Berlin. Gewalt gegen Frauen wird nach den Ereignissen der Silvesternacht in Köln instrumentalisiert. Das ist unerträglich und lenkt vom Thema ab.

Ich rege mich auf, schon seit Tagen. Darüber, dass plötzlich alle über sexualisierte Gewalt reden, als sei sie in der Silvesternacht erfunden worden. Als sei ein irrer Mob in Köln der Auslöser für sexuelle Belästigung von Frauen. Als hätte es den #Aufschrei nie gegeben. Und als hätte das Ganze auch nur im Entferntesten mit der deutschen Asylpolitik zu tun und sei nur in diesem Zusammenhang eine Debatte wert.

Blödsinn, Bullshit, Schluss damit!

Frauen werden jeden Tag belästigt, begrapscht, verhöhnt, in jeder Stadt sicher zigmal. Nicht nur an Silvester – und nicht nur in Köln, Hamburg und Berlin. Das passiert ständig. Mal ist es vielleicht mit einem „Lass das!“ getan, mal leider nicht. Sexualisierte Gewalt ist nicht neu – sie ist immer da. Oft genug geht sie unter. Aber kaum passt sie in die Argumentationslinie der vielen besorgten Bürger, ist sie auf einmal gut genug, um darüber zu sprechen? Das ist kaum zu ertragen.

Es sind Vollidioten

Die Täter sind groß und klein, alt und jung, manchmal sind es einzelne, manchmal mehrere, sie sind aus Potsdam genauso wie aus München, aus Prag genauso wie aus London, Rom, Istanbul und Tunis. Es ist völlig egal, woher sie kommen. Klar ist: Es sind Vollidioten, Arschlöcher, respektlose Chauvinisten. Ihre Herkunft oder Kultur als Rechtfertigung oder Erklärung für oder gegen sie zu verwenden, demütigt die Frauen noch mehr, denn es macht die Übergriffe zu etwas, das sie nicht sind: zu einem Politikum.

Eine Frau, die belästigt wird – ob es ein Griff an den Po ist von jemandem, der da nicht hingreifen sollte, oder mehr als das – will nicht darüber reden, welche politische Dimension das hat. Es ist ihr völlig egal, woher der Angreifer kommt, welche Sprache er spricht und in welchen Religionsbüchern er gelesen hat. Sie will, dass er es lässt – und dass er sich dafür verantworten muss. Was sie sicher nicht will, ist Anlass oder Teil einer politischen Debatte sein. Von den guten Ratschlägen ganz zu schweigen.

Wir wollen keine Armlänge Abstand

Wir brauchen keine Armlänge Abstand zu den Menschen um uns herum, wollen keine Hosen anziehen, wenn wir lieber Röcke tragen, wollen keine Turnschuhe anziehen, nur weil man damit besser weglaufen kann, wollen rote Lippen haben, wenn es zu uns und zu unserem Tagesgefühl passt. Wir wollen uns ins Getümmel stürzen, feiern, tanzen. Wir wollen Männer berühren und berührt werden, ohne gleich hysterisch zu werden, wollen flirten und einem Mann auch mal einen Korb geben, wenn er uns nicht gefällt. Wir wollen übrigens auch Frauen einen Korb geben, wenn sie mit uns flirten und wir das nicht wollen. Aber das tut hier nichts zur Sache.

Ein riesiger Mob, wie der in Köln, der einen vermeintlich rechtsfreien Raum schafft, in dem Frauenrechte mit Füßen getreten werden, das ist tatsächlich eine neue Dimension. Egal ob es möglicherweise eine Bande sogenannter Antänzer war, die eher darauf aus sind, mit diesem speziellen Trick Menschen zu beklauen, und die sich dann zu einer wilden Horde von Grapschern entwickelte.

Manches an den Ereignissen der Silvesternacht in Köln mag neu sein. Die Tatsache, dass Frauen zum Ziel von völlig unangemessenen Männeravancen und sexualisierter Gewalt werden, ist es nicht. Es braucht keine hohen Flüchtlingszahlen, keine überforderte Gesellschaft und keine strapazierten Politiker, um das zu thematisieren.