren. Es wird nicht leicht sein, Berlin davon zu überzeugen. Daher muss Draghi seine Botschaft ständig wiederholen.“

„Neue Zürcher Zeitung“ (Schweiz): „Die EZB ist auf dem Holzweg. Das viele frische Geld dürfte kaum in der Realwirtschaft ankommen, sondern vielmehr die Blasenbildung an den Finanzmärkten verstärken. Der wichtigste Transmissionsmechanismus für die Übertragung geldpolitischer Impulse, die Kreditvergabe der Banken, wird durch negative Zinsen zusehends blockiert. So können die Banken die Negativzinsen kaum an Sparer weiterreichen, da diese ihr Geld sonst abheben und ,unter der Matratze’ horten könnten. Die überdosierte Medizin der EZB ist bisweilen nicht nur wirkungslos, sondern gar kontraproduktiv.“

„Wall Street Journal“ (USA): Mario Draghi hat am Donnerstag eine Party gegeben. Aber sie dauerte nur wenig länger als eine Stunde. Dann traten die Zweifel an der Fähigkeit der EZB, der Wirtschaft zu helfen, wieder in den Vordergrund.“ (dpa)