Berlin. Der Anschlag in Istanbul sorgt weltweit für Reaktionen. Zeitungen rätseln, ob das Anschlagsziel zufällig gewählt war. Eine Presseschau.

Der Terroranschlag in Istanbul mit mehreren deutschen Opfern wird breit in der ausländischen Presse kommentiert. Zwei türkische Zeitungen erschienen mit deutschen Schlagzeilen. „Im Herzen bei Euch“ stand in deutscher Sprache auf der Titelseite der Zeitung „Habertürk“. Die Zeitung „Meydan“ erschien mit einer ebenfalls auf deutsch gehaltenen Schlagzeile. Dort stand in weißen Versalien auf schwarzem Grund: „Wir trauern“.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Ein Überblick über die aktuellen Pressekommentare:

„Jetzt bezahlt auch Deutschland den Preis“

„La Stampa“ (Italien): „Im Kampf gegen den IS in Syrien starten deutsche Tornados von den Militärbasen der Nato in der Türkei. Vielleicht reicht das schon aus, um ein Attentat gegen deutsche Touristen im Herzen Istanbuls zu begründen. (...) Am Ende eines schrecklichen Tages steht der Verdacht, dass die Deutschen ein absichtliches Ziel gewesen sein könnten. Man fragt sich spontan: Warum Deutschland? Wenn man an die Ziele des IS denkt, ist die Antwort einfach. Neben den militärischen Gründen ist Deutschland im vergangenen Jahr zu einem Symbol der freundlichen Aufnahme geworden. Darüber hinaus ist es fast das letzte Land in Europa, das keine starke rechte oder Anti-Immigrations-Partei hat. Wenn der IS den Westen spalten, die extrem rechten Bewegungen stärken und moderate Muslime radikalisieren will, kann Deutschland nichts anderes als eins der ersten Ziele sein.“

Istanbul im Schatten des Terrors

„Magyar Nemzet“ (Ungarn): „Die Türkei wird im Inneren wie im Äußeren vom Terror bedroht. Der Anschlag von Istanbul (...) ist die perfekte Veranschaulichung der türkischen Realität. Die verhärtete, auf Nabelschau fixierte Haltung Europas wird wiederum dadurch versinnbildlicht, wie viel weniger Medienrummel und „Bestürzung“ dem übrigens im europäischen Teil von Istanbul verübten Terroranschlag zuteil werden als der Tragödie von Paris. (...) Dabei wäre es angebracht, sich zumindest darüber Sorgen zu machen, dass die Türkei in ihrem gegenwärtigen Zustand nicht in der Lage sein wird, Europa in der Flüchtlingsfrage zu helfen.“

Türkei benötigt Unterstützung im Kampf gegen Terror

„El País“ (Spanien): „Der blutige Anschlag in Istanbul zeigt erneut, dass jeder westliche Bürger – unabhängig von der Nationalität, vom Beruf und vom Aufenthaltsort – ein direktes Ziel des dschihadistischen Fanatismus ist. Die Türkei spielt im Kampf gegen den Terror eine Schlüsselrolle und benötigt alle erdenkliche Hilfe. Der Islamische Staat muss die eindeutige Botschaft erhalten, dass mit jedem Anschlag die Entschlossenheit wächst, die Terrormiliz zu bekämpfen. Die Bluttat von Istanbul sollte zur Folge haben, dass die internationale Zusammenarbeit mit Ankara gestärkt wird. Außerdem muss in bestimmten Gegenden, in denen der Terrorismus besonders verbreitet ist, der Schutz der Bürger verbessert werden.“

Anschlag in Istanbul soll Chaos in Deutschland vertiefen

„Duma“ (Bulgarien): „Es macht sich ein neuer, gefährlicher Trend zur Eskalation der Terroranschläge und der Gewalt bemerkbar, die mit der Immigrationskrise verbunden sind. (...) Der Attentäter ist ein Syrer, die Organisatoren gehören dem Islamischen Staat an, der Tatort ist Istanbul, getroffen aber ist eine deutsche Touristengruppe. Ist diese Reihe von Zufällen wirklich zufällig? Ist der Gedanke dahinter nicht vielmehr, das Chaos zu vertiefen, indem man die Nerven der deutschen Gesellschaft und auch von ganz Europa überspannt?“

