Aleppo. Eine Offensive der Assad-Armee lässt die Lage in Syrien wieder eskalieren: 30.000 Flüchtlinge harren an der Grenze zur Türkei aus.

Schwere Gefechte beim Vormarsch der Truppen des Despoten Assad in Nordsyrien zwingen Zehntausende Bewohner der Region um die Großstadt Aleppo zur Flucht in Richtung Türkei. Bis zu 30.000 syrische Flüchtlinge harrten am Freitag nahe der geschlossenen Grenze aus, wie das UN-Büro für Nothilfekoordinierung (OCHA) in Amman am Freitag der mitteilte. Ob und wann die Menschen in die Türkei eingelassen werden würden, war zunächst unklar.

Die türkische Regierung rechnet mit bis zu 70.000 Flüchtlingen aus der Region um Aleppo, Menschenrechtler gehen von etwa 40.000 Vertriebenen in der Provinz aus. Die Türkei hat mit 2,5 Millionen Menschen bereits die meisten Menschen aus dem Bürgerkriegsland aufgenommen.

Bundesregierung macht Moskau mitverantwortlich

Die Bundesregierung und die Nato machten Assads Verbündeten Russland wegen der massiven Luftschläge mitverantwortlich für die Entwicklung. Syrische Regimetruppen rückten in der Region am Freitag mit Hilfe russischer Luftangriffe weiter vor: Zusammen mit verbündeten Kämpfern der Schiitenmiliz Hisbollah und iranischen Einheiten eroberten sie die Stadt Ratjan – insgesamt wurden auf beiden Seiten mehr als 120 Menschen getötet.

Die Truppen von Syriens Machthaber Baschar al-Assad hatten zuletzt die wichtigste Nachschubroute der Rebellen aus der Türkei gekappt und auch den Belagerungsring um zwei Dörfer der Regimeanhänger nach drei Jahren durchbrochen.

Aleppo ist die letzte Hochburg der Rebellen

Während das Regime den Westen Aleppos kontrolliert, beherrschen Rebellengruppen den Osten und den Süden des Stadtgebietes. Mit der Offensive der Regierungseinheiten läuft das letzte große Stadtzentrum in Rebellenhand Gefahr, eingekesselt zu werden.

Die Bundesregierung appellierte an Russland, seiner Verantwortung für die Lösung des Syrien-Konflikts gerecht zu werden. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Regierungen, die für die Angriffe auf Aleppo verantwortlich seien, „scheinen ein Scheitern der Bemühungen um eine politische Lösung in Kauf zu nehmen“. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warf Russland vor, den Konflikt mit seinen Bombardements gegen Rebellen anzuheizen.

Hoffnung auf Gespräche in München

Moskau wies die Schuldzuweisungen zurück. Russland setze sich für eine friedliche Lösung des Konflikts ein, unterstütze die syrische Regierung aber im Kampf gegen den Terrorismus, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Die russische Luftwaffe unterstützt seit Ende September die Offensive der syrischen Regierungstruppen mit Raketen- und Bombenangriffen.

Einen Tag vor dem Start der Münchner Sicherheitskonferenz sollen die Friedensgespräche für Syrien wieder in Gang gebracht werden. In der bayerischen Landeshauptstadt ist eine Syrien-Verhandlungsrunde mit Vertretern aus fast 20 Staaten geplant. Das Auswärtige Amt geht davon aus, dass auch die Außenminister Saudi-Arabiens und des Irans teilnehmen werden. Es wäre die erste Begegnung von Regierungsvertretern der beiden Rivalen seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen Anfang Januar. (dpa)