Frankenthal. In Rheinland-Pfalz nähert sich der Wahlkampf seinem Höhepunkt. Kanzlerin Angela Merkel unterstützt Kandidatin Klöckner. Ein Ortsbesuch.

Wieder hat die Alternative für Deutschland (AfD) einen Punkt dazugewonnen. In Rheinland-Pfalz steht sie nach der neuesten Umfrage bei neun Prozent. Bei der Wahl am 13. März könnte das Ergebnis zweistellig werden.

CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner wird mit der ungeliebten Konkurrenz freilich allein streiten müssen. Auf Angela Merkel, die am Donnerstag in den Wahlkampf gestartet ist, kann sie nicht setzen. Die Kanzlerin geht bei ihrem Auftritt in Frankenthal in ihrer Rede mit keinem Wort auf die AfD ein. Ebenso wenig setzt sie sich mit der Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik auseinander.

Es gibt in der Union mindestens drei Arten, mit der AfD umzugehen: Indem man wie die CSU ihre Themen aufgreift. Indem man sie attackiert – wie Finanzminister Wolfgang Schäuble. Oder indem man sie ausblendet. Wie Merkel.

Merkel zieht ihre Linie knallhart durch

Merkel ist absolut entschlossen, ihre Linie kompromisslos durchsetzen. Sie macht keine Abstriche, auch nicht im Wahlkampf. Sie habe „selten so viel“ wie zuletzt darüber nachgedacht, „was uns Christdemokraten ausmacht“, erzählt Merkel vor den rund 800 Anhängern. Die CDU müsse zwar nach Lösungen suchen, den Zuzug reduzieren, „aber so, dass wir unsere Werte nicht über Bord werfen“. Sie kämpft für eine europäische Lösung, für eine bessere Sicherung der Außengrenzen. Aber sie will genauso die offenen Grenzen im Schengen-Raum nicht aufgeben.

Natürlich hat sie auch in der Pfalz wiederholt, dass die reinen Armutsflüchtlinge abgeschoben werden müssen. Aber ein Prinzip verteidigt sie eisenhart: „Wer vor Terror, vor Krieg flieht, der hat bei uns den Schutz verdient.“ Es ist die Passage, für die Merkel mit den größten Beifall erhält.

Man kriegt es nicht zusammen: den zunehmenden Verdruss im Land, den Aufstieg der AfD und den Jubel für „die mächtigste Frau der Welt“, wie Merkel in Frankenthal angekündigt wird. Die Kanzlerin bewegt sich in der Pfalz wie in einer Blase, umgeben von Freunden und von viel Verständnis. Die Kritiker kommen nicht, sind womöglich nicht mehr in der CDU. Sie sind wie die drei Männer in der letzten Reihe, die plötzlich die Fäuste hochreißen, „Merkel muss weg“ rufen. Sie werden vom Applaus der Merkel-Anhänger übertönt. Nach zwei Minuten zieht das Trio den Schwanz ein und verlässt den Saal.

Lokalmatador in Frankenthal

Die CDU ist als Partei dabei, sich zu verändern, in Rheinland-Pfalz bislang nicht zu ihrem Nachteil. Denn die aktuelle Umfrage im Auftrag des SWR zeigt auch, dass die CDU unverändert bei 37 Prozent liegt, stärkste Partei ist und ihre Pole-Position im Rennen verteidigt, weit vor ihrer Hauptkonkurrenz: vor der SPD. Nach 20 Jahren in der Opposition hat die CDU diesmal das Gefühl, dass wir es „reell schaffen können“, wie Christian Baldauf sagt, der örtliche CDU-Abgeordnete und Lokalmatador in Frankenthal.

Der Aufstieg der AfD geht momentan im Ergebnis nicht auf Kosten der CDU, auch nicht unmittelbar der SPD, die bei 31 Prozent verharrt, wie festzementiert. Es sind die Grünen (acht) und die Linke (vier), die jeweils einen Prozentpunkt verlieren. Und es ist die FDP, die einen Punkt gewinnt und gerade bei sechs Prozent liegt. Klöckner ist ihrem Ziel nahe, die SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer abzulösen und womöglich zusammen mit der FDP doch noch eine knappe Mehrheit der Sitze im Mainzer Landtag zu erringen. Es wird eng. Aber es ist machbar. Vor allem aber zeichnet sich eine politische Sternenkonstellation ab, bei der sich die CDU faktisch damit arrangiert, dass sich rechts von ihr eine neue Partei etabliert. Ein Teil von Merkels Streit mit CSU-Chef Horst Seehofer geht auf den Dissens über den richtigen Umgang mit der AfD zurück. Seehofer ist in der Klöckner-CDU allerdings kein gefragter Mann. Für den Wahlkampf wurde er nur einmal als Redner gebucht, ausgerechnet in Oggersheim, wo Altkanzler Helmut Kohl lebt, die Inkarnation der alten CDU.

Wahlkampf in der Provinz heißt: Die Stammwähler mobilisieren

Nach Frankenthal in der Pfalz absolvierte Merkel am Abend einen weiteren Auftritt in Montabaur im Westerwald. Am Aschermittwoch ist nicht alles vorbei, da begann er erst – der Wahlkampf. Am 13. März wird zwar auch in Sachsen-Anhalt und in Baden-Württemberg gewählt. Aber in Rheinland-Pfalz ist die CDU-Chefin am stärksten unterwegs. Dann weicht Klöckner nicht von ihrer Seite. Sie hat keinen Grund, ihre Merkel-freundliche Linie gerade jetzt zu ändern; ein Wahlkampf gegen Berlin ist tabu. Die Spitzenkandidatin hält Merkel die Treue, aus Kalkül, aus Überzeugung und aus Loyalität – sie ist ihre Stellvertreterin als CDU-Chefin. In Sachsen-Anhalt sagte Merkel zwei Auftritte zu, im Ländle acht, in Rheinland-Pfalz aber noch einen mehr. Der Treuebonus für Klöckner.

Die Spitzenkandidatin macht das Beste aus der CDU-Schwäche in den Großstädten. Sie lässt Merkel in kleinen und mittelgroßen Zentren auftreten, wie in Frankenthal mit knapp 47.000 Einwohnern. Die Provinz ist ein CDU-Biotop. Für die kommenden Wochen gilt es, hier Stammwähler zu mobilisieren – eine Art Immunisierung gegen die AfD.