Jerusalem. Adolf Eichmann war einer der Hauptorganisatoren der Judenvernichtung. In einem jetzt publizierten Gnadengesuch zeigte er keine Reue.

Mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Verurteilung und Hinrichtung von Adolf Eichmann hat Israel ein Gnadengesuch des deutschen NS-Verbrechers veröffentlicht. Das handschriftliche Dokument und eine Kopie in Schreibmaschinenschrift wurden anlässlich des internationalen Holocaust-Gedenktags an diesem Mittwoch erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.

Der SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann hatte während der Nazi-Zeit die Deportation und Vertreibung von Millionen Juden im besetzten Europa organisiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg flüchtete Eichmann nach Argentinien. 1960 wurde er dort von Agenten des israelischen Geheimdiensts Mossad entführt und nach Israel gebracht. Ende 1961 wurde er in Jerusalem zum Tode verurteilt und im Jahr darauf hingerichtet.

NS-Kriegsverbrecher Adolf Eichmann (2.v.l) während seiner Vernehmung am ersten Prozesstag im Bezirksgericht in Jerusalem.
NS-Kriegsverbrecher Adolf Eichmann (2.v.l) während seiner Vernehmung am ersten Prozesstag im Bezirksgericht in Jerusalem. © dpa | dpa

Im Zuge einer Digitalisierung von Archivmaterial im israelischen Präsidialamt in Jerusalem seien juristische Experten überraschend auf das wichtige Zeitdokument gestoßen, sagte ein Sprecher des Staatspräsidenten Reuven Rivlin am Mittwoch. Es sei zwar bekannt gewesen, dass Eichmann schriftlich um seine Begnadigung gebeten habe, so der Sprecher weiter. „Es wusste nur lange niemand, wo der Brief aufbewahrt wurde.“ Nach Angaben seines Büros sagte Rivlin: „Das Böse in Eichmann war offensichtlich.“ Er sei für den Mord an ganzen Familien verantwortlich. Der historische Prozess gegen Eichmann in Israel habe einen „Bann des Schweigens gebrochen“.

Adolf Eichmann spielt Verantwortung herunter

In dem handschriftlich verfassten dreiseitigen Gnadengesuch zeigt Adolf Eichmann keine Reue. Der NS-Verbrecher spielt seine Verantwortung am Holocaust herunter. Er sei „lediglich Instrument der Führung“ gewesen, heißt es unter anderem in dem Brief. Das Dokument ist auf den 29. Mai 1962 datiert. Eichmann schrieb den Brief an den damaligen Präsidenten Ben Zvi. Es ist das einzige Original.

Das Gnadengesuch von Adolf Eichmann.
Das Gnadengesuch von Adolf Eichmann. © dpa | Jim Hollander

An anderer Stelle heißt es: „Ich erkläre nochmals, wie bereits vor Gericht geschehen: Ich verabscheue die an den Juden begangenen Greuel als größtes Verbrechen und halte es für gerecht, dass die Urheber solcher Greuel jetzt und in Zukunft zur Verantwortung gezogen werden. (...)“ Eichmann schrieb, er sei kein verantwortlicher Führer gewesen und fühle sich daher nicht schuldig. „Den Spruch des Gerichts kann ich nicht als gerecht anerkennen und bitte Sie, Herr Staatspräsident, von dem Gnadenrecht Gebrauch zu machen und anzuordnen, dass das Todesurteil nicht vollstreckt wird.“

Auch ein Telegramm von Eichmanns Frau Vera, in dem sie um Gnade für den ehemaligen SS-Obersturmbannführer bat, wurde am Mittwoch veröffentlicht. Sie schrieb dem Präsidenten, das Schicksal ihres Mannes liege in seiner Hand. „Als Frau und Mutter von vier Kindern bitte ich euer Excellenz um das Leben meines Mannes.“

Der damalige israelische Präsident antwortete Eichmann nicht direkt, sondern schrieb auf Hebräisch an den israelischen Justizminister. In dem Brief vom 31. Mai 1962 hieß es, er habe das Gnadengesuch Eichmanns geprüft und erwogen. „Ich bin zu dem Schluss gelangt, dass es keinerlei Berechtigung zu einer Begnadigung oder Milderung der Strafe Adolf Eichmanns gibt“, schrieb Ben Zvi. Noch in der Nacht wurde Eichmann hingerichtet – es war das erste und letzte Mal, dass Israel die Todesstrafe vollstreckte. (jha/dpa)