Istanbul. Hinter dem Attentat in Ankara soll die verbotene Kurdenpartei PKK und ihr syrischer Ableger stecken. Die PKK weist die Vorwürfe zurück.

Die türkische Regierung macht die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und ihren syrischen Ableger YPG für den verheerenden Anschlag von Ankara verantwortlich. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte, ein 1992 in Syrien geborener Selbstmordattentäter der YPG habe die Tat mit Unterstützung der „separatistischen Terrororganisation“ PKK verübt.

Die PKK bestreitet eine Verwicklung in den Anschlag. Die syrische Kurdenpartei PYD erklärt zudem, sie sei nicht in den Anschlag von Ankara verwickelt. Die Türkei versuche vielmehr, die Kämpfe im Norden Syriens zu eskalieren, sagt Saleh Muslim, der Co-Vorsitzende der PYD, deren bewaffneter Arm die Kurdenmiliz YPG ist. Die YPG betrachte die Türkei nicht als Feind.

Regierung hält trotz Dementi an Vorwürfen fest

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagt, 14 Personen seien im Zusammenhang mit dem Anschlag festgenommen worden. Die Indizien sprächen dafür, dass die syrische Kurdenpartei PYD trotz ihres Dementis darin verwickelt sei.

Neun Menschen seien in Verbindung mit dem Anschlag festgenommen worden. Die YPG ist der bewaffnete syrische Ableger der PKK in der Türkei. Bei dem Anschlag waren mindestens 28 Menschen getötet und 61 weitere verletzt worden.

Die regierungsnahe Zeitung „Sabah“ berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise, der Selbstmordattentäter habe sein mit Sprengstoff beladenes Auto am Mittwochabend in einen Konvoi mit Bussen der Armee gesteuert und zur Explosion gebracht. Der Polizei sei es gelungen, den Angreifer anhand seiner Fingerabdrücke zu identifizieren. Diese seien dem Mann abgenommen worden, als er vermutlich gemeinsam mit syrischen Flüchtlingen in die Türkei gekommen sei.

Erdoğan schwört Vergeltung

Nach dem verheerenden Terroranschlag schwor der türkische Piräsident Recep Tayyip Erdoğan Vergeltung. Der Anschlag überschreite alle moralischen und menschlichen Grenzen. Sein Land werde die Urheber der Attacke bekämpfen, sagte Erdoğan. „Die Türkei wird nicht zögern, von ihrem Recht auf Selbstverteidigung jederzeit, überall und unter allen Umständen Gebrauch zu machen“, hieß es in einer Mitteilung Erdoğans. Er sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus und kündigte an, der Kampf gegen den Terror werde noch entschlossener weitergeführt.

Die türkische Luftwaffe bombardierte am Mittwochabend Stellungen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK im Nordirak, wie der irakische Fernsehsender Al Sumaria berichtete. Unklar war zunächst, ob die Luftschläge im Zusammenhang mit dem Terroranschlag von Ankara standen, zu dem sich zunächst niemand bekannte. Die PKK greift aber immer wieder türkische Sicherheitskräfte an. Sie hat zudem angekündigt, Angriffe auf staatliche Institutionen auszuweiten.

Soldaten unter den Toten

Ziel des Anschlags im Regierungsviertel Cankaya in der Nähe des Parlaments waren nach Angaben der Armee mehrere Busse, die Angehörige der Streitkräfte transportierten. Das Militär bestätigte, dass unter den Toten Soldaten seien, machte aber keine Angaben zu deren Anzahl. Nach Angaben des Provinzgouverneurs detonierte vermutlich eine Autobombe.

