Berlin. Die Übergriffe in der Silvesternacht in Köln werden in der ausländischen Presse breit kommentiert. Mit zum Teil gewagten Vergleichen.

Die Angriffe auf Frauen zum Jahreswechsel in Köln und anderen Städten haben auch im Ausland eine breite Debatte entfacht. Ein Überblick über die aktuellen Pressekommentare.

„Ein Symbol der westlichen Zivilisation herausgefordert“

„La Repubblica“ (Italien): Was an Silvester in Köln und anderen deutschen Städten geschehen ist, hat unsere Verletzbarkeit offen gelegt, es war in vielerlei Hinsicht vergleichbar mit den Terroranschlägen in Paris, London und Madrid. Die Gruppen von Männern, die sich organisiert und die Frauen bei den Neujahrsfeiern angegriffen haben, haben gezeigt, wie unsicher öffentliche Plätze ausgerechnet in einem Land sind, das seit Jahrzehnten für seine Sicherheit, den Anstand in der Öffentlichkeit und die Verurteilung jeder Plumpheit bekannt ist. Und sie haben dabei eines der Symbole der westlichen Zivilisation herausgefordert: Die Freiheit der Frauen, sich öffentlich zu bewegen, ohne angegriffen zu werden.

„Nicht alles in einen Topf werfen“

(Slowakei): Da die traditionelle Rolle der Frau in den Gesellschaften, aus denen die meisten Flüchtlinge kommen, ein gut bekanntes Problem darstellt, fällt es leicht, die Kölner Angreifer und muslimische Migranten als solche in einen Topf zu werfen. So eine Verkürzung widerspricht allem, was wir fühlen und über die Ablehnung von Kollektivschuld denken. Das reicht aber nicht in der Debatte mit einer Gegenseite, die uns korrigiert, hier gehe es nicht um eine Kollektivschulddiskussion, sondern eine konkrete Bedrohung.

„Ein Angriff auf das europäische Gesellschaftsmodell“

„Politiken“ (Dänemark): Der Übergriff ist ein Angriff auf das europäische Gesellschaftsmodell als solches. Eine Gesellschaft, in der zwei der entscheidendsten Prämissen sind, dass Frauen und Männer vollkommen gleich sind und dass sich alle – unabhängig vom Geschlecht – frei und ohne Angst im öffentlichen Raum bewegen können. Es ist eine Grundvoraussetzung, um in Europa zu leben, dass man akzeptiert, dass Frauen dieselben Rechte genießen wie andere, egal, ob sie einen Minirock oder ein Kopftuch tragen. In diesem Punkt kann und darf es keine kulturelle Annäherung und keinen Kompromiss geben.

„Die Übergriffe erzeugen Angst“

„Latvijas Avize“ (Lettland): Unabhängig davon, wer die Angreifer waren – Taschendiebe oder Sexualstraftäter, neu angekommene Asylbewerber oder deutsche Staatsbürger mit „Migrationshintergrund“ – sind die Auswirkungen dieser Ereignisse ähnlich wie die der Paris-Massaker: Sie erzeugen Angst. Obgleich niemand getötet wurde, sind die Opfer von den Angreifern in einer sehr ähnlichen Situation überrascht worden. Genau dann, als sie es am wenigsten erwarteten: in einer entspannten, euphorischen Stimmung und unter Alkoholeinfluss.

„Polizei hatte die Lage nicht unter Kontrolle“

„Lidove noviny“ (Tschechien): Wenn in vier Wochen der Karneval beginnt, wird man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können. Immer deutlicher zeigt sich, dass es nicht nur um ein Versagen der örtlichen Polizei geht, welche die Lage offensichtlich überhaupt nicht unter Kontrolle hatte. Von Ratlosigkeit zeugt auch die Reaktion der Stadtoberen. Dabei ist an Köln am Rhein noch etwas anderes interessant: Keine andere Stadt Deutschlands ist in der Vergangenheit von so vielen Skandalen heimgesucht worden wie gerade Köln.

„Politiker handeln nach Regeln der politischen Korrektheit“

„Duma“ (Bulgarien): Soweit verhalten sich die deutschen Politiker immer noch im Rahmen der sogenannten politischen Korrektheit, der Toleranz und des Multikulturalismus, während – wie die Stimmungen in den sozialen Netzen und die Reaktionen der Menschen zeigen – in der Gesellschaft die Spannungen ob des Vorfalls wachsen. Wir sind eigentlich Zeugen davon, wie die neu eingetroffenen Migranten beginnen, ihre Regeln der einheimischen Bevölkerung aufzuzwingen. Der Vorfall zeigt auch, wie 1000 Menschen – organisiert oder nicht – eine Millionenstadt in Schrecken versetzen können, ohne Terroranschläge zu verüben.

„Ereignisse unterminieren Angela Merkels Asylpolitik“

„De Standaard“ (Belgien): Die dramatischen Geschehnisse haben die ohnehin schon prekäre Asylpolitik von Angela Merkel noch weiter unterminiert. Aus ihrer Regierung kommen nun Aufrufe, das eine nicht mit dem anderen zu vermischen. Das ist vielleicht verständlich, aber Aufrufe zur Ruhe können die gerechtfertigte Empörung nicht unterdrücken. Das würde den Opfern nicht gerecht werden und die gesellschaftliche Debatte vergiften. (dpa)