Berlin/Köln. Die Zahl der Anzeigen nach den massenhaften Übergriffen an Silvester in Köln ist auf 653 gestiegen. Die Täter waren wohl verabredet.

Nach den massenhaften sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Kölner Silvesternacht haben sich weitere Opfer bei der Polizei gemeldet. Mittlerweile seien 653 Anzeigen eingegangen, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer am Dienstagmittag. Die Staatsanwaltschaft ermittele gegen zwölf Beschuldigte, von denen fünf wegen eines dringenden Tatverdachts in Untersuchungshaft säßen. Den Männern aus Nordafrika werden den Angaben zufolge vor allem Eigentumsdelikte wie Diebstahl zum Vorwurf gemacht, keine Sexualstraftaten.

Die Polizei Köln hatte am Montag gemeldet, dass die zuständige Ermittlungsgruppe „Neujahr“ zurzeit 553 Strafanzeigen bearbeite; in etwa 45 Prozent der Fälle gehe es neben anderen Taten auch um Sexualdelikte. Zur Zahl der angezeigten Sexualstraftaten wollte Oberstaatsanwalt Bremer zunächst keine Angaben machen. Seit Dienstag ist die Staatsanwaltschaft Köln zentraler Ansprechpartner für Fragen zu den Übergriffen – und nicht mehr die wegen ihrer Medienarbeit vielfach kritisierte Kölner Polizei.

BKA geht nicht von Organisierter Kriminalität aus

Die Angriffe in der Silvesternacht in Köln und in anderen deutschen Städten waren von den Tätern vermutlich verabredet – aber keine Organisierte Kriminalität. Das sagte der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, am Dienstag in einem Interview mit dem Radiosender RBB Info.

Münch sprach in dem Interview über das Phänomen „taharrush gamea“. So werde in arabischen Ländern eine gemeinschaftlich begangene sexuelle Belästigung von Frauen in der Öffentlichkeit bezeichnet, sagte eine Sprecherin des BKA auf Anfrage. Solche von Gruppen junger Männer begangenen Delikte stellten die Polizeibehörden der betroffenen Staaten zumeist während großer Menschenansammlungen, etwa bei Kundgebungen oder Demonstrationen, fest. Die Übergriffe reichen von der sexuellen Belästigung bis zur Vergewaltigung. Ein vergleichbares Phänomen sei bis zu den Angriffen in der Silvesternacht in Deutschland nicht bekannt gewesen.

Verabredeten Täter sich über Soziale Medien?

Die Ermittler beim BKA gehen davon aus, dass sich die Täter über soziale Netzwerke verabreden. „Wir wissen auch, dass gezielt dichte Menschenansammlungen genutzt werden, und das nicht nur in Deutschland“, sagte Münch am Dienstag. Es gebe erste Meldungen zu ähnlichen Vorfällen aus Schweden, Österreich und der Schweiz. Zurzeit würden noch Informationen zu dem Phänomen gesammelt, in der kommenden Woche werde eine Arbeitsgruppe mit Beteiligten von BKA und den Landeskriminalämtern beginnen, zu erörtern, wie man dem Phänomen effektiv begegnen könne.

Den Begriff der Organisierten Kriminalität hält Münch für überzogen: „Ich sage nicht, dass da nichts organisiert wurde. Aber es ist keine Organisierte Kriminalität, das ist für mich noch mal eine andere Qualität. Da reden wir von geschlossenen, hierarchischen Gruppierungen, das sehen wir auf den ersten Blick hier nicht.“ Selbstverständlich hätten die Täter aber miteinander kommuniziert und sich verabredet. Jetzt müsse ermittelt werden, wo und wie das passiere, um solchen Vorfällen wie Silvester in Köln und anderen Städten vorbeugen zu können. (mit dpa)