Tote bei Bombenanschlag in Ankara

Bei einem Bombenanschlag auf einen Konvoi der Armee in der türkischen Hauptstadt Ankara sind am Mittwochabend mehrere Menschen ums Leben gekommen.
Bei einem Bombenanschlag auf einen Konvoi der Armee in der türkischen Hauptstadt Ankara sind am Mittwochabend mehrere Menschen ums Leben gekommen. © dpa | Str
Ziel des Anschlags sei ein Militärkonvoi gewesen, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu, die sich auf Angaben des Büros des Provinzgouverneurs beruft.
Ziel des Anschlags sei ein Militärkonvoi gewesen, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu, die sich auf Angaben des Büros des Provinzgouverneurs beruft. © dpa | Str
Vermutlich sei eine Autobombe detoniert, hieß es am Abend. Auf Fernsehbildern waren ein großes Feuer und zahlreiche Krankenwagen zu sehen. Über Ankara stieg eine Rauchwolke auf.
Vermutlich sei eine Autobombe detoniert, hieß es am Abend. Auf Fernsehbildern waren ein großes Feuer und zahlreiche Krankenwagen zu sehen. Über Ankara stieg eine Rauchwolke auf. © dpa | Str
Rettungswagen transportierten nach der Explosion Verletzte ab.
Rettungswagen transportierten nach der Explosion Verletzte ab. © REUTERS | UMIT BEKTAS
Justizminister Bekir Bozdag sprach bei Twitter von einem „Terrorangriff“ und verurteilte die Tat. Den Angehörigen der Opfer sprach er sein Beileid aus.
Justizminister Bekir Bozdag sprach bei Twitter von einem „Terrorangriff“ und verurteilte die Tat. Den Angehörigen der Opfer sprach er sein Beileid aus. © REUTERS | UMIT BEKTAS
Zu der Detonation kam es im Regierungsviertel Cankaya vor einem Gebäude der Luftwaffe in der Nähe des Parlaments.
Zu der Detonation kam es im Regierungsviertel Cankaya vor einem Gebäude der Luftwaffe in der Nähe des Parlaments. © REUTERS | UMIT BEKTAS
Zunächst bekannte sich niemand zu dem Anschlag. Türkische Sicherheitskräfte sind in den vergangenen Monaten immer wieder zum Ziel von Anschlägen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK geworden.
Zunächst bekannte sich niemand zu dem Anschlag. Türkische Sicherheitskräfte sind in den vergangenen Monaten immer wieder zum Ziel von Anschlägen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK geworden. © REUTERS | UMIT BEKTAS
Gegen die PKK gehen die Sicherheitskräfte seit Mitte Dezember mit einer Offensive in der Südosttürkei vor.
Gegen die PKK gehen die Sicherheitskräfte seit Mitte Dezember mit einer Offensive in der Südosttürkei vor. © REUTERS | UMIT BEKTAS
In Ankara waren im vergangenen Jahr bei einem Bombenanschlag mehr als 100 Menschen getötet worden. Für die Tat wird die Extremistenmiliz IS verantwortlich gemacht.
In Ankara waren im vergangenen Jahr bei einem Bombenanschlag mehr als 100 Menschen getötet worden. Für die Tat wird die Extremistenmiliz IS verantwortlich gemacht. © REUTERS | UMIT BEKTAS
Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hat nach dem Bombenanschlag in Ankara seinen Besuch in Brüssel zu Gesprächen über die Flüchtlingskrise abgesagt. Das berichtete der Sender CNN Türk am Mittwochabend.
Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hat nach dem Bombenanschlag in Ankara seinen Besuch in Brüssel zu Gesprächen über die Flüchtlingskrise abgesagt. Das berichtete der Sender CNN Türk am Mittwochabend. © REUTERS | UMIT BEKTAS
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Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte nach dem Anschlag seinen Besuch in Brüssel zu Gesprächen über die Flüchtlingskrise ab, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete. Davutoglu wollte am Donnerstag in Brüssel mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras zusammenkommen. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan berief ein Sicherheitstreffen ein und sagte eine Reise nach Aserbaidschan ab.

Merkel verurteilt Anschlag aufs Schärfste

Kanzlerin Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier reagierten entsetzt auf den Bombenanschlag. „Die Bundesregierung verurteilt diesen neuerlichen terroristischen Akt auf das Schärfste“, sagte Merkel nach einer Mitteilung des Bundespresseamtes. Auch die EU und die USA verurteilten die Tat. Das Außenministerium in Washington teilte mit, man bestätige dem Nato-Partner Türkei im Kampf gegen die gemeinsame Bedrohung durch den Terrorismus aufs Neue die starke Partnerschaft beider Länder. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hofft, dass die Verantwortlichen rasch zur Rechenschaft gezogen würden. „In dieser tragischen Zeit stehen die Vereinten Nationen den Menschen und der Regierung der Türkei solidarisch zur Seite.“

Die türkische Regierung verhängte aus Gründen der „nationalen Sicherheit“ eine Nachrichtensperre über den Anschlag, die aber nicht offizielle Verlautbarungen betrifft. Die pro-kurdische Oppositionspartei HDP – der Erdogan eine Nähe zur PKK vorwirft – verurteilte den Anschlag.

Armee bekämpft PKK seit Mitte Dezember

Türkische Sicherheitskräfte sind in den vergangenen Monaten vor allem in der Südosttürkei immer wieder Ziel von Anschlägen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK geworden. Im September starben bei einem PKK-Anschlag im südosttürkischen Ort Daglica 16 Soldaten.

Die Armee geht seit Mitte Dezember mit einer Offensive gegen PKK-Kämpfer vor, die sich in Städten im überwiegend von Kurden bewohnten Südosten der Türkei verschanzt haben. In mehrere Bezirken gelten seitdem Ausgangssperren. Zuletzt hatte die Armee ihren Einsatz in der Nacht zum Mittwoch auf die Stadt Idil ausgeweitet. Ein mehr als zwei Jahre anhaltender Waffenstillstand zwischen PKK und türkischer Regierung war im Juli gescheitert. Seitdem eskaliert der Konflikt.

Auch IS verübte Anschlag in der Türkei

In der Vergangenheit kam es jedoch auch immer wieder zu Anschlägen, die nicht von der PKK verübt wurden, sondern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) oder linksterroristischen Gruppen angelastet wurden. Im vergangenen Monat riss ein Selbstmordattentäter in Istanbul elf deutsche Touristen mit in den Tod. Die Regierung machte den IS für diese Tat verantwortlich.

Im Oktober waren in Ankara beim schwersten Anschlag in der jüngeren Geschichte der Türkei mehr als Hundert Menschen getötet worden. Ziel waren damals Teilnehmer einer regierungskritischen Friedensoperation. Die Regierung machte auch dafür den IS verantwortlich. (dpa)