Berlin/Duisburg. Die Kölner Polizei hatte in der Silvesternacht ein konkretes Angebot für personelle Verstärkung. Sie lehnte die Hilfe jedoch ab.

Das Verhalten der Kölner Polizei während der Übergriffe in der Silvesternacht gerät immer mehr in die Kritik. Am Freitag stellte sich heraus, dass die Polizeiführung der Domstadt in der Nacht ein konkretes Angebot für eine personelle Verstärkung von Seiten des Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) in Duisburg zurückwies.

„Der Beamte vom Dienst in der Silvesternacht hat den Kölnern eine Hundertschaft zur Unterstützung angeboten“, bestätigte ein Sprecher des LZPD am Freitag unserer Redaktion. „Das Polizeipräsidium hat dies jedoch nicht für erforderlich gehalten.“ Das LZPD ist als Landesleitstelle für die Koordination aller Polizeikräfte in Nordrhein-Westfalen zuständig.

Eine komplette Hundertschaft der Polizei stand bereit

Gruppen junger Männer hatten in der Silvesternacht vor dem Kölner Hauptbahnhof offenbar gezielt Frauen sexuell bedrängt und bestohlen. Nach Polizeiangaben hielten sich zeitweise mehr als tausend überwiegend alkoholisierte Männer vor dem Bahnhof auf.

Dem LZPD-Sprecher zufolge hatte die Kölner Polizei bereits vor Weihnachten zusätzliche Polizeikräfte für den Silvestereinsatz angefordert. Dafür waren zwei Züge einer Hundertschaft – also 76 Beamte – nach Köln geschickt worden. Am Silvesterabend stand nun nach Angaben des Sprechers eine weitere komplette Hundertschaft zum Einsatz bereit.

Die drei Züge der Hundertschaft waren auf die Standorte Gelsenkirchen, Aachen und Wuppertal verteilt und hätten „binnen kurzer Zeit“ nach Köln entsandt werden können, so der LZPD-Sprecher weiter. Doch die Kölner schlug das Angebot aus Duisburg aus: „Wir müssen davon ausgehen, dass die Polizei vor Ort am besten weiß, was sie benötigt und was nicht.“

Interner Bericht bringt Polizei in Bedrängnis

Zuvor hatte bereits die Veröffentlichung eines internen Polizeiberichts aus der Silvesternacht die Kölner Polizei in Bedrängnis gebracht. Darin war nicht nur von chaotischen Zuständen rund um den Hauptbahnhof und von einer Überforderung der Polizei die Rede gewesen; der Verfasser des Berichts, ein leitender Polizeibeamter, berichtete auch, die Polizei habe schon vor Mitternacht Kenntnis gehabt von Männern mit fremdländischem Aussehen, die massiv Frauen bedrängt und bestohlen haben sollen. Im Pressebericht der Kölner Polizei war davon am Neujahrsmorgen nichts zu lesen.

Kölns Polizeichef hat personelle Konsequenzen aus dem offensichtlichen Debakel bei seiner Behörde bisher abgelehnt. Nun wird es für ihn enger: Auch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker rückte am Freitag von Albers ab.

Oberbürgermeisterin Reker rückt von Polizeichef Albers ab

Die ihr von der Polizeiführung geschilderten Fakten gäben nicht das vollständige Bild der Einsatznacht wieder, hieß es in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme der Rathauschefin. „Insofern ist mit meinem heutigen Kenntnisstand das Vertrauensverhältnis zur Kölner Polizeiführung erheblich erschüttert“, so Reker.

Die veröffentlichten internen Berichte zeigten, dass die Polizei bereits seit Tagen ein wesentlich differenzierteres Bild zur Lage am Silvesterabend und zur Herkunft möglicher Tatverdächtiger habe als bislang vermittelt worden sei, erklärte Reker. „Dass ich diese Informationen, insbesondere zur Herkunft von ermittelten Beteiligten aus der Gruppe der Täter, erst aus den heutigen Medien entnehmen kann, kann ich als Oberbürgermeisterin dieser Stadt nicht akzeptieren.“

Kölner Polizeipräsident verteidigt sich

Reker hatte am vergangenen Montag, drei Tage nach den Ausschreitungen, vor Journalisten gesagt, die Behörden hätten keine Hinweise darauf, dass es sich bei den Beteiligten um Flüchtlinge handele. Einsatzberichte erwähnen dagegen unter anderem zahlreiche Personenkontrollen unter anderem auch von Syrern.

Albers selbst hat Vorwürfe zurückgewiesen, die Herkunft von Verdächtigen vertuscht zu haben.„Ich habe stets erklärt, dass die von den Polizistinnen und Polizisten kontrollierten Männer nicht zwangsläufig auch die Täter der schrecklichen Übergriffe sein müssen“, betonte Albers. „Solange die Polizei Menschen keine durch Fakten gestützten Tatvorwürfe machen kann, gilt hier in Deutschland die Unschuldsvermutung.“ (W.B/dpa.)