Düsseldorf. Der in Paris von der Polizei erschossene mutmaßliche Islamist war zuvor in halb Europa unterwegs – mit rund 20 falschen Identitäten.

Der 24-jährige mutmaßliche Islamist, der am Jahrestag der Anschläge auf „Charlie Hebdo“ in Paris von der Polizei getötet wurde, hatte nach Einschätzung des Landeskriminalamtes (LKA) in Nordrhein-Westfalen keine weiteren Anschlagspläne. Demnach unterhielt er auch keine Verbindungen zu einem islamistischen Netzwerk. Doch wirft seine kriminelle Karriere ein Schlaglicht auf die mangelnde internationale Kooperation der Behörden.

Der Mann war am 7. Januar in Paris auf zwei Polizisten zugelaufen, hatte „Allah ist groß“ gerufen und ein Schlachterbeil gezogen. Die Beamten erschossen den Angreifer. Jetzt steht für die Ermittler in NRW „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ fest: Bei dem Angreifer handelt es sich um den 1991 in Tunesien geborenen Tarek B..

Er war jahrelang in mindestens sieben europäischen Staaten unterwegs, stellte mehrfach Asylanträge und benutzte dabei „mindestens 20 verschiedene Identitäten“, wie LKA-Präsident Uwe Jacob gestern mitteilte. Mal habe er sich als Georgier ausgegeben, dann wieder als Iraker. Aufgefallen ist dies lange bei keiner der zuständigen Behörden.

Asylanträge in sieben europäischen Staaten

Der in Paris erschossene mutmaßliche Islamist Tarek B.
Der in Paris erschossene mutmaßliche Islamist Tarek B. © dpa | Roland Weihrauch

Demnach reiste der Mann Ende Januar 2011 über die Türkei nach Rumänien und damit in die EU ein. Die Fingerabdrücke, die ihm dort abgenommen wurden, seien identisch mit den Abdrücken des erschossenen Angreifers von Paris, so Jacob. Ein DNA-Abgleich stehe noch aus.

Nach seiner Ankunft in Rumänien stellte der Mann „unter wechselnden Namen“ Asylanträge in Rumänien, Österreich, Italien, Deutschland, Schweden, Luxemburg sowie in der Schweiz. Zudem hielt er sich zeitweise in Belgien und Frankreich auf.

Verbotener Waffenbesitz und Drogendelikte

Während dieser Zeit fiel er unter anderem in Luxemburg und Frankreich der Polizei wegen verbotenen Waffenbesitzes, Drogendelikten und gefährlicher Körperverletzung auf. In seinem Zimmer in einer Flüchtlingsunterkunft im nordrhein-westfälischen Recklinghausen, wo der Mann 2015 eine Zeit lang lebte, fand die Polizei nach einem anonymen Hinweis eine Gaspistole und „eine geringe Menge Drogen“, so LKA-Chef Jacob.

Zudem entdeckten die Beamten an der Zimmerwand „eine handgezeichnete IS-Fahne“. Auf dem ebenfalls dort entdeckten Handy hätten die Beamten jedoch keine Hinweise auf geplante Anschläge oder auf Kontakte zu der islamistischen Szene in NRW, hieß es am Freitag. Es handele sich offenbar um einen „Einzeltäter“.

LKA-Chef fordert mehr Zugriff auf Daten

Doch warum fiel die Vielzahl der Asylanträge und der falschen Identitäten des Tunesiers den Behörden nicht früher auf? Laut LKA-Chef Jacob wurden zwar bei der Einreise nach Rumänien 2011 die Fingerabdrücke des Mannes registriert und an das europäische Datensystem Eurodac weitergeleitet. „Aber die Polizei in Deutschland kann nur unter engen Voraussetzungen Daten bei Eurodac abfragen“, kritisiert Jacob. Mehr als die Fingerabdrücke selbst und das Geschlecht des Betreffenden gäben die Datenbank nicht her.

Der Fall zeige deshalb exemplarisch, so der LKA-Präsident weiter, dass „die Regelungen zum Informationsaustausch fortentwickelt werden müssen“. Jacob: „Wir müssen schnell sein.“ Dieses Beispiel zeige „die Flexibilität“, mit der die Straftäter die offenen Grenzen in der EU nutzten.