Berlin. Der Staat will mehr Stellen bei der Polizei. Doch unsere Umfrage zeigt: Viele Bundesländer sparen weiter. Nur ein Land stockt auf.

Vor dem Hintergrund von Terrorgefahr und Flüchtlingskrise mehren sich Stimmen, die einen starken Staat fordern. „Unser demokratischer Rechtsstaat darf angesichts der wachsenden Gewalt und Kriminalität nicht handlungsunfähig oder wehrlos erscheinen“, heißt es in einem Positionspapier des sogenannten Seeheimer Kreises, dem konservativen Flügel der SPD. Die Forderung der Sozialdemokraten: Zehntausende neue Stellen bei Zoll, Armee und Polizei. Nach Jahren des Personalabbaus in den Sicherheitsbehörden sei nun die Zeit für eine Trendumkehr und ein „grundsätzliches Umdenken“.

Doch sind die Bundesländer davon noch weit entfernt. Eine Umfrage unserer Redaktion in allen 16 Ländern zeigt: Fast überall stagniert die Zahl der Stellen, in vielen wird sogar noch im Jahr 2016 eisern gespart. Besonders schwach ausgestattet sind die Behörden in den östlichen Bundesländern: Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg haben in den vergangenen Jahren den Polizeiapparat immer mehr ausgedünnt. Aber auch in Rheinland-Pfalz und im Saarland schrumpfte die Mannschaftsstärke in den vergangenen Jahren.

In diesen Bundesländern waren die Einschnitte besonders groß:

  • Sachsen-Anhalt: Im Jahr 2013 verfügte die Behörde über insgesamt 6765 Beamte im Vollzug. Diese Zahl schrumpfte im vergangenen Jahr auf 6489. Für 2016 sind laut Innenministerium 277 Altersabgänge und nur 150 Neueinstellungen geplant.
  • Sachsen: Insgesamt 10.904 Polizeivollzugsbeamte hatte der Freistaat im Jahr 2013. Im vergangenen Jahren waren es nur noch 10.820. Und die Zahl sinkt wohl weiter: Insgesamt 10.772 Stellen sind für 2016 laut dem zuständigen Ministerium vorgesehen.
  • Saarland: Während die Polizei vor drei Jahren noch 3507 Mitarbeiter hatte, schrumpfte die Zahl im vergangenen Jahr auf 3434. Zum Ende dieses Jahres soll es dem Innenministerium zufolge nur noch 3357 geben.

Hilfspolizisten: Ausbildung in nur zwölf Wochen

Die Behörden steuern mit verschiedenen Taktiken gegen den Abwärtstrend. Das Innenministerium in Sachsen-Anhalt zum Beispiel diskutiert, ob es Berufssoldaten einstellen sollte. Auch das Nachbarland Sachsen denkt um: Der Freistaat reagierte auf den Personalnotstand mit speziellen Wachpolizisten, die in nur zwölf Wochen ausgebildet werden. Die Ausbildung eines Polizisten dauert in der Regel drei Jahre. Zu den Aufgaben der Wachpolizisten sollen vor allem der Objekt- und Personenschutz gehören – also auch die Bewachung von Flüchtlingsheimen.

Eine ähnliche Strategie verfolgt das Saarland: Hier plant die Behörde einen sogenannten Polizeilichen Ordnungsdienst (POD), eine Art Hilfspolizei. Nach einer dreimonatigen Ausbildung wie in Sachsen sollen Anfang Juli insgesamt 30 dieser Hilfspolizisten zum Einsatz kommen. „Hierzu werden dem POD polizeiliche Standardbefugnisse wie zum Beispiel Platzverweis, Identitätsfeststellung, Anwendung einfachen unmittelbaren Zwanges ohne Waffen übertragen“, heißt es aus dem saarländischen Innenministerium.

In Brandenburg hat sich die rot-rote Koalition darauf verständigt, den Personalabbau zu stoppen. Die Entscheidungen stehen aber noch aus. Die Beratungen zum nächsten Haushalt müssten abgewartet werden, heißt es aus dem Innenministerium.

In vielen Bundesländern stagniert Personal

Zahlen des Statistischen Bundesamts belegen, dass im Öffentlichen Dienst in den vergangenen zehn Jahren massiv Stellen bei der Polizei eingespart worden sind. Als eines der wenigen Länder, die Polizisten einstellen, sticht Bayern heraus: Während dort im Jahr 2013 noch 39.666 Beamte ihre Dienst taten, waren es im vergangenen Jahr 40.351. Für das Jahr 2016 soll die Mannschaft auf 41.370 Polizisten anwachsen. „Dieser kräftige Stellenaufbau ist einmalig in Deutschland“, heißt es aus dem bayerischen Innenministerium.

In einigen Ländern pendelte sich die Personalstärke auf nahezu gleichbleibendem Niveau ein. Niedersachsen hatte noch im Jahr 2013 18.145 Polizisten, vergangenes Jahr dann 18.117. In Nordrhein-Westfalen verfügte die Polizei vor drei Jahren über 40.032 Stellen und im Jahr 2015 über 40.202. Auch in Hamburg, Bremen, Berlin und Baden-Württemberg zeichneten sich keine großen Veränderungen ab.

Kritik kommt nicht nur von den Polizeigewerkschaften. Die Sozialdemokraten vom konservativen Seeheimer Kreis bemängeln, dass die Sicherheitsbehörden infolge des jahrelangen Sparkurses nur eingeschränkt handlungsfähig seien. „Nicht fehlende oder schwache Gesetze sind das Problem, sondern deren Durchsetzung.“ Und weiter: „Wenn es uns nicht gelingt, den Staat zu einem wirklich starken Staat zu machen, werden die Populisten von der AfD und andere radikale Gruppen weiteren Zulauf erhalten.“ (mit dpa)