Berlin. In drei wichtigen Bundesländern wird in einer Woche gewählt. Die aktuellen Umfragen deuten auf ungewohnte Konstellationen hin.

Regieren, das macht Angela Merkel mit links. Ab dienstags spult sie im Kanzleramt nur ihr Pflichtprogramm ab. Jeden Tag ist sie derzeit unterwegs für die CDU im Wahlkampf, noch am Sonnabend, kurz vor den Wahlen am 13. März in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Sie glaubt, die nächsten Tage würden „noch einmal sehr entscheidend sein“. Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel ist auf Achse, bildlich wie buchstäblich: Am Dienstag tourt der SPD-Chef mit dem Bus. Die Spannung ist überall groß.

Noch eine Woche. Die Umfragen lassen erahnen, dass unübersichtliche Mehrheitsverhältnisse drohen; schon „eingepreist“ ist dabei der Einzug der Alternative für Deutschland (AfD) in allen drei Landtagen. Zudem gilt der Urnengang als kleine Volksabstimmung über Merkels Flüchtlingspolitik. Wobei unklar ist, wie man ihr am besten den Rücken stärkt: Wirklich mit einer Stimme für ihre Partei?

Am meisten hat die SPD zu verlieren

SPD und Grüne überbieten sich mit Schützenhilfe für Merkel. Eine Soundprobe dieses paradoxen Wahlkampfs lieferte das TV-Duell in Rheinland-Pfalz, als SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer damit prahlte, dass sie „deutlicher“ hinter Merkels Strategie stehe als ihre Herausforderin von der CDU, Julia Klöckner.

Die Kanzlerin empfindet derlei Lob nicht als vergiftetes Geschenk, sie freut sich. Indes ist ihr bewusst, dass die CDU-Kandidaten „unter nicht immer ganz einfachen Bedingungen“ agieren. Der Grund dafür ist Merkels Flüchtlingspolitik.

Am meisten zu verlieren hat allerdings nicht die CDU, sondern die SPD. Sie ist in allen drei Regierungen vertreten. Wenn sie ihre Stellung denn verteidigen kann, dann unter ungünstigeren Kräfteverhältnissen und – für eine sogenannte Volkspartei – im Bonsaiformat. In Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg ist sie nur drittstärkste Kraft. Das muss nicht das Ende der Rutschbahn sein. Die AfD ist ihr auf den Fersen. Oder ist es umgekehrt? Wo stehen die Parteien kurz vor dem Endspurt?

• Baden-Württemberg
Wenn das alte Zirkuspferd die Musik hört, fängt es zu tänzeln an. Für den Wahlkampf der Grünen ließ sich Ex-Außenminister Joschka Fischer wieder einspannen, selten genug. Die Konstellation ist aber auch ungewöhnlich reizvoll. Seine Partei will weitere fünf Jahre den Ministerpräsidenten stellen und könnte die CDU als stärkste Kraft ablösen.

Die Signalwirkung ist so groß, dass Fischer es sich nehmen ließ, wie in dieser Woche in Karlsruhe an der Seite von Landesvater Winfried Kretschmann aufzutreten. Der Titel der Veranstaltung: „Auf dem richtigen Weg für die Zukunft Europas.“ Fischer als Weltenerklärer, Kretschmann als Merkel-Versteher.

Vor fünf Jahren konnte sich die CDU ihre Abwahl erklären, damals mit dem GAU in Fukushima, der eine Anti-Atom-Partei wie die Grünen beflügelte. Für die Niederlage, die nun droht, muss man die Gründe bei sich selbst suchen. Der Verweis auf die Flüchtlingskrise reicht nicht. In Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz schlägt sich die CDU besser. Laut „Politbarometer“ kommen die Grünen auf 32, die SPD auf 13 Prozent. Sie könnten ihre Koalition fortsetzen. Es sieht so aus, als hätte Kretschmann alle Trümpfe in der Hand.

• Rheinland-Pfalz

Auch dieser Wahlkampf fällt aus dem Rahmen, schon deshalb, weil zwei Frauen gegeneinander kämpfen, ein Novum. Dreyer zeigt Biss, ihre Partei ist bis auf einen Prozentpunkt an die CDU herangekommen. Es ist keine Wechselstimmung spürbar, sehr wohl aber eine Aufbruchstimmung unter den Christdemokraten. Seit 25 Jahren drücken sie die Oppositionsbänke. Nach langen Querelen glänzt der Verband durch Geschlossenheit.

Aber wenn man den Demoskopen glaubt, hängen die Trauben für alle hoch: Eine Mehrheit gäbe es weder für Rot-Grün noch für ein Bündnis aus CDU und FDP. Die Rheinland-Pfälzer sind vom Naturell versöhnliche Leute. Aber diesmal könnte es haarig und unübersichtlich werden. Die Verfassung schafft keine klaren Verhältnisse. Rheinland-Pfalz gehört zu den Ländern, in denen der Regierungschef mit der absoluten Mehrheit der Stimmen im Parlament gewählt werden muss; und in denen das alte Kabinett so lange im Amt bleiben kann, bis die Nachfolger gewählt sind.

Wenn sie die Nerven dazu hat, kann Dreyer lange an der Spitze einer Minderheitsregierung bleiben. Vorbilder: Hessen und NRW. Nach einem personalisierten „Malu-Wahlkampf“ wird die SPD ihre Spitzenfrau nicht aus dem Amt drängen. Der Wahlkampf wird auf beiden Seiten mit größter Intensität geführt. Drei Tage vor der Wahl läuft im Fernsehen die Elefantenrunde über die Bühne: mit der AfD (ein Politikum), aber ohne Dreyer (aus Prinzip).

Merkel hat Klöckner – in der Bundes-CDU ihre Stellvertreterin – nach Kräften unterstützt. Aber die Flüchtlingspolitik zerreißt die Partei. Mit einem eigenen „Plan A2“ hat Klöckner versucht, politisch wie sprachlich eine Brücke zwischen Befürwortern und Gegnern zu bauen. Klöckner hatte eine Alternative: handeln oder behandelt werden. Sie entschied sich für den aktiven Part. Prompt warf Dreyer – verkehrte Welt – ihr vor, Merkel „in den Rücken“ gefallen zu sein.

• Sachsen-Anhalt
Da hat es Reiner Haseloff leichter. Der CDU-Ministerpräsident gehört in der Flüchtlingspolitik zu den Hardlinern und rollte Merkel-Kritiker Horst Seehofer (CSU) im Wahlkampf einen XXL-langen roten Teppich aus. Es ist eine Ironie, dass die ostdeutsche Kanzlerin nirgendwo auf mehr taube Ohren stößt als in den neuen Ländern. Zugunsten der Landes-CDU trat sie seltener auf als in den beiden Westländern, nämlich nur zweimal. Haseloff scheint darüber nicht unglücklich zu sein.

In der ARD-Umfrage ist die CDU mit 31 Prozent stärkste Kraft. Die FDP kämpft, anders als in den anderen Ländern, bislang unterhalb der Fünfprozenthürde; es wird eng. Haseloff würde die große Koalition mit der SPD fortführen. Die Frage ist nur, ob es dazu noch reichen wird. Die SPD liegt mit 15 Prozent hinter der Linkspartei (21 Prozent) und der AfD (19 Prozent). Wer die Erosion der Volksparteien studieren will, der sollte am 13. März um 18 Uhr an einem Ort sein: in Magdeburg.