Berlin. Mehr als 7000 Soldaten der Bundeswehr sind für die Flüchtlingshilfe im Einsatz. Bei einem Generalmayor laufen alle Fäden zusammen.

Die weiße Fahne hissen, das kommt nicht in Betracht. „Den Punkt“, beteuert Generalmajor Klaus von Heimendahl, „habe ich nie gespürt“. Mag die halbe Republik über Obergrenzen diskutieren, in der Flüchtlingshilfe war die Bundeswehr stets in der Lage, eine Schippe draufzulegen. Tagesbefehl: Wir schaffen das.

Inzwischen sind 7400 Soldaten dafür abgestellt, Ende Oktober waren es noch 6000. Nicht jeder Soldat ist jeden Tag im Einsatz, aber 7400 stehen bereit. „Wir sind zur Stelle und unterstützen, mit maximaler Kulanz, natürlich auch am Wochenende. Die Flüchtlinge richten sich nicht nach unseren Arbeitszeiten“, erzählt er unserer Redaktion. Ihrem Werbeslogan – „Wir. Dienen. Deutschland.“ – wird die Bundeswehr gerade gerecht.

9100 Betten, 758.000 Verpflegungspakete

Hilft wo er kann: General Klaus von Heimendahl im Interview
Hilft wo er kann: General Klaus von Heimendahl im Interview © Bundeswehr / Tom Twardy | Tom Twardy

Bei Generalmajor von Heimendahl, Jahrgang 1960, laufen alle Fäden zusammen. Er ist der Leiter des Koordinierungsstabes „Unterstützung Flüchtlingshilfe“. Wenn Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) einmal im Monat die Ministerpräsidenten über den Stand der Hilfe informiert, dann weicht von Heimendahl nicht von ihrer Seite. Aus einem schlichten Büro im Ministerium heraus steuert er das bundesweite Angebot der Streitkräfte. Aber nichts, auch kein Studium der Akten, ersetze „den Blick ins Gelände, militärisch gesagt“. Er ist regelmäßig vor Ort. Denn: „Es ist wichtig, die Stimmung mitzubekommen.“

Alle Waffengattungen sind gefordert. Die Aufträge gehen an Verbände, Bataillone, Kompanien. Von den Ländern wird Personal nachgefragt, das schnell anfasst, Dinge hinstellt, etwas aufbaut. Die Arbeit sei konkret und anfassbar, „am Ende sehen die Soldaten, dass sie was Sinnvolles tun“.

Mögen die Länder noch so sehr über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lästern, die Leistung der Streitkräfte wird gewürdigt, zuletzt noch auf der Konferenz der Innenminister. Von Heimendahl zieht wiederum „als Bürger“ den Hut vor den Ehrenamtlichen: „Ich habe schon Respekt davor, dass sich Menschen engagieren und helfen – bei der Essensausgabe, bei der Verteilung von Kleidung, in der Erstaufnahme. Das ist großartig.“

In erheblichem Maße haben die Bundeswehrsoldaten gerade die Ehrenamtlichen entlastet, aber auch die Länder. Wenn von den Leistungen der Bundesregierung die Rede ist, sind größtenteils die Soldaten gemeint. 140 Sanitäter sind im Einsatz, 14 mobile Röntgengeräte wurden bereitgestellt, ferner 80 Busse, 9100 Betten. Außerdem verteilte die Bundeswehr 758.000 Verpflegungspakete.

Berührende Begegnungen mit Familien

Längst sind die Sommerzelte von der Bundeswehr abgebaut und durch winterfeste Einrichtungen ersetzt worden. Vor allem räumten die Streitkräfte 79 Kasernen und andere Gebäude, um insgesamt 41.300 Menschen unterzubringen. Die Bundeswehr stellte 550 Mitarbeiter für das BAMF ab und betreibt selbst zwei Wartezentren in Erding und Feldkirchen.

Bundesweit packt die Truppe bei über 80 Projekten an. Für ihre Verhältnisse war die Bundeswehr oft unkonventionell. „Wir haben gesagt, wir rücken in einer Kaserne zusammen, trennen einen Teil ab – mit einem Zaun abgegrenzt – und stellen ihn zur Verfügung.“ Aus dem Konzept „Helfende Hände“ – die erste Nothilfe – hat von der Leyen eine Daueraufgabe gemacht, was längst nicht nur Begeisterung hervorruft.

Der Wehrbeauftragte warnt vor einer Daueraufgabe

So wird der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) nicht müde, vor einer Daueraufgabe zu warnen. Dass sich die Truppe darauf einrichtet, für längere Zeit zu helfen, sieht man daran, dass sie am Zentrum Innere Führung in Koblenz für ihre Führungskräfte Lehrgänge anbietet, die auf die Herausforderungen im Rahmen der Flüchtlingshilfe zugeschnitten sind. Da werden die Soldaten auf kritische Situationen vorbereitet, auf Spannungen, die für den Generalmajor auch nicht verwunderlich sind, „wenn so viele Menschen unterschiedlicher Herkunft und kultureller Prägung aufeinandertreffen, wenn es sehr eng ist und man länger warten muss“.

Lieber redet Klaus von Heimendahl allerdings über „die Begegnungen mit den Familien, von denen wir wissen, dass sie über eine erhebliche Entfernung und unter großen Gefahren zu uns gekommen sind. Das berührt schon.“ Die Bundeswehr habe darauf aus dem Stegreif mit viel Engagement und Improvisation reagiert, „unsere Manöverkritik fällt bis dato gut aus“.

Für den Generalmajor hat der bisherige Verlauf bereits gezeigt, „dass die Bundesrepublik krisenfest ist, die Reaktion der Gesellschaft insgesamt kann sich sehen lassen“.