Berlin. Die EU-Grenzschutzagentur verzeichnet Erfolge bei der Registrierung von Flüchtlingen. Aber ihr Chef spricht von einer Notsituation.

Der Direktor der europäischen Grenzschutzagentur Frontex, Fabrice Leggeri, hat Grenzschließungen innerhalb der EU kritisiert. „Wenn einzelne Staaten ihre Grenzen schließen, hilft das nicht“, sagt Leggeri unserer Redaktion. Die Notsituation bleibe, hebt der Frontex-Chef im Interview hervor.

Wann wird Frontex in der Lage sein, die EU-Außengrenze wirksam zu kontrollieren?

Fabrice Leggeri Die Kontrollen sind bereits sehr wirksam. 80 Prozent aller Migranten werden an der EU-Außengrenze registriert. Unser Ziel ist: 100 Prozent. Jetzt sind wir in einer Ausnahmesituation: Mehr als 800.000 Menschen sind 2015 von der türkischen Küste in Richtung griechische Inseln aufgebrochen. Die meisten geraten in Seenot. Es ist unsere humanitäre Pflicht, diese Menschen zu retten und sicher an Land zu bringen. Wir helfen Griechenland bei der Registrierung. Wer Schutz vor Krieg sucht, bekommt Asyl.

Tragen nationale Schritte zur Grenzkontrolle dazu bei, den Flüchtlingszustrom zu bremsen?

Wenn einzelne Staaten ihre Grenzen schließen, hilft das nicht. Die Notsituation bleibt, und die Flüchtlinge suchen sich neue Wege nach Europa. Wir haben dass gesehen: Als Ungarn die Grenze mit einem Zaun abgeriegelt hat, kamen die Menschen über die Balkanstaaten in Richtung EU. Es kann nur eine europäische Lösung geben: eine Verteilung der Menschen in Europa und der Schutz des Schengenraumes. Dafür benötigt Frontex mehr Geld und mehr Personal. Ideal ist eine Einheit von 1500 Grenzbeamten, die immer einsatzbereit ist. Wir sind noch zu stark abhängig von der Bereitschaft der einzelnen EU-Staaten, Beamte für unsere Mission bereitzustellen.

Wie viele Flüchtlinge werden 2016 in die EU kommen – und über welche Routen?

Eine seriöse Prognose kann niemand machen. Wie viele Menschen nach Europa fliehen, hängt davon ab, ob die Kriege in Nahost und Afrika anhalten. Nur wenn Fluchtursachen bekämpft werden, geht die Zahl der Migranten zurück. Und damit ist nicht zu rechnen. Und doch sind wir gut aufgestellt: Wenn im laufenden Jahr noch einmal etwa eine Million Migranten in die EU kommen, dann wird das kein schlechtes Jahr. Bisher steht noch immer die Route über die Türkei, Griechenland und den Balkan im Fokus. Es ist nicht zu erkennen, dass sich das ändert. (chu)