Berlin. Parallelen zwischen der Merkel-Regierung und Honecker? CSU-Chef Seehofer hat es einmal mehr geschafft, Empörung in der Politik auszulösen.

In der Politik wachsen parteiübergreifend Ärger und Unverständnis nach der umstrittenen Kritik des CSU-Chefs Horst Seehofer an der Asylpolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Seehofer habe „jedes Maß verloren“, sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley. Seine Äußerungen über eine „Herrschaft des Unrechts“ in Deutschland seien wirr und in hohem Maße irritierend.

„Entweder zieht er damit historische Verbindungen, die unerhört sind. Oder er hat schlicht kein Geschichtsbewusstsein“, sagte Barley. In der CDU wollen viele Spitzenpolitiker nicht öffentlich Stellung nehmen. Der Landesvorsitzende und Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier, äußerte dagegen seine Empörung. „Herr Seehofer spielt mit seinen Äußerungen den Gegnern von Demokratie und Rechtsstaat in die Hände“, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Caffier warf dem CSU-Vorsitzenden vor, er selbst schüre die Unsicherheit und Unzufriedenheit in der deutschen Bevölkerung.

Oppermann: „Verschärft Krise in Union“

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sprach in der „Süddeutschen Zeitung“ von einem „üblen Missgriff“ des CSU-Vorsitzenden. Der bayerische Ministerpräsident hatte in der „Passauer Neuen Presse“ von einer „Herrschaft des Unrechts“ gesprochen, weil Flüchtlinge und Migranten ohne gültige Einreisepapiere ungehindert ins Land kommen dürfen. Formulierungen wie „Herrschaft des Unrechts“ verwendete die CSU bisher für Diktaturen wie die frühere DDR.

„Horst Seehofer benutzt eine bösartige Formulierung, um Angela Merkel zu treffen“, so Oppermann. Der indirekte Vergleich mit dem DDR-Politiker Erich Honecker werde „die Krise in der Union weiter verschärfen“, sagte der SPD-Fraktionschef voraus.

CDU-Bundesvize Armin Laschet wies die Kritik von Seehofer ebenfalls zurück. „In Integrationskursen vermitteln wir, dass die Herrschaft des Rechts gilt in unserem Land. Nichts anderes einreden lassen“, schrieb er auf Twitter. Grünen-Politikerin Renate Künast hält die Äußerungen von Seehofer über Unrecht in Deutschland „schlichtweg für falsch“. Zwar kämen einige Normen des Asylrechts gerade kaum zur Geltung, sagte die Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestags. „Dafür hat Angela Merkels Grenzöffnung der Genfer Flüchtlingskonvention zur Geltung verholfen.“ Es laufe ihr „kalt den Rücken herunter, wenn ich dran denke womit sich Horst Seehofer noch verbal steigern könnte“.

Bartsch: „Dann muss CSU Regierung verlassen“

Linken-Politiker Dietmar Bartsch hat die CSU aufgefordert, die Bundesregierung zu verlassen. „Wenn der CSU-Vorsitzende bei der Bundesregierung, die durch seine Partei mitgetragen wird, eine „Herrschaft des Unrechts“ ausmacht, muss die CSU umgehend die Bundesregierung verlassen“, erklärte der Fraktionschef der Linken in einer Mitteilung. Nach der Logik Seehofers seien die CSU-Bundesminister Vollstrecker des Unrechts.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer nahm seinen Parteivorsitzenden in Schutz. „Die Entscheidung vom letzten Jahr war falsch. Die hat dazu ausgelöst, dass es millionenfachen Zustrom nach Deutschland gibt, der unbegrenzt ist, der teilweise illegale Einreise bedeutet, und von daher hat der Parteivorsitzende und bayerische Ministerpräsident Recht, wenn er mit diesem Begriff umgeht“, sagte Scheuer im ZDF-„Morgenmagazin“.

„Und wir werden es klarstellen in den nächsten Monaten, wir bleiben auf Kurs, dass wir die Herstellung von Recht und Ordnung wollen. Und das wird auch klar formuliert von der CSU.“ Scheuer bezog sich auf die am 4. September von Merkel verkündete Grenzöffnung für Flüchtlinge.

Familiennachzug in der Diskussion

Unterdessen rechnet der stellvertretende SPD-Vorsitzende Olaf Scholz im Koalitionsstreit über das Asylpaket II mit einer raschen Einigung. „Die Frage des Familiennachzugs von jugendlichen Flüchtlingen wird in dieser Woche endgültig geklärt“, sagte der Hamburger Regierungschef der „Passauer Neuen Presse“. Er ergänzte: „Sigmar Gabriel hat sich für Einzelfallentscheidungen ausgesprochen. Das halte ich für den richtigen Weg.“

Widerspruch kam vom Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner: „Es ist irrsinnig, die Asylverfahren durch Einzelfallprüfungen noch weiter zu bürokratisieren. Familien gehören zusammen“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Bei dem Koalitionsstreit geht es darum, ob auch für unbegleitete Kinder und Jugendliche wie für andere Flüchtlinge mit eingeschränktem („subsidiärem“) Schutz der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt sein soll. Das Bundeskabinett hatte vergangenen Mittwoch einen Gesetzentwurf gebilligt, der entsprechende Einschränkungen vorsieht. Kurz darauf hatte Gabriel moniert, mit ihm sei eine solche Regelung nicht verabredet gewesen. (dpa)