Washington. Der erzkonservative Senator Ted Cruz wird Donald Trump im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der US-Republikaner gefährlich.

Eine Schlacht wird gewonnen, bevor sie begonnen hat, schrieb Sun Tzu. Planung ist alles. Und der Rest Psychologie. Dass der texanische Senator Ted Cruz den chinesischen Kriegstheoretiker verehrt, weiß man. Dass er ihn aus dem Stegreif für seine Zwecke im amerikanischen Präsidentschafts-Wahlkampf anzuwenden weiß, konnten Millionen Fernsehzuschauer jetzt live miterleben.

Als der in Umfragen führende Bau-Unternehmer Donald Trump in der republikanischen TV-Debatte in South Carolina am Donnerstag in Zweifel zog, ob der in Kanada geborene Cruz überhaupt die rechtlichen Voraussetzungen für das Amt erfüllt, erteilte Cruz seinem bis dahin fast liebevoll geschonten Rivalen eine Lektion, die als Kampfansage verstanden werden musste. Mit maliziösem Lächeln belehrte Cruz im Einklang mit der Rechtsprechung Trump darüber, dass auch das „im Ausland geborene Kind eines US-Bürgers von Geburt an US-Staatsbürger ist“ – und somit potenziell präsidiabel. Cruz’ Mutter ist Amerikanerin, sein Vater stammt aus Kuba.

Buh-Rufe für Trump, klarer Sieger: Ted Cruz

Als der New Yorker Milliardär sichtbar ins Straucheln geriet und auf eine angeblich drohende Klage der Demokraten verwies, trieb Cruz ihn in die Ecke. Noch im September hätten Trumps Anwälte erklärt, dass „meine Wählbarkeit außer Frage steht“. Kunstpause. „Die Verfassung hat sich seither nicht geändert – die Umfragenwerte sehr wohl.“ Bingo. Trump gab vor laufender Kamera kleinlaut zu, die Attacke nur geritten zu haben, weil Cruz ihm im Bundesstaat Iowa, wo in gut zwei Wochen die ersten Vorwahlen stattfinden, die Pole-Position streitig macht. Resultat: Pfiffe und Buhrufe aus dem Publikum für Trump; ein Novum. Klarer Sieger nach Punkten: Ted Cruz.

Wer ist der Mann, der mit seiner rhetorischen Überwältigungskraft zum ernsthaften Aspiranten auf die Nominierung wird, falls Trump in den nächsten Wochen an den Vorwahl-Urnen ernüchtert werden sollte?

Ted Cruz’ Programm passt in ein Wort: Abrissbirne

Sein Aufstieg vom Generalstaatsanwalt von Texas zum Senator in Washington verdankt sich einem fein austarierten Schauspiel. Darin finden sich neben Waffen-Narren, Bellizisten, christlichen Fundamentalisten, Abtreibungsgegnern, Obama-Hassern all jene aus dem ultrarechtskonservativen Spektrum wieder, denen der politische Hallodri Trump zu wenig prinzipienfest ist. „Wir müssen Washington die Macht wegnehmen“, lautet dagegen das erste Gebot im Katechismus von Ted Cruz.

Sein Programm passt in ein Wort: Abrissbirne. Ted Cruz will die Gesundheitsreform von Präsident Obama „bis auf den letzten Buchstaben“ ausradieren. Er will die Bundessteuerbehörde IRS abschaffen, das Umweltschutzamt EPA auf Bonsai-Format reduzieren, die Armee massiv aufrüsten, Putin in den Senkel stellen, den Atom-Deal mit dem Iran kündigen, das Tauwetter mit Kuba beenden, die Homo-Ehe zurückdrehen, liberale Richter am Obersten Gerichtshof ausmustern und Amerikas militärische Faust wieder häufiger auf die Weltkarte krachen lassen. Etwa bei der Bekämpfung des Terror-Netzwerks „Islamischer Staat“.

US-Republikaner empfiehlt Flächenbombardierungen gegen IS

Hier empfiehlt der 45-Jährige in Syrien wie im Irak „Flächenbombardierungen“. Um zu sehen, ob „der Sand im Dunkeln glühen kann“. Selbst hohen Generälen fiel der Kinnladen herunter. Schert Cruz aber nicht. Er fühlt sich wohl an der Spitze der Apokalyptiker: „Amerika befindet sich im Krieg.“

Seine auf der Bühne schnell ins Demagogische abdriftende Wortgewalt hat sich der in Calgary geborene und in Texas aufgewachsene Cruz als Teenager antrainiert. Die Eltern schickten ihn nach der Schule in Studiengruppen. Hier geriet Cruz an sein Lebens-Elixier: die amerikanische Verfassung. Aus ihr heraus lebt er, aus ihr bezieht er den Grundstoff für jeden politischen Gedanken. Und wehe, irgendwer kommt ihm in die Quere. Dann wird das Wort zum Schwert. Und Cruz zum Gladiator.

Cruz gewann an der Uni Preise als Debatten-Redner

Schon an den Elite-Universitäten Princeton und Harvard gewann der mit einer Investment-Bankerin verheiratete Jurist Preise als Debatten-Redner. 1996 nahm ihn William Rehnquist, konservativer Richter am Oberster Gerichtshof, als Mitarbeiter in seinen Stab. 1999 war Cruz Berater im Wahlkampf für George W. Bush. Seit 2012 hinterlässt der Vater zweier Töchter im Senat von Washington regelmäßig als Nein-Sager verbrannte Erde. Er will den Einfluss der Zentralregierung zugunsten der Bundesstaaten radikal einschränken. Koste es, was es wolle.

In der Stadt, die er als die „Keimzelle des Niedergangs Amerikas“ abkanzelt, zettelte Cruz 2013 einen Aufstand an, der das Land fast an den Rand der Zahlungsunfähigkeit führte. Altgediente Konservative wie John McCain nennen Cruz seither „durchgeknallt“. Dass der von seinen eigenen Leuten im Senat offen gehasste Cruz sich Kompromissen mit Wonne gerade dann verweigert, wenn für seine reine Lehre keine Mehrheit vorhanden ist, fand in einem schauerlichen Ritual seinen Höhepunkt. Um Obamas Gesundheitsreform zu torpedieren, redete Cruz 21 Stunden lang am Stück. Ein Filibuster-Kraftakt, der das Partei-Establishment um den Schlaf brachte, Cruz in Rechtsaußen-Kreisen gleichwohl bis heute Heldenstatus beschert.

In dieser Woche schrieb David Brooks, einer einflussreichsten Kommentatoren des Landes, in der New York Times eine flammende Warnung vor Cruz. In dessen Weltbild sei kein Platz für „Nachsicht, Gnade und Mitmenschlichkeit“. In seiner „übereifrigen Art“, Verfassung und Gesetze auszulegen, lasse Cruz Fairness vermissen und beute die „Angst“ der Menschen aus. Bisher hat es ihm nicht geschadet. In Iowa geht „Cruz Missile“ laut jüngsten Umfragen als Favorit ins Rennen. „Wer Donald Trump in Bedrängnis bringen kann“, schrieben am Freitag mehrere Zeitungen, „dem ist einiges zuzutrauen.“