Berlin. In der SPD mehren sich die Stimmen, die Angela Merkels Flüchtlingspolitik kritisieren. Auch ihr Vorgänger im Kanzleramt mischt mit.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einem Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik aufgefordert. „Die Bundeskanzlerin wird sich im Laufe des Jahres korrigieren müssen“, sagte Weil der Tageszeitung „Die Welt“.

„Entweder gelingt es, international die Zugangszahl zu drosseln. Oder wir müssen Dinge tun, die niemand will und die Europa schaden werden“, so Weil. Sollte die EU-Außengrenze nicht gesichert werden, „erleben Binnengrenzen in Europa ein Comeback“.

„Die anderen Staaten lehnen sich zurück“

Der niedersächsische Regierungschef stellte sich zwar hinter die Entscheidung der Kanzlerin von September, die Grenze zu öffnen. Er bezeichnete sie allerdings als Zwischenlösung. Sie habe „fatalerweise dauerhaft zu einer Sonderrolle Deutschlands in Europa geführt“, sagte der SPD-Politiker. „Die anderen Staaten lehnen sich nicht nur zurück, sondern sprechen mit Häme von der ‘deutschen Einladung’.“ Diesen Mechanismus müsse die Bundesregierung beenden.

Der Ministerpräsident sprach von einer Verunsicherung der Bevölkerung. „Die Menschen spüren, dass der Staat die Lage nicht im Griff hat“, sagte Weil. Den Satz der Kanzlerin „Wir schaffen das“ nannte er „etwas wohlfeil“, da es Länder und vor allem Kommunen, Hilfsorganisationen und Ehrenamtliche seien, die die Krise bewältigten. „Die Gesellschaft hat ihre Bewährungsprobe 2015 bestanden. Das kann man von der Politik nicht behaupten.“

Altkanzler Schröder: Die Realität ignoriert

Zuvor war bereits Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) auf Distanz zur Flüchtlingspolitik Merkels gegangen. „Die Kapazitäten bei der Aufnahme, Versorgung und Integration von Flüchtlingen in Deutschland sind begrenzt. Alles andere ist eine Illusion“, sagte der SPD-Politiker dem „Handelsblatt“ (Bezahlinhalt). Den unbegrenzten Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland bezeichnete er als Fehler. „Man muss den Eindruck gewinnen, als hätten nationale Grenzen keine Bedeutung mehr. Das ist gefährlich und das ist auch nicht richtig.“

Der Altkanzler wertete es als zentrales Versäumnis der CDU, dass sie ein Einwanderungsgesetz stets abgelehnt habe. „Da wurde schlicht die Realität ignoriert. Mit der Folge, dass jetzt Hunderttausende Flüchtlinge rechtlich in ein Asylverfahren gepresst werden, weil man keine Kontingente über ein Einwanderungsgesetz definiert hat“, sagte Schröder. Er könne nicht nachvollziehen, dass Merkel trotz der erkennbaren Probleme durch die Vielzahl der Flüchtlinge erst in der nächsten Legislaturperiode ein Einwanderungsgesetz verhandeln wolle. (dpa/epd)