Brüssel/Berlin . Auf was haben sich die EU und die Türkei beim Flüchtlingsgipfel in Brüssel geeinigt? Warum gibt es keinen Beschluss? Ein Überblick.

Zwölf Stunden verhandelten die EU-Chefs mit der Türkei über eine Lösung in der Flüchtlingskrise. Am Ende gibt es noch immer keinen konkreten Beschluss – zumindest aber einige Punkte, in denen sich die Teilnehmer einig sind. Die Antworten zum Flüchtlingsgipfel im Überblick:

Worin sind sich die EU und die Türkei einig?

Die Verhandlungspartner haben sich bisher auf sechs Punkte geeinigt. So hat der türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu überraschend die Rücknahme aller in Griechenland neu ankommenden Flüchtlinge angeboten – stellte dafür aber auch weitreichende Gegenforderungen.

Zum einen soll die EU die Kosten dafür tragen. Zum anderen soll die EU alle Menschen legal aufnehmen, die als syrische Bürgerkriegsflüchtlinge eingereist sind. Wer sich als Flüchtling dennoch auf die Reise über die Ägäis macht, würde seine Chance auf eine baldige legale Aufnahme durch das Umsiedlungsprogramm riskieren.

Neben Mitteln für die Rücknahme der Migranten fordert die Türkei mehr Hilfe für die bereits 2,7 Millionen in der Türkei lebenden Flüchtlingen aus Syrien. Zudem verlangt Ankara schnelle Visa-Erleichterungen für türkische Staatsbürger sowie eine Beschleunigung der EU-Beitrittsverhandlungen. Bis Juni sollen neue Regeln stehen.

Weiterhin waren sich die Teilnehmer des Gipfels darüber einig, dass die humanitäre Situation in Syrien verbessert werden soll.

Welche Punkte sind strittig?

Zum einen steht noch nicht fest, wie viel Geld die Türkei zusätzlich zu den bisher zugesicherten drei Milliarden erhalten wird. Ankara fordert eine Verdoppelung der Hilfen auf sechs Milliarden. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet, dass die zusätzlichen drei Milliarden bis 2018 ausgezahlt werden sollen. In der abschließenden Erklärung des Gipfeltreffens gibt es jedoch keine Angaben zur genauen Summe.

Nach dem Gipfel hieß es, die EU-Chefs seien von dem Vorstoß Davutoglus überrascht worden – insbesondere, da Deutschland vorab informiert gewesen sein soll. Am Sonntag soll der türkische Ministerpräsident sein Anliegen an die Kanzlerin kommuniziert haben, berichtet Zeit Online. Demnach habe die Kanzlerin zu diesem Zeitpunkt mit dem niederländischen Regierungschef sowie dem amtierenden Ratsvorsitzenden Mark Rutte zusammengesessen, um den Gipfel vorzubereiten.

Außerdem sind vor allem Punkte strittig, bei denen die EU-Mitglieder untereinander nicht übereinstimmen. So sollte eigentlich in der Abschlusserklärung ein Satz auftauchen, der die „Balkanroute“ für geschlossen erklärt. Das allerdings scheiterte am Widerstand von Bundeskanzlerin Merkel.

Merkel habe befürchtet, dass so der Alleingang Österreichs und der Balkanstaaten bei den Grenzschließungen nachträglich gerechtfertigt worden wäre. Der Satz sei daher auf Druck aus Berlin umformuliert worden, berichten tagesschau.de sowie der Deutschlandfunk. Nun heißt es in dem Papier: „Bei den irregulären Migrationsströmen entlang der Westbalkanroute ist nun das Ende erreicht.“

Darüber hinaus lähmt die Verteilungsfrage die Suche nach einer gemeinsamen Lösung. Ungarn etwa verweigert sich weiterhin einer solidarischen Regelung und stellt sich komplett gegen eine Umsiedlung von Flüchtlingen direkt aus der Türkei. Über mögliche Lösungen wird gemutmaßt. CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz etwa sagte im Bayerischen Rundfunk dazu, dass sich die EU-Mitglieder seiner Meinung nach auf freiwilliger Basis einigen werden, Flüchtlinge von der Türkei zu übernehmen.

Widerstand gegen die türkischen Forderungen gibt es auch aus dem kleinen Mitgliedsland Zypern – die Regierung dort sperrt sich gegen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.

Kritik an den Plänen

NGOs und die Vereinten Nationen haben den Plan, Flüchtlinge, die nicht legal eingereist sind, zurück in die Türkei zu schicken, stark kritisiert. Solch ein Vorgehen würde gegen geltende Gesetze und das Recht auf Schutz verstoßen. Vincent Cochetel von UNHCR sagte: „Die kollektive Ausweisung von Ausländern ist im Rahmen der Europäischen Menschenrechtskonvention verboten.“

Wie geht es weiter?

Der nächste Gipfel ist für den 17. März geplant. Bis dahin sollen die Details ausgearbeitet werden. Wie soll die Rücknahme der illegalen Flüchtlinge erfolgen? Wie genau soll die Aufnahme erfolgen, wo soll das passieren? All das ist bisher ungeklärt.

Auch zu klären ist, ob die Umverteilungsregelung ausschließlich für Syrer gilt. Die angestrebte Lösung könnte nach den Worten von Merkel auch auf Flüchtlinge aus anderen Ländern ausgeweitet werden. „Bei den Irakern müssen wir noch einmal überlegen, ob wir dort auch in die Richtung von Kontingenten gehen würden, das ist in unserer europäischen Entscheidung“, sagte Merkel am Dienstag in einem SWR-Interview nach Angaben des Senders. Für die Türkei sei das Thema Syrien „natürlich von besonderer Wichtigkeit“.

Bereits am heutigen Dienstag sind der griechische Premier Alexis Tsipras und der türkische Ministerpräsident Davutoglu zu einem historischen Treffen im türkischen Izmir zusammengekommen. Dabei wollen die beiden Ägäis-Anrainerstaaten über die Aktualisierung des vor fast 15 Jahren abgeschlossenen bilateralen Abkommens über die Rückführung der Migranten reden. „Dieses Treffen könnte neue Wege öffnen, den Schleusern das Handwerk zu legen“, sagte Tsipras dazu.

Das Abschlussdokument des Gipfels finden Sie online hier. (she/jha/dpa/rtr)