Washington. Der Republikaner Jeb Bush galt als Favorit im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur. Dann kam Trump. Nun soll Bruder George helfen.

Kann man sich in letzter Minute Charisma und Autorität leihen? Kann man Vertrauen und Sympathie weitergeben wie einen gebrauchten Mantel? Am Samstag weiß man mehr. Wenn der republikanische Präsidentschaftskandidat Jeb Bush bei den Vorwahlen im Südstaat South Carolina mit Pauken und Trompeten untergehen sollte, was die Umfragen nahelegen, dann ist nicht nur eine der ungewöhnlichsten Rettungsaktionen in der amerikanischen Politik als gescheitert zu betrachten. Es wäre auch das wahrscheinliche Ende einer Dynastie.

Zugetragen hat sie sich die „Aktion Sorgenbruder“ am Montagabend in North Charleston. Vor 3000 Zuhörern und den Live-Kameras vieler Fernsehsender bemühte sich George W. Bush., 43. Präsident der USA, den bis zur Dach-Reling im Schlamm steckenden Wahlkampf-Karren seines Bruders Jeb wieder auf die Straße zu bringen.

Bush-Kampagne ist dem Tod nahe

Obwohl mit dem meisten Spendengeld und dem schlagkräftigsten Kampagnen-Apparat ausgestattet, dümpelt der 63-jährige ehemalige Gouverneur Floridas im Schönheitswettbewerb um das konservative Bewerberticket für das Weiße Haus meilenweit hinter den Populisten Donald Trump, Ted Cruz und Marco Rubio hinterher.

Ohne ein gutes Ergebnis in South Carolina (mindestens Platz 3) gilt wohl endgültig das, was die Zeitung „Boston Globe“ über den Bush-Wahlkampf bereits vor Tagen schrieb: Er ist dem Tod so nahe, „dass man ihm genauso gut ein Schild an den Zeh hängen kann“.

Ex-Präsident George W. Bush mit natürlicher Autorität

George W. Bush, seit der Schlüsselübergabe an Barack Obama im Januar 2009 als „homo politicus“ vollständig abgetaucht, hat sich beim Reanimierungsversuch auf das besonnen, was seinem oft steif und unbeholfen auftretenden Bruder abgeht: natürliche Autorität und angeborener Schalk.

Er sei ja bekanntlich unter die „Öl-Maler“ gegangen, sagte der 69-Jährige, der mit seinem vollen Haar und dem lässigen Jackett an der Seite von Gattin Laura wie ein in sich ruhender Rentner wirkt, aber natürlich wisse er, dass die Signatur am Bildrand entschieden „mehr wert ist als das Gemälde an sich“. Die Lacher brachen im Nu das Eis. South Carolina, dem Bush-Clan traditionell zugetan, hörte aufmerksam zu.

„Ich verstehe, dass die Amerikaner wütend und frustriert sind, aber wir brauchen im Oval Office keinen, der Wut und Frustration spiegelt und anheizt“, sagt der Mann, der Amerika den Irak-Krieg gebracht hat, „wir brauchen jemanden, der die Probleme löst, die Wut und Frustration ausgelöst haben – und das ist Jeb Bush.“

Klar wie selten umriss Jeb Bush seine Amerika-Vision

Die Breitseite war, ohne dass der Name auch nur einmal fiel, natürlich Donald Trump gewidmet. George W. Bush hasst den Mann, der seinem Bruder mit allen Mitteln den Weg ins Weiß Haus verbarrikadieren will. „Dabbeljuhs“ Botschaft ist simpel: Nur der Name Bush steht für „wohlüberlegte“ Entscheidungen, für „gesundes Urteilsvermögen“ – alle anderen Bewerber sind unberechenbare Marktschreier, die das ohnehin zerrissene Land nur noch mehr polarisieren würden. Bushs Merksatz: „Nach meiner Erfahrung ist nicht der Lauteste im Raum auch der Stärkste.“ Der Applaus dafür fiel üppig aus.

In seinem „großen kleinen Bruder“ muss die Tonlage neue Kräfte freigesetzt haben. Klar und vorwärtsdrängend wie selten umriss Jeb Bush seine Amerika-Vision. Von der „Energielosigkeit“, die Trump ihm aus Lust an der Provokation regelmäßig attestiert, war nichts zu spüren. „Warum erst jetzt?“, fragten sich später viele Besucher, darunter Hunderte Armee-Angehörige und Veteranen, „warum hat Jeb nicht schon vor Monaten unmissverständlich klargestellt, dass er der einzige Erwachsene im Raum ist?“.

Jeb Bush ist von Natur kein Mann für Frontalangriff und ätzende Polemik

Die Antwort ist bekannt, wird aber oft verschwiegen: Jeb Bush ist von Natur kein Mann für Frontalangriff und ätzende Polemik. Sein auf Abwägen und Vermitteln gründendes Politikverständnis liegt quer zum Randale-Bedarf weiter Teile der aufgebrachten republikanischen Wählerschaft.

Dass er in der Not nun ganz auf die Familie setzt, dass er nach seiner Mutter Barbara, die in New Hampshire den Wählern via Fernsehen gütig ins Gewissen redete, nun auch seinen Bruder in die Pflicht nimmt, geht mit Risiken einher. Zu Beginn des Wahlkampfes im Sommer war es fast so, als wollte Bush III seinen Namen ablegen. „Jeb!“ taufte er seine Kampagne. Und viele Medien machten sich nicht nur über das Ausrufezeichen lustig. Wann immer er nach seinem Vater, Präsident Nr. 41, und Bruder, Nr. 43. gefragt wurde, knötterte Bush III genervt: „Leute, ich liebe mein Familie. Aber ich bin mein eigener Herr.“ Wirklich? Dass er Tage benötigte, um den Irak-Krieg seines Bruders erst konsequent und dann doch grundfalsch zu finden, haben ihm bis heute viele nicht verziehen.

Trump, Cruz und die anderen Widersacher, die vor den Wahlen in South Carolina in Meinungsumfragen teilweise mit 25 Prozent vor Jeb Bush liegen, haben den Auftritt der Gebrüder B. mit Genugtuung registriert. Er bietet ihnen Angriffsflächen, die in Wählerschichten wirken könnten, die George W. Bush bis heute für einen historischen Fehlgriff halten. Für Donald Trump ist der Beweis erbracht, dass Jeb nicht auf eigenen Beinen stehen kann. Zuletzt nannte er ihn Mama-Söhnchen. Das Etikett „Bruder Leichtfuß“ wird folgen.