Berlin/Landshut. Ein bayerischer Landrat weiß nicht, wohin mit den Flüchtlingen und karrt sie zur Kanzlerin. Zuständig wird damit aber das Land Berlin.

Es sollte ein "Zeichen" sein gegen die Flüchtlingspolitik: Ein bayerischer Landrat ist am Donnerstag mit einem Bus voller Flüchtlinge in Landshut aufgebrochen, um sie zur Kanzlerin zu bringen. Unterwegs merkten die Flüchtlinge, dass sie zum PR-Instrument geworden sind. In Berlin blieben sie zunächst im Bus sitzen.

Schon im Oktober hatte Landrat Peter Dreier (Freie Wähler) seinen Schritt angedroht. Kümmere sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht um eine bessere Verteilung der Menschen, werde er die Flüchtlinge von Landshut direkt nach Berlin bringen.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat die Aktion des Landrates von Landshut derweil kritisiert. „Das ist eine Form von Entsolidarisierung“, sagte Müller am Donnerstagabend der Deutschen Presse-Agentur am Rande der Eröffnungsfeier zur Grünen Woche. Der Landkreis wolle die Verantwortung auf Berlin abwälzen. „Ich erwarte, dass die Bundesregierung da noch klare Worte findet an die bayerische Landesregierung.“

Ihnen sei gesagt worden, in Berlin sei es besser: Ein Flüchtling in dem Bus aus Landshut.
Ihnen sei gesagt worden, in Berlin sei es besser: Ein Flüchtling in dem Bus aus Landshut. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH

Die Ankunft des Busses im Berliner Regierungsviertel war für 16 Uhr avisiert, verzögerte sich aber, weil bei einer Toilettenpause einer von ihnen auf einer Autobahnraststätte vergessen worden war. Der Bus musste deshalb umkehren. Um 18.10 Uhr kam der Bus dann an. Dutzende Journalisten hatten sich bereits um 17 Uhr eingefunden und warteten an der Rückseite des Kanzleramts. Dreier hatte angekündigt, dass die Menschen dort aussteigen und er gegenüber der Presse Stellung nimmt. Für die Fahrt hatten die Flüchtlinge sich laut Dreier freiwillig gemeldet.

Landrat fuhr im Dienstwagen

Er selbst wurde von den Bundestagsabgeordneten von SPD und CSU aus seiner Heimat auch dafür kritisiert, dass er selbst nicht im Bus, sondern im Dienstwagen fuhr. Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk hielten sie ihm auch vor, der Bund sei nicht zuständig für die Unterbringung. Laut Florian Pronold, Chef der Bayern-SPD, „missbraucht“ Dreier die Flüchtlinge „für so eine PR-Aktion“.

So stellte das auch einer der Flüchtlinge da. Ahmad Sajed erklärte aus dem Bus per Telefon zu „Zeit online“: „Nach zwei Stunden im Bus haben wir verstanden: Wir sind nur Teil eines Spiels. Wir sind wütend, dass wir benutzt wurden.“ Am Mittwoch sei eine Mitarbeiterin des Landratsamt in die Unterkunft gekommen und habe gefragt, wer nach Berlin wolle. Ihnen sei versprochen worden, dass die Situation in Berlin besser sei als in Landshut. In Berlin verließen die Flüchtlinge zunächst den Bus nicht.

Eine Unterbringung in einer Notunterkunft hätten sowohl die Flüchtlinge als auch der Landrat abgelehnt, sagte ein Sprecher der Senatsverwaltung. Deshalb habe man den Männern kurzfristig eine Pension im Norden von Berlin besorgt. Mehrere Flüchtlinge hätten jedoch ihre Pässe nicht dabei, außerdem hätten sie offenbar auf bessere Unterkünfte gehofft.

Flüchtlinge sollen zurück nach Bayern

Nach Informationen der „Berliner Zeitung“ sollen die Flüchtlinge allerdings nach einer Nacht in der Pension am Freitag wieder zurück nach Bayern fahren – in demselben Bus, in dem sie gekommen sind. „Das ist eine unerträgliche Symbolpolitik und ein beispielloser Vorgang der Entsolidarisierung“, sagte der Sprecher von Sozialsenator Mario Czaja (CDU), Sascha Langenbach, der Zeitung.

„Wir erwarten ein klares Signal der bayerischen Landesregierung, dass solche Aktionen auf dem Rücken der Geflüchteten nicht mehr vorkommen dürfen“, sagte Langenbach. Sonst solle sie ihre Landesvertretung im Berliner Regierungsviertel als Unterkunft zur Verfügung stellen.

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Aufmerksamkeit erreicht der von Kameras umringte Landrat Dreier mit der Aktion, sein politisches Ziel wird er wohl verfehlen. Denn nicht Angela Merkel kümmert sich dann um die Versorgung der Menschen, sondern das Land Berlin. Aus der Sozialverwaltung von Senator Mario Czaja (CDU) war unlängst zu hören, dass die Flüchtlinge natürlich eine Unterkunft bekommen sollen.

Und auch Regierungssprecher Steffen Seibert stellte die Aufgabenverteilung klar: Länder und Kommunen seien für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig. Der Bund leiste dafür umfangreiche Hilfe, hieß es in einer Erklärung , die nach dem Eintreffen der Flüchtlinge am Abend in Berlin veröffentlicht wurde. Der Bundesregierung sei aber „bewusst, dass die derzeitigen Flüchtlingszahlen die Länder und Kommunen in ganz Deutschland und insbesondere in Bayern vor erhebliche Herausforderungen stellt“.

Freie Wähler-Chef sieht Aufbegehren

Dreier hatte vor, mit seiner Aktion „ein Zeichen zu setzen, dass es so wie bisher in der Flüchtlingspolitik nicht weitergehen kann und darf." Ein Ende der Flüchtlingswellen sei nicht in Sicht, die Kapazitäten an menschenwürdigen Unterbringungsmöglichkeiten gingen rapide zur Neige "und ich sehe nicht, dass bislang neue Wohnungen für die Zuwanderer gebaut worden wären“.

Unterstützung bekam Landrat Dreier aus seiner Partei. Der Bundesvorsitzende der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, nannte die Aktion als „dringend nötiges Signal an die Bundesregierung“ Die Kommunen würden nun „endlich“ gegen die gescheiterte schwarz-rote Asylpolitik aufbegehren. Der Berliner Morgenpost sagte Aiwanger vor dem Kanzleramt an die Adresse von Angela Merkel: "Mach jetzt Schluss, sonst machen wir Schluss mit Dir." Er ergänzte: "Berlin ist schön, da lohnt es sich zu wohnen. Und wenn Mutti viele Gäste einlädt, dann mögen die bitte alle nach Berlin gehen."

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Während der Ankunft der Flüchtlinge vor zahlreichen Kamerateams hatten einige Demonstranten auch lauthals Merkels Rücktritt gefordert.

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Nicht genug Wohnraum in Landshut

Bei den Asylbewerbern in dem Bus handelt es sich um Flüchtlinge, deren Asylantrag bereits anerkannt wurde. Sie gelten als sogenannte Fehlbeleger, die in Flüchtlingsunterkünften untergebracht sind, sich aber eigentlich eine eigene Wohnung suchen müssten.

Diesen Wohnraum gibt es derzeit im Landkreis Landshut jedoch nicht. Er unterhält derzeit 66 dezentrale Unterkünfte, eine Notfallhalle sowie mehrere Unterkünfte für unbegleitete minderjährige Jugendliche.