Türkei dürfte nun stärker gegen den IS kämpfen

„De Telegraaf“ (Niederlande): „Der Islamische Staat (IS) hatte im zurückliegenden Jahr bereits zwei Anschläge in der Türkei verübt, mit 34 Toten in Suruc nahe der Grenze zu Syrien sowie in Ankara mit rund 100 Toten. In beiden Fällen waren vor allem linke Kurden die Opfer. Nun hat der IS zum ersten Mal in der Türkei einen Anschlag auf Touristen ausgeführt. Auf der Liste der terroristischen Organisationen stand der IS in der Türkei schon länger. Jedoch wurde dem Land oft vorgeworfen, zu wenig gegen diese Terrororganisation zu tun. Das Vorgehen gegen die separatistische kurdische PKK, die selbst gegen den IS kämpft, hatte für Ankara stets Priorität. Doch nun wird die Türkei zweifellos stärker motiviert sein, den IS zu bekämpfen.“

Terror greift tief in unser Leben ein

„Der Standard“ (Österreich): „Wenn an einem von Touristen frequentierten Ort in Istanbul Menschen, zudem mehrheitlich Ausländer, von einem Selbstmordattentäter in den Tod gerissen werden, dann geht das einem europäischen Publikum näher, als wenn am Vortag mehr als zehnmal so viele Iraker bei Attentaten sterben. Oder wenn in der vom syrischen Regime belagerten Stadt Madaja die Kinder verhungern. Das ist nicht gerecht, aber verständlich: Je näher die Einschläge kommen, desto realer fühlt sich die Gefahr an. Deshalb sind Anschläge wie jene von Paris Mitte November dazu angetan, tief in das Leben eines jeden Bewohners einer europäischen Hauptstadt einzugreifen. Man wird danach nicht mehr ganz der oder die Gleiche sein wie vorher. Auch Statistiken, die das Risiko für den Einzelnen historisch relativieren, können da nicht beruhigen. Was die Gefahr, die von den heutigen Krisen ausgeht, so bedrückend macht, ist, dass die Brandherde fast alle zusammenzuhängen scheinen. Aus dem Rad, in das der islamistische Terror Europa zwingt, ist fast nicht mehr herauszukommen.“

Falsche Prioritäten der türkischen Regierung

„Neue Zürcher Zeitung“ (Schweiz): „Einmal mehr muss sich die türkische Regierung fragen lassen, was sie eigentlich gegen die Bedrohung unternimmt, die vonseiten türkischer IS-Rückkehrer und IS-Sympathisanten ausgeht. Auch sollte sie überdenken, ob sie im „Krieg gegen den Terror“ nicht die falschen Prioritäten setzt. Viel zu lange unterstützte (Präsident) Erdogan den Kampf jihadistischer Freischärler in Syrien, mehr als einmal machte er deutlich, dass er nicht den IS (Islamischen Staat), sondern die (verbotene Kurdische Arbeiterpartei) PKK und ihren syrischen Ableger als größte Gefahr einschätzt. Hat er begriffen, welche Folgen das für die Sicherheit im eigenen Land hat, oder nimmt er den Terroranschlag von Istanbul wirklich nur als Schicksalsschlag wahr? Würde die Regierung nur halb so viel Kräfte gegen den IS aufbringen, wie sie mit Gewalt im kurdischen Südosten agiert, hätte der IS nicht ein so leichtes Spiel.“

Erdogan muss Islamischen Staat bekämpfen

„Le Figaro“ (Frankreich): „Der Anschlag am Dienstag in Istanbul hat das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der Türkei getroffen, und in erster Linie deutsche Touristen. Dies sollte logischerweise den Präsidenten Recep Tayyip Erdogan dazu bringen, die Gefahr für sein Land neu einzuschätzen. Seine Offensive gegen die Kurden hat zur Konsolidierung seiner Macht bei den Wahlen im November beitragen können. Doch sie ändert nichts an der Tatsache, dass die Kurden wichtigster Schutzwall gegen den Islamischen Staat (IS) im Irak und in Syrien sind. Für den IS ist Erdogan ebenso ein Feind wie wir. Dagegen gibt es nur ein Mittel: Erdogan muss sich voll und ganz an dem Kampf seiner Nato-Verbündeten gegen den Islamischen Staat beteiligen.“ (jha/dpa)